Es ist ein umgekehrtes Ostpaket. Statt Markenware aus dem Westen ist in dem Karton eines der Erfolgsprodukte aus dem Osten: Superfest-Gläser. Sie sehen nicht wirklich vertrauenserweckend aus. Zu dünn und zu leicht liegen sie in der Hand. Doch der Hersteller VEB Sachsenglas Schwepnitz hat bei der Herstellung versprochen, dass die Lebensdauer der Superfest-Gläser fünfmal so lang sein soll wie bei einem gewöhnlichen Glas.

Foto: Lukas Friesenbichler

Die Firma hinter der Marke Superfest gibt es nicht mehr, ja nicht einmal das Land, in dem die Gläser produziert worden sind. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist seit knapp dreißig Jahren Geschichte. Die Gläser tun aber, allen politischen Entwicklungen und volkswirtschaftlichen Diskussionen zum Trotz, weiterhin ihren Dienst.

"Gehen Sie mal in Kegelbahnen, Gasthäuser oder Vereine in Ostdeutschland", sagt Peter Sonntag. Einige der Lokale hätten die Superfest-Gläser noch. "Die Gläser sind dort 40 Jahre alt. Das müssen Sie sich mal vorstellen!", sagt Sonntag. Zugegeben: Er ist parteiisch, wenn es um Superfest geht. Sonntag war zunächst zuständig für Investitionen, später technischer Leiter der Glasherstellung in Schwepnitz. In dem sächsischen Ort, knapp 35 Kilometer nordöstlich von Dresden, wurden zwischen 1980 und 1990 rund 110 Millionen Gläser mit einem damals innovativen Verfahren produziert.

Diese Geschichte erschien in einer RONDO-Ausgabe rund um das Thema Glas.

"Es erfolgte ein Ionenaustausch", sagt Sonntag, und beim Erzählen merkt man, dass er diesen kleinen Vortrag über die innovative Produktionsweise schon sehr oft gehalten hat. Kurz zusammengefasst, haben ostdeutsche Wissenschafter ein Verfahren entwickelt, bei dem Gläser in ein flüssiges Kaliumnitratbad getaucht werden. Kleinere Natriumionen tauschen so den Platz mit größeren Kaliumionen. Die Folge: höhere Oberflächenspannung und somit härtere Gläser.

Vor allem für Gastronomie

Henning Schulz ist einer von denen, die in Ostdeutschland auf die Gläser gestoßen sind. Vor über zehn Jahren lebte der Rheinländer in Berlin. Ein ostdeutscher Freund servierte ihm ein Getränk in einem Superglas. "In einem dieser bekannten Wirtegläser", sagt Schulz und meint die stapelbaren Gläser, die nach oben hin breiter werden.

Sein Freund erklärte ihm, was die Gläser besonders machte. "Und seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen", sagt Schulz heute. Während seines zehnjährigen Aufenthalts in Berlin sammelte Schulz rund 200 Stück der Gläser. "Die Sammelwut hat mich gepackt", sagt Schulz. Handelsübliche Gläser gingen schnell kaputt, seine Superfest-Gläser aber nicht. Am Vortag seien ihm beim Spülen zwei Gläser runtergefallen. "Jetzt dürfen Sie mal raten, welches kaputtgegangen ist und welches nicht", sagt er.

"Die Gläser sind dort 40 Jahre alt. Das müssen Sie sich mal vorstellen!" Peter Sonntag

"Die Gläser waren natürlich nicht unzerbrechlich", sagt Sonntag. Der ehemalige technische Leiter erzählt von einer Vorführung, bei der ein Glas auf den Boden geworfen worden ist. Es fiel auf einen Stein: "Und bumms war es kaputt", sagt Sonntag und lacht selbst vierzig Jahre später noch über den "Vorführeffekt". Die Superfest-Gläser seien vor allem in der Gastronomie eingesetzt worden.

Dort habe es wegen Ressourcenmangels an Glas gefehlt. Dem damaligen DDR-Minister für Glas und Keramik soll bei einem Fest das Bier sogar in einem Pappbecher serviert worden sein. "Es fiel dann die Entscheidung in der DDR, Gläser zu entwickeln, die nicht mehr so leicht kaputtgehen, eine längere Haltbarkeit haben und den Bedarf decken", sagt Sonntag. So sollte es trotz Ressourcenmangels Gläser in der DDR geben.

Nostalgische Lieferung

Wenn Mike vom Leben in der DDR spricht, verwendet er auch das Wort Mangel. Er erzählt aber auch von Feiern, von Urlaub in Ostdeutschland und guter Qualität ostdeutscher Produkte. "Hier hat man aus einer Menge Scheiße Gold machen müssen", sagt der Thüringer, der lieber nicht unter seinem echten Namen in der Zeitung sein möchte. Während seiner Jugend in der DDR hat Mike die Superfest-Gläser in der Gaststätte seiner Tante gespült. "Die waren besser als andere", sagt Mike. Sie zerbrachen nicht so schnell.

Er habe sie auch bei Feiern im Freien mitnehmen können, denn sie ließen sich stapeln und transportieren, ohne kaputtzugehen. Als er vor einiger Zeit nach den stabilen Gläsern suchte, fand er auf Ebay eine alte Eisdiele, die ihren Bestand auflöste, darunter auch viele Superfest-Gläser. Mike schlug zu. "Ich habe da 13 oder 14 Kisten mitgenommen", sagt er. Er habe genug Gläser für den Eigengebrauch und verkaufe den Rest nun auf Ebay. Für knapp 30 Euro schickt er einen Karton mit sieben Gläsern nach Österreich.

