In der Nähe des Dornbirner Bahnhofs wurde am Sonntag ein 39-jähriger Mann bei einem Polizeieinsatz getötet – er habe die Polizeibeamten mit einem Messer bedroht.

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Nachdem am Sonntag in Dornbirn ein 39-jähriger Mann durch Schüsse bei einem Polizeieinsatz getötet worden ist – er soll die Polizeibeamten zuvor mit einem Messer bedroht haben –, soll laut "Vorarlberger Nachrichten" nun ein Ermittlerteam aus Tirol den genauen Hergang der Tat klären. Laut einem Polizeisprecher sei der Mann polizeibekannt gewesen, es habe bereits des Öfteren Einsätze wegen ihm gegeben.

Wann Waffengebrauch zulässig ist

Den Gebrauch von Dienstwaffen regelt in Österreich das Waffengebrauchsgesetz von 1969. Zur Waffe greifen dürfen Exekutivorgane wie Polizistinnen und Polizisten und Gemeindewachebeamte demnach unter anderem im Fall "gerechter Notwehr", um den Widerstand gegen eine Amtshandlung zu überwinden, um eine Festnahme vorzunehmen oder um die Flucht eines Festgenommenen zu verhindern.

Der Waffengebrauch ist laut Gesetz nur zulässig, "wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen", darunter die Androhung des Waffengebrauchs, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder gelindere Mittel wie Handfesseln, "ungeeignet scheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben". Wenn verschiedene Waffen zur Verfügung stehen – zu den Dienstwaffen zählen auch Tränengas oder Einsatzstöcke –, darf ein Exekutivorgan nur zu "der am wenigsten gefährlichen, nach der jeweiligen Lage noch geeignet scheinenden Waffe" greifen. Zweck des Waffengebrauchs gegen Menschen darf nur sein, "angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen". Jede Waffe ist weiters "mit möglichster Schonung von Menschen und Sachen" zu gebrauchen.

Notwehr als Knackpunkt

Der "mit Lebensgefährdung verbundene Gebrauch einer Dienstwaffe gegen einen Menschen" ist nur zulässig im Fall "gerechter Notwehr zur Verteidigung eines Menschen", um einen Aufstand oder Aufruhr zu unterdrücken sowie weiters in bestimmten Fällen von Festnahmen beziehungsweise Fluchtverhinderung, etwa wenn die betreffende Person als allgemein gefährlich gilt beziehungsweise wenn sie Straftaten verdächtigt wird, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind. Der lebensgefährdende Einsatz einer Dienstwaffe ist "ausdrücklich, zeitlich unmittelbar vorangehend und deutlich wahrnehmbar anzudrohen", als Androhung gilt auch die Abgabe eines Warnschusses. Im Fall "gerechter Notwehr" findet letztere Bestimmung keine Anwendung.

Unter "Notwehr" versteht der Gesetzgeber laut Strafgesetzbuch eine Handlung zur Verteidigung, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen von sich oder anderen abzuwehren. Dabei muss also eine tatsächliche Notwehrsituation vorliegen, die Verteidigungshandlung muss notwendig sein und verhältnismäßig geschehen.

Opfer von Schusswaffengebrauch

Der Schusswaffengebrauch ist für Polizisten immer eine Gratwanderung. Er gilt als letztes Mittel, um Randalierer oder Gewalttäter zu stoppen. Häufig werden die Beamten selbst mit Waffen bedroht. Im heurigen Jahr starben bereits zwei Menschen durch Schüsse aus Polizeidienstwaffen. Nachfolgend eine Auflistung derartiger Einsätze mit tödlichem Ausgang.

29. August 2021: Ein 39-jähriger Mann geht in Dornbirn mit einem Messer auf Polizisten los. Ein Beamter feuert zwei Schüsse ab. Der Mann wird tödlich getroffen und stirbt noch an Ort und Stelle. Die Beamten waren ursprünglich wegen Lärms zu dem Haus gerufen worden.

5. Jänner 2021: Eine 67-Jährige wird in der Auhofstraße in Wien-Hietzing durch einen Schuss aus einer Polizeidienstwaffe getötet. Die Pensionistin soll zunächst ihre Heimhilfe bedroht haben. Beim folgenden Polizeieinsatz greift die Frau Beamte mit einem Messer in der Hand an. Die Polizisten setzen daraufhin einen Taser ein und geben einen Schuss ab. Die Frau wird noch mit dem Rettungshubschrauber in ein Spital gebracht, wo sie kurz danach verstirbt.

