Ausgewählten Interessenten wird ihr Gesicht als digitale Kopie abgekauft und künftig für die kommerzielle Produktion von Videos genutzt.

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Von unterhaltsamen Videos wie "Deepfake Tom Cruise" bis hin zu Politikerauftritten, die es nie gegeben hat: Die digitale Reproduktion realer Gesichter in Bild und Video hat einerseits großes Potenzial als kreatives Werkzeug – und birgt andererseits auch beachtliche Risiken.

Wohl im Graubereich dazwischen bewegt sich das Start-up Hour One. Das Unternehmen mit Büros in Tel Aviv und New York wittert in diesen sogenannten Deepfakes großes Geschäftspotenzial für Werbung und Marketing. Und zu diesem Zwecke sucht man nun nach Menschen, die bereit sind, ihr Antlitz zu verkaufen, berichtet "MIT Technology Review". Interessenten können sich über ein eigenes Formular unter Angabe ihres Instagram-Kontos bewerben, wobei die Betreiber betonen, nicht nur auf der Suche nach "Model"-Gesichtern zu sein, sondern eine große ästhetische Bandbreite bieten zu wollen.

Videobaukasten mit Deepfake-Charakteren

Die Gesichter sollen anschließend vor einem Greenscreen in guter Qualität mit verschiedenen Emotionsausdrücken aufgenommen werden. Aus dem fertigen Material erstellt schließlich eine künstliche Intelligenz einen "Basischarakter".

Hour One

Eingesetzt werden diese dann für zwei Dienstleistungen. Mit "Reals" bietet man ein Werkzeug an, mit dem man einen Charakter aus der Datenbank wählt und sich zu ihm eine Stimme und Sprache nebst verschiedenen Akzenten auswählt. In Kombination mit vorgefertigten oder vom Kunden hochgeladenen Assets wie Hintergründen und Videoclips lassen sich damit Filme zu verschiedenen Zwecken produzieren, reichend von Werbung über Immobilienpräsentationen bis hin zu Tutorials. Die gesprochenen Texte werden von einer KI-basierten Text-to-Speech-Engine geliefert, als deren Grundlage von professionellen Sprechern produzierte Aufnahmen fungieren.

Die zweite Schiene ist ein individualisiertes Businessangebot. Dieses richtet sich an Kunden, die sehr viele Videos in kurzer Zeit benötigen, Texte einsprechen lassen wollen oder für die andere Sonderwünsche, etwa individuellen Deepfake-Charaktere, zu erfüllen sind, die Reals nicht abdeckt.

Hour One

Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 40 Kunden. Zu diesen zählt auch die Sprachschule Berlitz, die die Dienste von Hour One nutzt, um Videokurse umzusetzen. Dort kann man nun wesentlich mehr Material für die eigenen Kunden produzieren, ohne ständig die gleichen Aufnahmen zu wiederholen, nur um neuen Text einzusprechen.

Offene Fragen

Es stellt sich allerdings die Frage, wie die aus dem Gesicht echter Menschen kreierten digitalen Charaktere abgesichert sind. Hier gibt sich Hour One erstaunlich vage. Jedes Video enthalte ein digitales Wasserzeichen, mit dem nachweisbar sei, dass es sich nicht um die Aufnahme der echten Person handle. Darüber hinaus erklärt man nur, dass man die Gesichtsdaten "mit höchster Sicherheit" schütze.

Beim Center for Labor Research and Education ist man ob des Geschäftsmodells recht alarmiert. "Das sieht aus wie ein einigermaßen extremer Fall von Technologie, die die menschliche Rolle in einem Arbeitsprozess zurückdrängt", heißt es dort. Demnach geht es auch nicht nur um die Sicherheit der angekauften Gesichter, sondern um einen Teil der Kreativbranche, in der langfristig viele Jobs dank Deepfakes wegfallen könnten. (gpi, 31.8.2021)