In die Schweiz hat er die Gläser auch schon verkauft, und nach Westdeutschland sind ebenso Pakete gegangen. "Die Käufer sagen, das Zeug ist qualitativ hochwertiger und nachhaltiger als Produkte, die man etwa vom chinesischen Markt kennt." Größtenteils kaufen aber Ostdeutsche die Superfest-Gläser. "Die Leute erinnern sich noch an das gute Alte, wenn es denn gut war", sagt Mike.

Zu den charakteristischen stapelbaren Bier- und Saftgläsern kamen später auch andere Modelle wie Cognacschwenker und Schnapsstamperln dazu.
Foto: Lukas Friesenbichler

Im DDR-Inland ist es in den 1980ern für Superfest gut gelaufen. Laut Sonntag war der Bedarf an Gläsern in Ostdeutschland bald mit den Superfest-Gläsern gedeckt. Zu den Stapelgläsern kamen bald auch andere Modelle wie Cognacschwenker, Sektflöten oder Schnapsstamperln. Probleme gab es gegen Ende des Jahrzehnts. "Dann herrschte schon Überproduktion", sagt Sonntag. Das Unternehmen versuchte in das "nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet", also nach Westdeutschland, zu exportieren, hatte dabei aber wenig Erfolg. Paradoxerweise lag es nicht an der schlechten Qualität der Gläser, sondern umgekehrt an ihrer zu langen Haltbarkeit.

"Die Händler sagten: ‚Wir sind doch nicht verrückt! Wir decken den Bedarf und können dann nichts mehr verkaufen!‘", so Sonntag. Bevor das Unternehmen die Superfest-Gläser in anderen Ostländern anbieten konnte, kam die Wende. "Dann war über Nacht mit allen Vorhaben Schluss", so Sonntag.

Kein offizieller Verkauf

Doch es waren nicht Westdeutsche, die die Produktion der Superfest-Gläser einstellten. "Das hat die Werksleitung entschieden, weil sie keinen Umsatz mehr gemacht haben", sagt Sonntag, "Sie können nicht produzieren für einen Lagerbestand, den Sie nicht verkaufen können." Warum konnte man den Produktionsfluss nicht stoppen, bis das Durcheinander um die Wende sich gelegt hatte? Das war dem Produktionsprozess geschuldet. Das 1.500 °C heiße Glas musste ständig bedient, die Glaswanne durfte nicht angehalten werden. Der Produktionsfluss musste weitergehen – bis er eben 1990 endgültig gestoppt worden ist.

Wer heute noch Superfest-Gläser kaufen will, muss auf Ebay suchen oder auf ostdeutschen Flohmärkten stöbern. Einen offiziellen Superfest-Verkauf gibt es nicht mehr. Die Nachfrage sei jedoch da, sagt Mike. Er verkauft seine Gläser aber nicht wegen des Geldes auf Ebay. "Es macht mir sehr viel Spaß, wenn ich die weitergeben kann", sagt er. Er lerne Menschen kennen, die Wert legen auf Dinge wie stabile Gläser. "Dann kommt man ins Gespräch", sagt er. Er erzählt von "Exoten", die sich Zimmer und ganze Wohnungen voll mit DDR-Produkten einrichten. "So einer bin ich aber nicht", sagt Mike. Er lege lieber mal kostenlos noch Gläser mit rein in ein Paket: "Hauptsache, die Leute haben Freude daran."

Henning Schulz dürfte irgendwo zwischen den Exoten und den Superfest-Begeisterten einzureihen sein. Seine Faszination ließ ihn eine Facebook-Seite für Fans der DDR-Gläser aufsetzen. Dort postet Schulz etwa zu Filmen, in denen die Gläser auftauchen, oder Dokumentationen über die Produktion. Gerade plant er, im Keller seines Wohnhauses einen kleinen Ausstellungsraum zu den Superfest-Gläsern einzurichten. Glaubt er, dass die Gläser heute noch Erfolg hätten? "Ich würde mir wünschen, dass die Nachhaltigkeit mehr Zuspruch bekommt als der Gewinn", sagt Schulz.

Auch der ehemalige technische Leiter Sonntag sieht Potenzial für eine erneute Produktion der Gläser. Das DDR-Patent für "Verfahren und Vorrichtung von Glaserzeugnissen durch Ionenaustausch" ist mittlerweile ausgelaufen. Wer überlegt, die Produktion wieder anzuwerfen, müsse jedoch abwägen. Auf der einen Seite wären die Kosten für Rohstoffe, Anlagen und Betrieb immens. "Die 1.500-Grad-Schmelze muss man erst mal betreiben", sagt Sonntag. Auf der anderen Seite müsse sich die Gesellschaft generell fragen, ob man wirklich alles in einer derartigen Vielfalt haben müsse – oder lieber länger Gläser hat, die nicht kaputtgehen.

Auf seine Vergangenheit in Schwepnitz blickt Sonntag jedenfalls positiv zurück. "Es war eine überaus anstrengende, jedoch sehr schöne und abenteuerliche Zeit", sagt Sonntag, "gerne wieder, wenn ich jünger wäre." (Ana Grujić, RONDO, 5.9.2021)