Der flache Neusiedler See ist in Sachen Austrocknung akut gefährdet. Das ist in der Vergangenheit bereits vorgekommen, und auch anderen der mehr als 2100 österreichischen Seen ging es gewiss schon schlechter: So führte etwa in den 1970er- und 1980er-Jahren die ungehemmte Einleitung von Abwässern in etlichen Fällen fast zum ökologischen Kollaps.

Nicht nur die Lufttemperatur ist in Österreich immer weiter gestiegen: Im Mondsee liegt die Wassertemperatur jährlich fast sechsmal öfter über 20 Grad.
Foto: Imago/Valentin Weinhäupl

Dieser konnte durch den Bau von Kläranlagen abgewendet werden. Mittlerweile wird die Wasserqualität gerade in den 62 großen Seen mit mehr als 50 Hektar regelmäßig untersucht. Viele werden als Badegewässer genutzt; die Wasserqualität ist fast durchweg ausgezeichnet.

Im Zuge des Klimawandels aber kommt auf die Seen und ihre Bewohner eine neue Gefahr zu: Vielen Arten könnte es in ihren Heimatgewässern zu heiß werden. Nicht in jedem See haben sie die Möglichkeit, der Hitze auszuweichen.

Anhaltende Wärmephasen

Heuer wurde eine Untersuchung an zehn europäischen Seen publiziert, unter anderen auch Mondsee, Wörthersee und Neusiedler See. Sie ergab für deren Oberflächenwasser in der Zeit von 1966 bis 2015 eine durchschnittliche Erwärmung um 0,58 Grad Celsius pro Dekade – insgesamt um fast drei Grad.

Probleme machen vor allem anhaltende Wärmeperioden. Diese werden immer länger, erklärt Martin Dokulil vom Forschungsinstitut für Limnologie der Universität Innsbruck in Mondsee, der an der Studie beteiligt ist. Laut der Studie gab es in der Periode 1976 bis 1980 im Mondsee "im Mittel zwölf Tage, an denen das Oberflächenwasser über 20 Grad hatte – heute sind es rund 70 Tage".

Tiefgreifender Mangel

Außerdem dringt das warme Wasser in immer tiefere Schichten vor. Wie Dokulil und Kollegen zeigen konnten, lag die mittlere Tiefe, bei der der Mondsee mehr als 20 Grad Celsius erreichte, vor 50 Jahren bei einem halben Meter. Heute sind es mehr als sechs Meter.

Eines der Probleme dabei: Je wärmer das Wasser ist, desto weniger Sauerstoff (O2) löst sich darin. An der Oberfläche ist das nicht so tragisch, weil O2 aus der Luft ins Wasser diffundiert. Schwierigkeiten ergeben sich in tieferen Lagen. Betrachten wir einen See unserer Breiten im Sommer, weist seine Wassersäule eine ausgeprägte Schichtung auf: oben warmes, nährstoffreiches Wasser, unten vier Grad kaltes, sauerstoffreiches Wasser. Dazwischen liegt eine stabile, kühle Schicht, die einen Austausch zwischen oben und unten verhindert.

Die Nährstoffe an der Oberfläche werden vor allem von Algen verwertet, die sich in der Folge stark vermehren. Nach einer Weile sterben die Algen ab und sinken auf den Seegrund, wo sie ihrerseits die Nahrungsgrundlage diverser Mikroorganismen sind. Bei der Zersetzung verbrauchen die Mikroben Sauerstoff, der im Verlauf des Sommers in den tiefen Wasserschichten daher abnimmt. Erst mit den fallenden Temperaturen im Herbst bricht diese Schichtung zusammen. Es kommt zu einer Durchmischung, in deren Verlauf wieder sauerstoffreiches Wasser in die Tiefe gelangt.

Tote Zonen

Je später im Jahr diese Durchmischung stattfindet, desto ausgeprägter wird die O2-freie Schicht am Seeboden, in der bis auf ein paar Einzeller und Bakterien nichts leben kann. Doch auch im Herbst geht die Durchmischung in vielen Seen nicht mehr bis zum Grund. In einigen Gewässern fehlt die Durchmischung in manchen Jahren sogar ganz.

Eine kürzlich im Fachblatt "Nature" veröffentlichte Studie, an der auch der Ökologe Ruben Sommaruga von der Uni Innsbruck beteiligt war, untersuchte fast 400 stehende Gewässer weltweit auf deren Sauerstoffgehalt in den letzten 70 Jahren. Dabei fanden die Wissenschafter nicht nur heraus, dass dieser deutlich abgenommen hat, sondern sie entdeckten auch zahlreiche "tote Zonen" auf dem Grund von Stillgewässern, wie man sie bis dahin nur von Meeren kannte. "Der Trend ist in Seen bis zu neunmal stärker als in den Ozeanen", sagt Sommaruga.

Einen Mangel an Sauerstoff in der Tiefe beobachten auch die Forscher des Wasserclusters Lunz (WCL) im niederösterreichischen Lunzer See im Herbst, wenn auch aus etwas anderen Gründen. Als Bergsee ist der Lunzer See (noch) nicht so stark von Erwärmung betroffen wie viele Tieflandseen. Aber Robert Ptacnik und sein Team fanden in den letzten zehn Jahren eine massive Zunahme des Nährstoffeintrags in den See. Dieser führt zu vermehrtem Algenwachstum und Sauerstoffzehrung am Seegrund.

Trockenheit und Starkregen

Schuld sind die komplexen Klimawandelfolgen: "Die Trockenheit und der Borkenkäfer setzen den umliegenden Wäldern stärker zu als früher", sagt Ptacnik. "Wenn Bäume absterben, setzen sie Nährstoffe frei, und die gelangen letztendlich in den See, wie alles, was in seinem Einzugsgebiet abläuft. Die zunehmenden Starkregen intensivieren dieses Geschehen noch."

Wie lange sich das Überangebot an Nährstoffen (wissenschaftlich Eutrophierung genannt) in Gewässern halten kann, sieht man am Piburger See in Tirol: Er wurde in den 70ern saniert, die negativen Konsequenzen der damaligen Eutrophierung blieben bis heute. "Das Wasser enthält weniger Mikroalgen, und der See ist in einem guten Zustand, aber in der Tiefe ist er immer noch sauerstofffrei", sagt Sommaruga.

Quecksilber im Fisch

Dies bedroht die Artenvielfalt der Seen. Viele Wasserbewohner, die es kühl brauchen, könnten zwar in tiefere, kältere Schichten ausweichen, aber nur, wenn es dort Sauerstoff gibt. Das ist in vielen Seen nicht der Fall. Die Fischgemeinschaft des Lunzer Sees hat sich daher verändert: Einst war der Saibling die wichtigste Art, ein klassischer Kaltwasserfisch. Heute kommen verbreitete, wärmeliebendere Hechte, Barsche und Karpfenfische wie Rotfedern darin vor, sagt Ptacnik.

Hinzu kommt laut einer neuen Studie, dass Algen bei höheren Temperaturen mehr neurotoxisches Methylquecksilber produzieren, dafür aber weniger Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Das wirkt sich negativ auf die Fische aus, die die Algen verzehren – und die wiederum bei uns auf den Tisch kommen.

Unklar ist, ob und wie Organismen sich genetisch anpassen werden. Auch sonst sind generelle Vorhersagen schwierig, jeder See ist anders. Doch geht es so weiter, müssen wir mit dem weiteren Rückgang seltener Arten in den Seen rechnen. (Susanne Strnadl, 2.9.2021)