Lange blieb das Konzept der diesjährigen Ausgabe ungewiss. Nun stellt man sich neu auf.
Foto: Nicko Havranek

Nach langem Schweigen und kursierenden Gerüchten findet die Viennacontemporary (VC) von heute, Donnerstag, bis Sonntag statt. Lange war nicht klar, ob es die größte österreichische Messe für zeitgenössische Kunst überhaupt geben würde und wenn, in welcher Form. Nach dem Abgang der künstlerischen Leiterin Johanna Chromik 2020 klaffte eine interne Lücke. Und als die neue Frühjahrsmesse Spark Art Fair, die von dem ehemaligen VC-Geschäftsführer Renger van den Heuvel gegründet wurde, im Juni 2021 ihr Debüt in der Marx-Halle – dem eigentlichen Austragungsort der VC – feierte, schien überhaupt alles unsicher. Die VC hielt zwar an ihrem Termin fest, sagte aber ihren Standort ab – dann wurde es still.

Nun zieht sie in reduzierter Form in die sich gerade im Umbau befindliche Alte Post in der Inneren Stadt: Vor Ort werden inklusive der jungen Positionen der geförderten Zone 1 (kuratiert von Franziska Sophie Wildförster) lediglich 25 Aussteller aus Zentral- und Osteuropa präsentiert. Im Vergleich: 2019 waren fast dreimal so viele internationale Teilnehmer vertreten. Österreichische Galerien findet man dieses Jahr dort gar keine, diese können mit geführten Touren direkt besucht werden. "Durch die Pandemie wurde das traditionelle Konzept der Kunstmesse infrage gestellt", so Geschäftsführer Markus Huber. Doch wie könnte eine Alternative aussehen?

Experimente und Neubesetzung

Mit 14 Wiener Galerien wird unter dem Label "Invited by" sowie dem am Wochenende stattfindenden jährlichen Galerienfestival "Curated by" kooperiert. Somit sind die meisten Galerien der Stadt irgendwie Teil der Messe – irgendwie aber auch nicht. Auf die Bundesländer scheint man bei dem Konzept mit den lokalen Rundgängen leider wenig Wert gelegt zu haben. Inwieweit eine Messe so überhaupt noch eine Messe bleiben kann, ist fraglich.

Doch dies ist Teil des neuen "experimentellen" Konzepts der VC, das auch unter der künstlerischen Leitung von Boris Ondreiča erarbeitet wurde. Seit Mitte Juni ist der in Wien und Bratislava lebende Künstler und Kurator Teil des VC-Teams. Er war Direktor der Kunstinitiative tranzit.sk und kuratorisch bei der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary in Wien tätig.

Dass es so lange dauerte, das neue Format öffentlich vorzustellen, lag laut den Veranstaltern an der finalen Ausarbeitung und der zu kurzen Zeit. Man wollte nur Konkretes bekanntgeben, Gerüchte nicht kommentieren – zum Unmut potenzieller Teilnehmer, die auf Planungssicherheit hofften.

Pandemie, Spark, Art Basel

Anfang August standen das Format, die Neubesetzung sowie der Standort dann fest: Die VC soll "mehr als eine Messe" werden und sich im Stadtzentrum als Plattform etablieren, die auch abseits des Herbsttermins aktiv ist. Künftig möchte man auch mit Off-Spaces kollaborieren sowie Pop-up-Events in anderen österreichischen sowie osteuropäischen Städten organisieren. Hier möchte Ondreiča den eigentlichen Fokus der VC auf Zentral- und Osteuropa wieder geraderücken, wie er sagt, sowie neue Sammler und vor allem junge Menschen (digitale Kunst!) ansprechen.

Zwar beteuert Huber, dass sich die VC bereits vor der Pandemie grundlegend verändern wollte. Dennoch spielen Corona und die Veränderungen, die die Pandemie mit sich brachte, bei der Umstrukturierung natürlich eine zusätzliche Rolle: Die in den Juni verschobene Frühjahrsmesse Spark sowie die nun im September geplanten großen internationalen Kunstmessen (wie die Art Basel) hätten eine große Messe in Wien sinnlos und überflüssig gemacht. Die Alternativmesse Parallel startet zum ersten Mal zeitversetzt erst kommende Woche.

Seitens der Galerien scheint man trotz der verknappten Version erfreut zu sein, dass die VC jetzt stattfindet. Ganz nach dem Motto: besser so als gar nicht. "Jede Form von Aktivität ist aktuell wichtig, um die Lebendigkeit des Wiener Marktes abzubilden", sagt der Vorsitzende des Galerienverbands, Martin Janda. Dennoch hofft er, dass die VC kommendes Jahr wieder im gewohnten Rahmen realisiert werden kann.

Marx-Halle 2022: Jein?

Weiters hat sich die Messe in eine Non-Profit-Organisation mit mehrköpfigem Vorstand umgewandelt, um künftig einfacher mit anderen Partnern kooperieren zu können. Neben Investor und Mehrheitseigentümer Dimitry Aksenov befinden sich darin Marta Dziewańska, Kuratorin am Kunstmuseum Bern, Boris Marte von der Erste Foundation und Marketingberater Tom Wallmann. Man möchte sich von einer Kunstmesse als gewinnorientiertem Supermarkt entfernen. Auch die Standgebühren sollen in Zukunft reduziert werden.

Aksenov hat die Finanzierung für weitere drei Jahre zugesagt. Neben seiner Familien-Foundation ist die Erste Stiftung Hauptpartner der Messe. Ob die nächste Ausgabe wieder in St. Marx (und der Innenstadt) abgehalten wird, lässt man noch offen. Seitens des Betreibers der Marx-Halle sind die Verträge bis 2027 jedenfalls aufrecht.

Man scheint einen Weg zu suchen, auf die Bedürfnisse der Aussteller einzugehen, am Puls der Zeit zu bleiben und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Inwiefern das Konzept aufgehen wird, muss sich weisen. In gewisser Weise könnte die diesjährige Ausgabe der VC als Appetizer für 2022 gelten. Man hat versucht, zu retten, was zu retten war. (Katharina Rustler, 2.9.2021)