Ein Lokal macht bei seinen Gästen Werbung für die Impfung.

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Mit der Impfung, so wurde es seit Monaten angepriesen, werden wir die Pandemie in den Griff bekommen. Nun ist mit gut 58 Prozent doch zumindest ein beträchtlicher Teil der österreichischen Bevölkerung voll geimpft, doch die Infektionszahlen steigen wieder deutlich. Und auch die Hospitalisierungen werden mehr. Mit Stand 1. September sind 545 Personen wegen Covid im Krankenhaus, 142 werden auf der Intensivstation betreut – das sind zwölf Personen mehr als am Tag davor.

Auch die Impfdurchbrüche werden mehr, also Infektionen trotz Impfung. Betroffene müssen zwar deutlich seltener ins Krankenhaus oder sogar in Intensivbetreuung, doch es kommt vor. Gefährdet sind größtenteils ältere oder immunsupprimierte Personen oder jene mit schweren Vorerkrankungen. Doch in Kombination mit Ungeimpften, die aufgrund einer Infektion ins Krankenhaus müssen, steigen die Zahlen eben relativ rasch.

Und obwohl der Schutz vor schweren Verläufen für Geimpfte sehr hoch ist, nutzen Impfkritiker die nachlassende Immunität als Argument dafür, dass die Impfung sinnlos sei. Eine neue Studie aus Großbritannien, die vorerst im Preprint erschienen ist, zeigt nun, wie stark die Immunität abnimmt.

Weniger Schutz bei Delta-Variante

Dafür hat sich ein Team rund um Koen Pouwels von der Universität Oxford die Daten von 500.000 Personen genauer angeschaut, die regelmäßig auf Covid-19 getestet wurden. Verglichen wurde die Effektivität der Impfung in zwei Zeiträumen – jenem, in dem die Alpha-Variante dominierte, und jenem mit der dominanten Delta-Variante.

Lag die grundsätzliche Schutzwirkung vor Durchbruchsinfektionen beim Impfstoff von Biontech/Pfizer bei der Alpha-Variante noch bei 94 Prozent, so ging sie mit der Delta-Variante auf 84 Prozent zurück. Für das Vakzin von Astra Zeneca ging die Schutzwirkung von 86 Prozent bei Alpha auf 70 Prozent bei Delta zurück. Geprüft wurde auch der Schutz vor neuerlicher Infektion nach durchgemachter Krankheit. Der reduzierte sich von 87 auf 77 Prozent.

Je mehr Zeit seit der Impfung bzw. Infektion vergangen war, desto stärker reduzierte sich die Schutzwirkung. Israelische Daten zeigten, dass eine mit Biontech/Pfizer im Jänner oder Februar geimpfte Person eine um 50 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für einen Impfdurchbruch hatte als eine im Juni oder Juli geimpfte. Die britischen Daten bestätigen dieses Ergebnis. In den drei Monaten nach der Impfung ließ die Schutzwirkung von Biontech/Pfizer um zehn Prozent nach. Das Astra-Zeneca-Vakzin ließ zwar nicht so stark nach, aber schützte von Anfang an nicht so gut.

Studie aus Katar stellt ebenfalls Rückgang des Impfschutzes fest

Ähnliche Ergebnisse zeigt eine im Preprint erschienene Studie aus Katar mit Daten für Cormirnaty, den Impfstoff von Biontech/Pfizer. Die Studie untersuchte sowohl den Rückgang der Schutzwirkung als auch den Schutz vor schwerem Verlauf. Die Erkenntnisse: Ab 15 Wochen nach der zweiten Dosis beschleunigt sich der Impfschutzrückgang. Häufiger waren Impfdurchbrüche ohne erkennbare Symptome, aber auch die Effektivität bei symptomatischen Erkrankungen ging zurück.

Hoch blieb hingegen der Schutz vor schweren Verläufen. Der erreichte in den ersten fünf Wochen nach der zweiten Impfung rund 95 Prozent und blieb für etwa sechs Monate konstant auf diesem Level.

Dass dieser Schutz hoch ist, bestätigen auch Daten aus Israel. Der deutsche Immunologe Carsten Watzl von der TU Dortmund zeigte zuletzt in einer Grafik auf Twitter, dass in Israel der Schutz vor schweren Verläufen nach wie vor bei über 86 Prozent liegt.

Ganz normaler Prozess

Noch einmal zurück zur britischen Studie: Einen wesentlichen Unterschied entdeckten die Forscher bei der Infektiosität von Durchbruchsinfektionen zwischen Alpha und Delta. In der Alpha-Periode produzierten Betroffene nur wenig Viruslast, dadurch war eine Übertragung weniger wahrscheinlich. Die Viruslast bei Delta-Durchbrüchen war dagegen gleich hoch wie bei Erstinfektionen. Trotzdem sind Betroffene weniger infektiös, da die Viruslast sehr rasch wieder reduziert wird, wie eine Studie des Erasmus Medical Center in Rotterdam zeigt.

Doch warum geht der Impfschutz eigentlich zurück? Das sei ein völlig normaler Prozess, betont Christoph Steininger, Virologe an der Med-Uni Wien: "Wenn der Körper mit einem neuen Eindringling konfrontiert ist, setzt das Immunsystem alles daran, den Eindringling zu eliminieren, es kommt zu einer überschießenden Immunantwort, die Körperabwehr stellt dabei Quantität vor Qualität. Das Immunsystem reift dann über viele Monate hinweg, seine Immunantwort wird immer besser und spezifischer. Kommt der Erreger erneut, braucht es nicht mehr mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, die Immunantwort ist viel präziser."

Die wichtige Frage ist, so Steininger, "wie lange es dauert, bis der Antikörperwert unter einen kritischen Wert fällt, sodass die geimpfte Person nicht mehr geschützt ist. Das dürfte über die große Masse gerechnet nach neun bis zwölf Monaten der Fall sein. Es gibt aber sicher auch sehr viele Menschen, die über Jahre geschützt sind. Ebenso wie umgekehrt einige, die nur wenige Monate geschützt sind. Und von denen leitet sich auch der Zeitpunkt der Auffrischung ab."

Sinnvolle Auffrischung für Ältere

Die Strategie, bei Älteren jetzt mit der Auffrischung zu beginnen, sei deshalb absolut sinnvoll, so Steininger: "In dieser Altersgruppe ist es sehr wahrscheinlich, dass die Impfung nicht so gut gewirkt hat, das ist auch bei anderen Impfungen der Fall. Außerdem gehen die Antikörper rascher verloren, und viele gehören zur Hochrisikogruppe."

Durch die Impfung kann das Immunsystem viel rascher und qualitativ hochwertiger auf ein eindringendes Virus reagieren, weil es schon einmal trainiert worden ist. Das Waning, also der Rückgang der Schutzwirkung, verhindert eben nicht immer eine Infektion, aber das Immunsystem reagiert deutlich schneller, und die Beschwerden sind nicht so langanhaltend, betont Steininger. (Pia Kruckenhauser, 1.9.2021)