Los Lobos – die Wölfe – eine der besten aktiven US-Bands beweist sich auf "Native Sons" einmal mehr.

Foto: New West Records

Rock ’n’ Roll, Latin, Ambient, Polka, Rhythm ’n’ Blues – wer eine Band abseits von Los Lobos kennt, die alle diese Stile im kleinen Finger hat, möge vortreten. Plus mexikanische Folklore, Kinderlieder und Disney-Songs, experimentelle Independent Music, schmalzige Balladen, tequilaselige Weihnachtslieder – und die mit La Bamba noch einen Welthit verbucht hat. Niemand? Das war zu erwarten.

Es gibt neben den Wölfen aus Los Angeles keine Gruppe, die ein dermaßen breites Repertoire spielt und dabei immer originär, immer wie Los Lobos klingt. Das beweist ihr neues Album Native Sons.

Lamourhatscher

Es ist eine Sammlung von Coverversionen und einem neuen eigenen Song, in der sich die vier rüstigen Los Angelinos mit mexikanischen Wurzeln und der aus Philadelphia zugezogene Jude Steve Berlin Musik aus ihrer Heimat L.A. widmen. Jener der Wüste mühsam abgerungenen Küstenstadt, die der größte Melting-Pot der USA ist. In dem rühren Los Lobos seit den frühen 1970ern um. Damals spielten sie auf Hochzeiten und Geburtstagsfeiern und reüssierten mit Partymusik, Lamourhatschern aus Mechiko sowie Soul- und Pophits aus der neuen Heimat.

Los Lobos

Ausgerechnet in der Punk-Ära fanden sie Anfang der 1980er erstmals Anerkennung abseits der eigenen Community. Sie spielten mit befreundeten Bands wie den Blasters, dem gerade abhebenden Country-Star Dwight Yoakam – und teilten sich die Bühne mit Bands wie X, Black Flag, Fear oder den Plugz.

Mit der Quetsche zum Punk

Man muss sich vier, fünf würfelförmige Mexikaner in Polyesterklamotten vorstellen, die mit dem Akkordeon gegen eine Horde Punks antraten. Leider bleibt diese verrückte Phase ihrer Karriere auf Native Sons unbeachtet. Angeblich weil es zu viele Songs gab, die dafür infrage gekommen wären. Also ließ man Punk ganz sein und widmete sich stattdessen einem Dutzend anderer Songs aus L.A. – da gibt es ja genug.

Los Lobos

Etwa The World Is A Ghetto von War. Oder For What It’s Worth von Buffalo Springfield. Oder Love Special Delivery von Thee Midnighters, das war eine der ersten Chicano-Bands, die in den 1960ern größeren Erfolg verbuchen konnten.

Cooles Blech

Die Versionen von Los Lobos sind wie üblich atmosphärisch aufgeladen, respektvoll, ohne in die Knie zu gehen. Man spürt, dass diese Lieder in den Biografien der Bandmitglieder wichtig sind. In voller Blüte steht ein Song wie Los Chucos Suaves von Lalo Guerrero – einem Stück aus den 1940ern, das Los Lobos ins Jetzt transportieren. Das fährt in die Hüften; und Steve Berlins Saxofon bratzt jene Coolness aus dem Blech, die sich in den Sonnenbrillen von Cesar Rosas spiegelt.

Los Lobos

Solche Songs geben einem eine Ahnung, wie es abgegangen sein muss, als die Band bei Barbecues oder Jubiläen in den Hinterhöfen von East L.A. aufgedreht hat. Nach zuletzt etwas weniger inspirierten Arbeiten zeigen sich Los Lobos auf Native Sons in Bestform. Nicht auszudenken, wie scharf das Album klänge, hätten sie sich dem Thema Punk auch noch hingegeben. Aye! Aye! Aye! (Karl Fluch, 2.9.2021)