Virtuose Werkzeugnutzer: Die Goffinkakadus.
Foto: Vetmeduni Wien/Mark O‘Hara

Unter den Säugetieren gelten Menschenaffen und Delfine als "Intelligenzbestien", bei Vögeln sind es vor allem Papageien und Rabenvögel. Eine Papageienspezies hat es den Verhaltensbiologen dabei besonders angetan: Die aus Indonesien stammenden Goffinkakadus (Cacatua goffiniana) stellen sich bei der Herstellung und im Gebrauch von Werkzeugen besonders geschickt an. Eine Wiener Forschungsgruppe befasst sich bereits seit einigen Jahren mit den erstaunlichen Fähigkeiten der klugen Tiere.

Nun haben die Wissenschafter beobachtet, dass sich frei lebende Goffinkakadus gleich mehrere Werkzeuge für eine bestimmte Aufgabe bauen. Diese bringen sie fein abgestimmt wie Besteck zum Einsatz, berichten die Forscher im Fachjournal "Current Biology". Es könnte sich um den komplexesten Technikeinsatz bei Tieren in freier Wildbahn handeln, der bisher dokumentiert wurde.

Natürliches Verhalten kontrollierten Bedingungen

Auf den Tanimbarinseln (Indonesien) konnte ein Team des Messerli Forschungsinstituts der Veterinärmedizinischen (Vetmed) Universität Wien und indonesische Kollegen das Verhalten der Vögel in einer Voliere näher untersuchen. Allerdings handelte es sich hier um eine Gruppe von Tieren, die nur kurzfristig so untergebracht waren und sonst in Freiheit lebten.

Dadurch konnten die Wissenschafter, die die Vögel bereits seit rund zehn Jahren in Wien in Gefangenschaft studieren, auch Verhalten beobachten, das die Tiere sonst in ihrem natürlichen Umfeld hoch in den Bäumen zeigen. Unter Laborbedingungen konnten Alice Auersperg und Kollegen bereits viele erstaunliche Fertigkeiten der Kakadus beim Gebrauch von Holzstücken als Werkzeuge dokumentieren. In Indonesien wurde nun klar, auf welch komplexe Weise sie das auch im natürlichen Umfeld tun.

Kakadus sind angepasste Generalisten, die viele verschiedene Nahrungsquellen nutzen. Manche Nahrungsmittel sind für die Vögel jedoch schwer zu "knacken". Laut der sogenannten "Futter Extraktions-Hypothese" ist die Fähigkeit, an schwer erschließbares Futter zu gelangen, der Entwicklung von Intelligenz zuträglich. "Im Fokus unseres Interesses standen daher Nahrungsquellen, die eher komplexe Methoden zur Extraktion des Futters erfordern. Nun wurden wir bei Samen, die in Fruchtsteinen eingeschlossen sind, fündig," erklärt Berenika Mioduszewska, vergleichende Psychologin am Messerli Forschungsinstitut und zweite Studienleiterin.

Schwere Aufgaben für die Intelligenzentwicklung

"Als ich ihnen (den Kakadus, Anm.) eine bestimmte Frucht aus dem Wald anbot, begann einer der Kakadus sich ein Werkzeug aus einem Ast zu basteln. Es war verblüffend, wie geschickt und kompetent der Vogel dieses Werkzeug anzuwenden verstand," so Studienleiter Mark O'Hara vom Messerli Forschungsinstitut.

Es zeigte sich, dass die Kakadus unterschiedliche Holzfragmente verwendeten, die sie aus Ästen herstellen, um das Samenmaterial durch einen Schlitz aus Fruchtsteinen "herauszulöffeln". "Mittels detaillierter 3-D Analyse dieser Werkzeuge und den damit ausgeführten Aktionen konnten wir feststellen, dass die Goffins tatsächlich bis zu drei verschiedene Werkzeuge mit jeweils unterschiedlicher Funktion einsetzen und sich auch hinsichtlich der Herstellungsart unterscheiden," sagt O‘Hara.

Um an das schmackhaften Innere mancher Steinfrüchte zu gelangen, greifen Goffinkakadus zu mehreren Werkzeugen.
Foto: Vedmeduni Wien/Mark O´Hara

Präzise und Geschickt im Umgang mit "Besteck"

Der Einsatz solcher "Tool Sets" ist um einiges anspruchsvoller, als die Nutzung eines einzigen Werkzeuges und war bisher nur bei Primaten (Menschen, Schimpansen und Kapuziner Affen) bekannt. "Besonders beeindruckend ist, dass die Papageien solche Meisterleistungen mit unglaublichem Geschick und größter Präzision ausführen," sagt Mioduszewska.

"Dieser Tool Set der Goffins erinnert an die Nutzung von Besteck," meint Alice Auersperg, die die Forschung an diesen Kakadus vor einem Jahrzehnt in Österreich initiierte. Der harte Kern der Frucht benötigt manchmal einen dicken Keil, um den engen Schlitz zu weiten der Zugang zum Samenmaterial ermöglicht. Allerdings muss zuvor ein Schutzmantel um den Samen mit einem "messerartigen" Werkzeug perforieret werden, das eher dünn und spitz ist.

Schlussendlich extrahieren die Vögel den Samen mit einem größeren und breiteren "Löffel". "Diese dynamischen Handlungen, sowie die komplexe Sequenz bei der Herstellung und der Anwendung der Werkzeuge könnten das raffinierteste Beispiel innovativer Technologie ergeben, das bisher bei wilden Tieren beobachtet wurde," so Auersperg.

Nicht alle gebrauchen Werkzeuge

Allerdings dürfte es sich hier um ein Verhalten handeln, das nicht in allen Tieren angelegt ist, da es nur bei wenigen Exemplaren zutage trat und diese sich ihre Werkzeuge auch auf unterschiedliche Weise anfertigten. Für das Team um Mioduszewska und O'Hara ist die erstaunliche Entdeckung jedenfalls "ein richtiger Schatz", der viele Einblicke in die Entwicklung von derart komplexen technologischen Verhaltensweisen ermögliche. (red, APA, 3.9.2021)