So schön, dass es auch oft in Zeitlupe zu sehen ist: Chinesische Kampfsportkunst trifft in "Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings" auf gängige Marvel-Blockbuster-Elemente.

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Jeder Actionheld braucht einen ebenbürtigen Gegenspieler. Denn ohne das furchteinflößende Böse kann das Gute sich nicht feiern lassen. Schon länger manifestiert sich in US-Großproduktionen aber auch ein Interesse daran, in die Psyche der zum Schlechten verdammten Figuren blicken zu lassen und ihnen menschlichere Vielschichtigkeit zu verleihen. Man denke nur an den Joker, für dessen Darstellung Joaquin Phoenix 2020 einen Oscar erhielt.

Und so stellt nun auch das Marvel-Universum in seinem jüngsten Ableger Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings nicht nur seinen neuen, ersten asiatischstämmigen Martial-Arts-Titelhelden vor – verkörpert vom chinesisch-kanadischen Darsteller Simu Liu – , sondern widmet sich vor allem der Legende des gefürchteten Mandarin.

Dieser war bereits in Iron Man 3 für Terroranschläge verantwortlich, entpuppte sich dann aber nur als der Schauspieler Trevor Slattery (Ben Kingsley). Damals war er angeheuert, den Mandarin zu mimen und in dessen Namen Angst und Schrecken zu verbreiten.

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Nun wird ihm nicht nur ein Gesicht verliehen, sondern auch seiner Geschichte großer Stellenwert im Film eingeräumt. Dass es fast mehr um den Mandarin als um den eigentlichen Titelhelden geht, hat aber noch einen weiteren Grund, denn Shang-Chis Widersacher ist sein eigener Vater.

In Rückblenden erzählt Regisseur Destin Daniel Cretton von der Legende der zehn Ringe, die ihrem Träger Unsterblichkeit und unglaubliche Kräfte verleihen. Seit Jahrhunderten setzt Wenwu, so der eigentliche Name des Mandarins (gespielt von Wong-Kar-Wai-Darsteller Tony Leung Chiu Wai), seine Macht für das Böse ein. Er bildet eine eigene Armee aus, ist verantwortlich für Kriege, bis er in ein verzaubertes Dorf gerät und dort Leiko, Shang-Chis Mutter (Fala Chen), kennenlernt. Für seine Frau gibt Wenwu seine Unsterblichkeit auf, bis ihr Tod ihn Vergeltung üben lässt. Er bildet seinen Sohn zur Kampfmaschine aus, mit 15 Jahren flieht Shang-Chi nach Amerika, lässt seine kleine Schwester zurück und lebt dort ein unscheinbares Leben als Parkwächter eines Hotels, bis ihn sein Vater zurückholt.

Hauptdarsteller mit Stuntman-Erfahrung

Cretton vereint in Shang-Chi Elemente der chinesischen Wuxia-Epen mit Avenger-artigen Actionelementen. In der Verbindung von Martial Arts und dem ruhigeren Wushu-Stil findet er seine eigene Gangart. Oft wird das Tempo in Konfrontationen verlangsamt, damit die durchchoreografierten Bewegungen in Zeitlupen ausgekostet werden können.

Neben dem klassischen Kung-Fu-Film oder Ang Lees Aneignungen finden auch Crettons frühere Filme Einfluss, in denen Geschichten oft ohne Dialoge erzählt wurden. Auch die Stuntman-Erfahrung von Hauptdarsteller Simu Liu kommt dem Film in den spektakulären Momenten zugute.

Ben Kingsley darf als Schauspieler Travor Slattery natürlich auch nicht fehlen und beschert dem Film den vielleicht schönsten Moment: Als Mandarin-Darsteller sitzt er in dessen Gefängnis, trifft dort auf Shang-Chi und begleitet ihn dann im Kampf gegen den Mandarin. In solchen Momenten reflektiert das Marvel-Kino sich gelungen selbst und beweist Selbstironie.

Sprachlich wendig

Bemerkenswert ist auch der vielseitige Einsatz der Sprache: Es wird im selben Ausmaß Chinesisch und Englisch gesprochen, abhängig davon, in welchem Land und welcher Figurenkonstellation man sich gerade befindet. Das verleiht dem Film viel Glaubwürdigkeit und zeigt auch, wie wichtig der chinesische Markt für Hollywood geworden ist.

Shang-Chis Sidekick ist übrigens seine beste Freundin Katy (die aus The Farewell bekannte Awkwafina), die für die humoristischen Einlagen zuständig ist und mit ihren Kommentaren zu einer Verbündeten der Kinozuschauer wird. Sie verkörpert eine amerikanische Durchschnittsfrau, die des Alles-ist-möglich-Glaubens überdrüssig ist.

Shang-Chi überzeugt als ein Fantasy-Action-Film zwischen magischen Tierwesen und Martial Arts – und dürfte auch Nicht-Marvel-Fans gefallen. (Katharina Stöger, 31.8.2021)