Das fossile Zeitalter geht zu Ende. Je früher sich eine Volkswirtschaft darauf vorbereitet, desto höher sind später ihre Chancen im weltweiten Wettbewerb.

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Mit welcher Härte wird Österreich seine Klimaziele verfolgen? Diese Frage wird die politischen Debatten in den kommenden Monaten, wenn die Regierung über Form und Höhe der CO2-Bepreisung entscheiden muss, beherrschen. Die Fronten verlaufen mitten durch die Koalition: Die Grünen rufen nach drastischen Schritten gegen die Klimakrise, die ÖVP verweist auf die Interessen von Wirtschaft, Bauern und Autofahrern – und pocht darauf, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht gefährdet werden dürfe. Was immer Österreich tue, so das Argument der Kritiker gegen eine radikale Klimawende, wirke sich auf das Weltklima ohnehin kaum aus. Gefordert seien vor allem die großen Volkswirtschaften wie die USA und China.

In diesem Punkt haben die Kritiker recht. Es ist absurd zu behaupten, dass ein höherer CO2-Preis in Österreich die Gletscherschmelze bremsen oder längere Dürrephasen verhindern könnte. Der Klimawandel ist ein globales Problem, gegen das nur globales Handeln hilft. Österreichs Emissionen fallen nicht ins Gewicht und haben auch keinen Einfluss auf Temperaturen im eigenen Land.

Gesunde Rosskur

Dennoch gibt es viele gute Gründe dafür, dass Österreich beim Klimaschutz nicht auf die Großen wartet, sondern eine Vorreiterrolle einnimmt. Das Land ist Teil der EU, und die Union ist nach China und den USA der drittgrößte CO2-Emittent. Jede Regierung schielt auf das, was anderswo geschieht. Das Zögern der einen lähmt den politischen Willen der anderen. Wenn Europa hingegen entschlossener handelt, dann gibt das anderen Staaten – von den USA über China bis Indien und Russland – einen Anreiz, selbst mehr zu tun.

Das Gleiche gilt innerhalb der EU. Klimaschutzpioniere wie Schweden helfen mit, Blockaden in anderen Mitgliedsstaaten zu lösen. Wenn ein reiches EU-Land wie Österreich hingegen bremst, weil es sich wegen Arbeitsplätzen, Unternehmensgewinnen und Kosten für die Menschen sorgt, dann kann man von Polen noch weniger verlangen. Auf diese Weise wirkt sich das, was Türkis und Grün in nächster Zeit beschließen, weltweit aus.

Aber auch aus Eigennutz müssten Österreichs Wirtschaftsvertreter mehr und nicht weniger Klimaschutz fordern. Es steht außer Frage, dass das fossile Zeitalter zu Ende geht. Je früher sich eine Volkswirtschaft darauf vorbereitet, desto höher sind später ihre Chancen im weltweiten Wettbewerb.

Jahrhundertchance

Es mag kurzfristig für Österreichs Betriebe schmerzhaft sein, wenn Sprit teurer und Umweltauflagen härter werden. Und ja, das kann und wird in manchen Fällen Arbeitsplätze kosten. Aber solche Rosskuren haben sich in der Vergangenheit als höchst vorteilhaft erwiesen.

In den 1970er-Jahren koppelte Österreich seinen Schilling an die harte D-Mark, gegen den lauten Protest der Industrie, die um ihre Exporte fürchtete. Italien wertete die Lira hingegen regelmäßig ab. Aber die Hartwährungspolitik dieser Zeit zwang die Unternehmen zu Innovation und Effizienz – der Grundstein für spätere wirtschaftliche Erfolge. Daran sollten sich Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung erinnern, wenn sie wieder einmal vor Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit warnen.

Der Klimaschutz gibt Österreich die Jahrhundertchance, auf der Weltbühne wieder eine Rolle zu spielen. Diese Aufgabe kommt nicht zum Nulltarif. Aber jede Investition, die jetzt getätigt wird, zahlt sich längerfristig vielfach aus. (Eric Frey, 30.8.2021)