Frank Spilker ("Die Sterne") macht Österreich – mit aktuellem Album – um ein Jahr verspätet seine Aufwartung: mit um die Ecke gedachtem Funk der glorreichen Hamburger Schule.

Foto: Brigitta Jahn

Das diesjährige Heart-of-Noise-Motto "Life is good" mag Zuversicht versprühen, die Verwerfungen unserer Zeit sind trotzdem nicht weit. Verhandelt werden sie unter anderem im Kubus vor dem Landestheater, der sich als feiner Präsentationsort für Klanginstallationen und Kunstprojekte etabliert hat. Im experimentellen Hörspiel How deep is the sea von Peter Lorenz und Martin Hofstetter hört man sanftes Meeresrauschen, doch aus der Ferne dringt das unheilvolle Geräusch detonierender Bomben ans Ohr. Verdächtig nach Klassenkampf klingt wiederum die fiktive Band Reserve Army of Labour, die das Duo #distinguishedAF (Heidi Holleis, Karin Pernegger) zur Diskussion stellt.

Das Festival-Herz schlägt von 3. bis 5. September aber in der Dogana im Innsbrucker Congress, wo am Freitagabend Robert Henke, auch bekannt unter seinem Produzenten-Alter-Ego Monolake, mit seiner auf den Grafiken und Klängen von fünf Commodore-CBM-8032-Computern basierenden Performance CBM 8032 AV eröffnet. Tags darauf unternehmen Franck Vigroux und Kurt d’Haeseleer eine Reise zu versunkenen Städten in Frankreich und an den Jangtsekiang: The Island taucht blinden Fortschrittsglauben in ein flirrendes Universum aus Licht und Klang.

Schauplatz: Straßenbahn

Seit 2011 erforschen die Heart-of-Noise-Macher Chris Koubek und Stefan Meister mit ihren Programmen Regionen abseits des Musikmainstreams, das Festival befindet sich seither auf Wanderschaft durch verschiedene Locations. Allmählich, so Koubek, keime aber schon der Wunsch nach einer fixen Heimstätte auf, wobei der öffentliche Raum auch weiterhin kräftig bespielt werden soll. Dieses Jahr auch wieder mit einer Stadtraumskulptur, die von Studenten der Innsbrucker Architekturfakultät entworfen wurde, und mittels Tamactic Rides in der Straßenbahn.

Zu den Festival-Gästen in der Dogana zählen unter anderem auch die Zypriotin Maria Spivak, Radian, Noise-Großmeister Roly Porter aus Bristol, Stephen O’Malley und François Bonnet aka Kassel Jäger sowie – zum sonntäglichen Finale – Die Sterne beziehungsweise deren letztes verbliebenes Gründungsmitglied Frank Spilker mit diversen Live-Kollaborationen unter anderem von der Kölner Band Von Spar und den Düsseldorf Düsterboys.

"Des einen Noise ist des anderen Pop", behaupten dazu die Programmmacher. Was die Ausweitung der Klangzone in die Gefilde der Installations- und Performancekunst betrifft, kooperiert man dieses Jahr erstmals auch mit der Tiroler Künstlerschaft. In deren Kunstpavillon übersetzt Marta Navaridas mit Onírica das Medium der Zeichnung in performative Körperkunst. Die Innsbrucker Klangkünstlerin Anna Lerchbaumer betreibt derweil im Foyer der Dogana auch lokal verortete Klang-Archäologie, wenn sie einen Sonic Shrine aus akustischen Artefakten der hiesigen Musikszene baut. (Ivona Jelčić, 31.8.2021)