"God of War" wurde zu einem der exklusiven Zugpferde für die Sony-Konsole. Ob es immer so bleiben wird, steht in den Sternen.

Foto: Sony Computer Entertainment

Spielt es "Blacklist" oder "Lucifer" gerade auf Netflix oder Amazon Prime? Soll ich mir für "Black Widow" jetzt wirklich Disney+ holen? Der Angebotsdschungel bei den Streamingdiensten kann einen schon zur Verzweiflung bringen. Bei Videospielen ist man diesen Kummer hingegen schon gewohnt. "Halo" gibt es seit jeher nur auf der Xbox, und Mario springt nur auf Nintendo-Konsolen auf Schwammerln und kleine Schildkröten. Aber ist dieses Modell wirklich zeitgemäß, oder steht ein Aufbrechen dieser virtuellen Grenzen in Aussicht – und würde dieses vielleicht sogar mehr Probleme als Lösungen bringen?

Konkurrenzkampf

"Halo" auf der Nintendo Switch, "God of War" auf der Xbox. In Zeiten wie diesen sollte das eigentlich möglich sein. Würde es die Dienste unterschiedlicher Hersteller als App geben, die man auf dem Gerät der Wahl installiert, wäre der Weg zum grenzüberschreitenden Spielvergnügen nur wenige Meter entfernt. Ganz so einfach ist es aber leider nicht, denn noch immer sind die Exklusivtitel – wie schon damals beim großen Kampf zwischen Super Nintendo und Mega Drive – für manche Hersteller noch immer die Butter auf dem Brot, weswegen die Spieler ihnen die Treue halten.

Hellhörig wurde man schon, als Xbox-Chef Phil Spencer zum Start der neuen Konsolengeneration im Jahr 2020 meinte, es würde mindestens ein Jahr keine Exklusivtitel für die neue Hardware geben. Gemeint war, dass das neue "Halo" oder auch "Forza" genauso gut auf der alten Xbox und dem PC laufen würden. Microsoft ist ja generell jener Vertreter der Branche, dem die Plattform völlig egal ist. Hauptsache, man wirft monatlich rund zehn Euro in den Abo-Service Game Pass ein. Ob du dann auf dem Handy spielst oder irgendwann auf einer Playstation, wäre Spencer wohl genauso egal wie die berühmten Reissäcke in China, die angeblich immer wieder umfallen.

Microsoft versteht sich nach seiner Einkaufstour bei Gaming-Entwicklern dieser Welt – der Kauf von Zenimax um 7,5 Milliarden Dollar war nur die Spitze des Eisbergs – auch schon lange nicht mehr als Firma, die teuer produzierte Hardware verkaufen muss. Vielleicht liegt es auch daran, dass man in der letzten Generation merken musste, dass man ohne eigene Marken keine Fanbase aufbauen kann. Die emotionale Bindung zur Firma, die Spieleserien wie "Gears of War", "Fable" und ein Stück weit auch "Halo" auf dem Gewissen hat, hält sich in Grenzen. Zwar kann man Liebe auch kaufen (siehe "Minecraft" oder zuletzt auch die bereits erwähnte "Doom"-Mutter Zenimax), aber am Ende will Microsoft mit Masse punkten.

Bei Sony sieht es da anders aus. Seit über 25 Jahren versucht man mit Eigenmarken und jugendlichem Marketing die Kunden an sich zu binden. So fallen auch 2021 noch Sätze wie: "Solange es 'Last of Us' oder 'God of War' nicht für andere Plattformen gibt, kaufe ich die Playstation." Viele Blogger sprechen deshalb schon seit einigen Jahren vom "neuen Nintendo", wenn sie über die Sony-Konsole sprechen. Eigenmarken als Rückversicherung, dass die Fans nicht zur Konkurrenz überlaufen. Bis jetzt hat das gut funktioniert, auch wenn der Lack nach einem Jahr ohne große Exklusivtitel ein paar Kratzer bekommen hat.

