Ohne höhere Durchimpfung droht den Schulen im Herbst ein erneutes Hygieneregime.

Foto: Imago/Michael Weber

"Achtung, Papa hat Kolumne!", und dann wissen die Kinder schon, dass sie mich in meinen Schreibstunden nicht anzureden brauchen und nur Mama Anliegen entgegennimmt. Nun liegt aber meine Frau seit zwei Tagen mit einer starken Grippe im Bett, auch ich bin ein wenig angeschlagen. An Ruhe ist nicht zu denken. Als pflegende Angehörige eines Kindes mit Autismus und mit zwei weiteren Kindern sind wir sowieso gefordert. Schon allein deshalb haben wir uns gegen das Coronavirus impfen lassen.

Wir können es uns gar nicht leisten, länger auszufallen. Die Großeltern sind weit weg, und so lieb unser Therapiehund auch ist, aber weder kann Timmy Essen kochen noch die Kleine zum Zähneputzen animieren oder den Sohn erinnern, sein Medikament zu nehmen. Die Debatten von Impfgegnern sind für uns Luxusprobleme in einer selbstbezogenen Wohlstandsgesellschaft, die Probleme erfindet, wenn sie keine hat.

Mir graut schon vorm Herbst, wenn sich die Kinder wieder einem Test-, Masken- und Hygieneregime unterziehen müssen, weil sich ein Teil der Bevölkerung weigert, sich impfen zu lassen. Darunter auch scheinbar ein Drittel der Lehrerschaft, also jener, die dafür bezahlt werden, kompetente und mit Wissenschaft vertraute junge Menschen auszubilden. Noch einmal Schulen zu und Lockdown, das schaffen wir als Familie nicht mehr, anderen Eltern im Freundes- und Bekanntenkreis geht es ähnlich. Wir befinden uns alle in voller Vorschulpanik!

Skepsis mit Konsequenzen

Verstehen sie mich nicht falsch, ich halte überhaupt nichts von einer Impfpflicht. Zum einen weil die Geschichte belegt, dass eine solche Maßnahme nichts bringt und nur noch mehr Widerstand erzeugt. Zum anderen weil ich fest davon überzeugt bin, dass jeder selbst für seinen Körper und seine Gesundheit entscheiden soll. Wenn Impfgegner schon einen Hochseilakt machen wollen, dann bitte mit vollem Risiko und ohne dass wir unten das Netz halten müssen.

Aktuell sind 90 Prozent der Corona-Fälle in Spitalsbehandlung ungeimpft. Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte sind nach eineinhalb Jahren Corona am Ende ihrer Kräfte. In der Pandemie übernehmen sie gerade solidarisch Verantwortung für Menschen, die nicht bereit waren, solidarisch zu handeln. Die Impfung aus Zweifel an der Wissenschaft ablehnen, aber sich im Notfall auf der Intensivstation behandeln lassen, das geht sich nicht aus.

Wer an der Sinnhaftigkeit einer Impfung zweifelt, ist in seiner Haltung zu respektieren, soll dann aber bitte mit den Konsequenzen leben und das Risiko übernehmen! Wie wäre es, wenn ungeimpfte Personen mit Corona im Spital für einen Teil der Behandlungskosten aufkommen? Auch bei manchen Risikosportarten übernimmt die Krankenversicherung zu Recht keine Behandlungskosten. Würden Impfgegner auf ein Intensivbett verzichten?

Sollen wir mit unserem Steuergeld Krankenstandstage von Lehrerinnen und Lehrern bezahlen, die noch immer nicht geimpft sind, oder gar wegen ihnen Schulen schließen? Fragen, die vielleicht aus Wut und aus Erschöpfung in mir hochkommen, aber ehrlich gesagt ist mir das gerade egal, der Hund muss Gassi, und die Kinder brauchen ein Frühstück! Korrekturschleifen gehen sich heute keine mehr aus. (Philippe Narval, 30.8.2021)