14. Juni 2020: Nach einer Verfolgungsjagd in Altmünster im Bezirk Gmunden wird bei einem Schusswechsel mit der Polizei ein Mann getötet. Der Lenker eines Pkws kann erst nach mehreren Versuchen gestoppt werden. Dabei schießt er auf einen Streifenwagen, worauf Polizisten von der Waffe Gebrauch machen. Der Mann, der viermal getroffen wird, überlebt die Verletzungen nicht. Zuvor hat er gegenüber seiner Frau, dem Nachbarn und einem Priester angekündigt, sich das Leben nehmen zu wollen. Mit einer Lang- und einer Faustfeuerwaffe fährt er dann von daheim weg.

17. Juli 2016: Ein 37-Jähriger wird von Polizisten im Stiegenhaus eines Wohnhauses in Wien-Ottakring erschossen, nachdem er diese mit zwei Messern attackiert hat. Die Exekutive war zuvor wegen "eines randalierenden Mannes" in die Brüßlgasse gerufen worden.

2. Juli 2016: Bei einem Supermarktüberfall in Wien-Penzing wird stiller Alarm ausgelöst. Die eintreffenden Besatzungen dreier Funkstreifen werden von dem Räuber beschossen. Ein Polizist wird dabei lebensgefährlich, ein weiterer schwer und eine Beamtin vermutlich durch einen Sturz leicht verletzt. Der 50-jährige Bosnier flüchtet, wird aber in der Nähe von der Sondereinheit Wega gestellt. Bei einem neuerlichen Schusswechsel wird der Mann tödlich getroffen.

3. Juli 2014: Ein 21-Jähriger flüchtet nach einem gescheiterten Tankstellenüberfall in Wiener Neustadt in Niederösterreich in einem Auto vom Tatort. Der Mann wird in Neunkirchen von der Polizei gestoppt und bedroht die Beamten mit einer Waffe – wie sich später herausstellt, einer Softgun. Die Polizisten eröffnen das Feuer, und der junge Mann wird neunmal getroffen, davon dreimal tödlich. Die Staatsanwaltschaft entscheidet elf Monate später, dass der Schusswaffengebrauch gerechtfertigt war, und erhebt keine Anklage.

7. Juni 2013: Ein tobender Mann attackiert in einem engen Stiegenhaus in Liesing acht Angehörige der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (Wega) mit einem Messer. Vier der Polizisten geben insgesamt 20 Schüsse ab. Das Verfahren gegen die Beamten wird ein Jahr später eingestellt.

28. April 2010: Ein 84-jähriger Mann in Laakirchen im Bezirk Gmunden bedroht in den Nachtstunden einen Zeitungsausträger, der in seiner Hauseinfahrt stehen bleibt, mit einer Pistole. Der Autofahrer flüchtet zur Polizei, die den Senior aufsucht. Nachdem der Mann sich auch nach einem Warnschuss weigert, die Pistole fallen zu lassen, eröffnen die Streifenbeamten das Feuer. Ein Schuss trifft den 84-Jährigen in die Brust.

31. Dezember 2009: Nach einem Überfall auf ein Wettcafé bei Graz wird der Räuber während der Verfolgungsjagd von zwei Projektilen in den Bauch getroffen. Der 38-Jährige durchbricht mit seinem Pkw zuvor mehrere Polizeisperren, in Weitendorf stoppt ein Schuss in den Reifen seine Weiterfahrt. Der Mann steigt aus und eröffnet das Feuer – zwei Polizisten geben daraufhin vier Schüsse ab. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass der 38-Jährige nur mit einer Gaspistole bewaffnet war. Der Verletzte stirbt im Spital an inneren Blutungen.

22. November 2009: Ein Polizist tötet in einer Notwehrsituation einen Lebensmüden in Wien-Favoriten. Der 31-Jährige hatte eine täuschend echt aussehende Gaspistole auf den Beamten gerichtet, dieser schießt und trifft den Mann zweimal.

5. August 2009: Bei einem Einbruch in einen Merkur-Markt in Krems an der Donau wird ein 14-jähriger Jugendlicher von der Polizei erschossen, sein zum damaligen Zeitpunkt 16-jähriger Komplize schwer verletzt. In der Folge wird über die Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs heftig diskutiert. Ein Beamter wird rechtskräftig zu acht Monaten bedingter Haft wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen verurteilt.

8. August 2008: Ein Polizist erschießt gegen 4 Uhr in Wetzelsdorf im Bezirk Korneuburg einen Motorraddieb. Der 46-Jährige wollte bei einem Anhalteversuch davonrasen.

19. April 2008: Auf einem Parkplatz der Wiener Außenringschnellstraße (S1) in Schwechat kommt bei einem Schusswechsel ein als Polizist getarnter Rumäne durch das Projektil einer Dienstwaffe eines Beamten in Zivil ums Leben. Laut Polizei war der Flüchtende, der gemeinsam mit zwei Komplizen mehrere Überfälle begangen haben soll, auf die Beamten losgefahren. Die Anklagebehörde kommt zu dem Schluss, dass die Schussabgabe durch die Polizisten gerechtfertigt war. (APA, red, 30.8.2021)