Aus Nintendo schlau zu werden ist hingegen weiterhin schwierig. Die Firma, die sich gegen das technische Wettrüsten und eine einfache Lösung für Ingame-Chats entschieden hat, setzt auch 35 Jahre nach dem Nintendo Entertainment System (NES) auf "Mario", "Zelda" und "Metroid". Mit Erfolg, wie man neidlos anerkennen muss. Allein "Mario Kart", immer in der aktuellsten Version, hält sich seit Jahrzehnten in den Top Ten der alljährlichen Verkaufscharts. In Japan sorgten deshalb zuletzt acht Switch-Titel für erstaunte Gesichter. (Sony kommt auch aus Japan, nur so als Randbemerkung.)

Eine Nintendo-App auf der Xbox, was sich Microsoft auch schon öffentlich gewünscht hat, wird wohl demnächst nicht kommen. Nintendo würde damit sicher sehr viel Geld verdienen, aber danach nur noch wenige Switch-Geräte verkaufen, was der Firma noch immer wichtig ist. Das ist ärgerlich für jene, die die tragbare Konsole nicht kaufen wollen, aber gut für jene, die in dieser möglichen Öffnung den Untergang des japanischen Konzerns sehen.

Mobile Konkurrenz

Außerdem belebt Konkurrenz das Geschäft. Würde es in zehn Jahren nur noch Microsoft geben, das bis dahin alles aufgekauft hätte, würden wir wohl 30 Euro im Monat für eine Welle an Mittelmäßigkeit bezahlen. Ähnlich wie das bei diversen Film-Streaming-Diensten heute schon der Fall ist. Solange Firmen das Gefühl haben, sie müssten sich mit Leuchtturmprojekten beweisen, um ihre Position bei den Spielern zu behaupten, besteht ein Funke an Hoffnung, dass die Branche noch nicht ganz verloren ist.

Der wachsende Mobile-Games-Markt hat ohnehin schon viel Wasser aus den Teichen der Konsolen gegraben – und das mit teils Spaß zerstörenden Mechaniken wie Free-to-Play, Loot-Boxen und Games as a Service, die in den letzten Jahren sogar den Blockbuster-Spielemarkt erreicht haben. So wird das neue "Halo Infinite" als Multiplayerspiel kostenlos verfügbar sein, weil man bei Microsoft mittlerweile weiß, dass man mit witzigen Rüstungen und bemalten Waffen mehr Geld verdienen kann als mit einem simplen Vollpreisspiel. Die Überraschungseier der Branche, die Loot-Boxen, sind ja größtenteils wieder verschwunden. Dafür leuchten in den diversen Online-Stores zahlreiche Ingame-Währungs-Angebote, damit man auch weiß, wohin mit dem Geld.

Ich bin ein wenig vom Thema abgewichen. Exklusivtitel wird es weiterhin geben, aber Produktionen wie "God of War" rechnen sich aufgrund der immer teureren Herstellungskosten immer weniger. "Assassin's Creed" will mit dem nächsten Teil bereits auf ein Service-Game mit laufenden Erweiterungen umstellen, obwohl es auf allen Plattformen verfügbar ist und sich theoretisch sehr gut verkaufen könnte.

Es liegt also an den großen Konsolenherstellern, zu überlegen, wie sich der Markt weiterentwickeln soll. Bleibt man den Grabenkämpfen treu, die vom Spieler mehr Flexibilität fordern, aber auch in Zukunft starke Eigenmarken garantieren? Oder will man die Konsolen-App, die man dann auch auf dem Smartphone starten kann? Zu letzterem sage ich: Bitte nicht. Entwickelt doch speziell für die Hardware, die ihr geschaffen habt, um das bestmögliche Spielerlebnis zu schaffen. Nutzt eure Controller, die in technisch hochentwickelten Labors im Idealfall nicht nur von Affen getestet wurden, um künftige Spiele besser steuern zu können. Überlegt euch etwas, denn sonst kann ich auch "Lucifer" auf Netflix schauen. Es läuft doch auf Netflix, oder? (Alexander Amon, 3.9.2021)