Schon länger nicht mehr überrannt: die Corona-Impfstationen in ganz Österreich. Dennoch gibt es Regionen, wo mehr als in anderen Gebieten geimpft wird.

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Seit rund zwei Monaten sind in fast allen Bundesländern die Impfungen gegen Covid-19 für alle Altersgruppen freigegeben, dennoch stockt die Bereitschaft, sich gegen die Krankheit immunisieren zu lassen. In Österreich sind derzeit etwas mehr als 65 Prozent der impfbaren Bevölkerung vollimmunisiert, knapp 70 Prozent haben ihre erste Impfdosis erhalten. Doch in einigen Regionen und Gemeinden sind deutlich mehr Menschen geimpft als in anderen. Woran das liegt, haben Forscherinnen und Forscher der Universität Wien im Rahmen des Austrian Corona-Panel Project untersucht. Das Resultat ist klar: Wir leben in einem Land der unterschiedlichen Impfgeschwindigkeiten. Im Interview mit dem STANDARD erklärt die Sozialwissenschafterin Julia Partheymüller, welchen Einfluss Faktoren wie Alter und Wahlverhalten auf die Impfentscheidung haben.

STANDARD: Wie hängt das Alter mit der Impfbereitschaft zusammen?

Partheymüller: Durch die Priorisierung sind inzwischen bei den Älteren die meisten Impfbereiten bereits geimpft, und es verbleiben nur noch wenige Personen, die zögerlich sind oder sich gar nicht impfen lassen wollen. In den jüngeren Altersgruppen sind bisher weniger Personen geimpft, und es gibt noch einige Impfbereite. Zudem gibt es gerade in der jüngsten Altersgruppe unter 30 Jahren auch noch sehr viele Menschen, die zögern und unentschlossen sind. Im mittleren Alter gibt es anteilig die meisten Personen, die sich nicht impfen lassen wollen.

STANDARD: Seit rund zwei Monaten gibt es Impftermine für alle. Warum sind immer noch mehr ältere Menschen gegen Covid geimpft als jüngere?

Partheymüller: Für Ältere gab es von Anfang an eine klare Empfehlung, sich impfen zu lassen – auch aufgrund ihres hohen persönlichen Erkrankungsrisikos. Ein solch deutliches Signal gab es bislang für jüngere und mittelalte Menschen nicht, auch weil sie doch ein geringeres persönliches Risiko aufweisen. Hinzu tritt eine allgemeine Verunsicherung über Nebenwirkungen und Sicherheit der Impfstoffe. Daher ist für Jüngere die Kosten-Nutzen-Abwägung schwer abzuschätzen.

STANDARD: Wo in Österreich wurde bislang am meisten geimpft? Wo am wenigsten?

Partheymüller: Die Impfraten unterscheiden sich stark über die Regionen hinweg. Der Großteil dieser Variation kann mit dem Lebensalter der Einwohner erklärt werden. Es wurde also im Wesentlichen da am meisten geimpft, wo viele ältere Menschen leben, und am wenigsten dort, wo jüngere Menschen leben. Auch das Wahlverhalten spielt laut unseren Untersuchungen eine Rolle: Ein hoher Anteil an FPÖ-Wählerinnen und -Wählern in einer Gemeinde steht mit einer niedrigeren Impfrate in Zusammenhang.

Julia Partheymüller erforscht die Einstellung der Bevölkerung zu Gesundheitsthemen.
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STANDARD: Fehlt es dort am niederschwelligen Impfangebot?

Partheymüller: Niederschwellige Angebote sind hilfreich. Es reicht aber nicht, an jeder Ecke mit einer Spritze zu stehen. Zusätzlich zum Angebot braucht es Aufklärung darüber, ob und warum sich auch jüngere Menschen impfen lassen sollten.

STANDARD: Die Regierung möchte die Jungen nun über eine Social-Media-Kampagne erreichen. Reicht das?

Partheymüller: Es ist auf jeden Fall eine gute Idee, die Jüngeren jetzt auch einmal in den Blick zu nehmen und mit den für sie relevanten und aktuellen Informationen zum Forschungsstand zu versorgen. Es gibt jetzt jede Menge weitere Forschungsdaten, etwa zum Fremdschutz der Impfung. Es bräuchte so etwas wie eine zentrale Informationsplattform, über die aktuelle Informationen zum Impfthema und aktuellen Studien verlässlich und verständlich kommuniziert werden. Da muss man jetzt umschalten. Stattdessen dominieren Nachrichten über Impfdurchbrüche und Zweifel, ob die Impfung wirkt.

STANDARD: Wie viele Menschen können noch von einer Impfung überzeugt werden?

Partheymüller: Es sind derzeit rund 35 Prozent der impfbaren Bevölkerung noch nicht geimpft. Dabei sind rund fünf Prozent impfbereit, 15 Prozent zögerlich oder unentschlossen. 15 Prozent wollen sich auf absehbare Zeit nicht impfen lassen. Wir gehen davon, dass sich die Impfbereiten noch in der nächsten Zeit impfen lassen und zumindest ein Teil der Zögerlichen noch überzeugt werden kann.

STANDARD: Wer ist der klassische Impfgegner in Österreich?

Partheymüller: Nicht jeder, der sich bisher nicht hat impfen lassen, ist ein "klassischer Impfgegner", der grundsätzlich jegliche Art der Impfung ablehnt und Verschwörungstheorien anhängt. Die gibt es zwar auch, aber es gibt auch noch viele – vor allem jüngere – Menschen, für die es angesichts der bisherigen Kommunikation und Informationslage einfach noch nicht so klar ist, wie sinnvoll die Corona-Schutzimpfung auch für sie ist und inwiefern Risiken bestehen.

STANDARD: Wie kann man diese erreichen?

Partheymüller: Impfgegner können kaum noch erreicht werden. Sie haben sich ihre Meinung gebildet und wollen sich vermutlich gar nicht impfen lassen. Viele von ihnen nehmen eine Infektion in Kauf. Man sollte sich stattdessen auf jene fokussieren, die noch offene Fragen haben und sich nicht gut informiert fühlen. Das sind nach unseren neuesten Untersuchungen immerhin 56 Prozent der Bevölkerung, nur 37 Prozent glauben, dass die Behörden gut informieren. (Laurin Lorenz, 1.9.2021)