Fritz Walch sucht praktisch ständig Personal. Das Problem spitzte sich in der Krise zu, als der Bau brummte. Aber auch jetzt fehlen dem Geschäftsführer der Salzburger Lüftungstechnikfirma GPU Riedl aus Wals-Siezenheim fünf Leute – Hilfsarbeiter für die Werkstatt und die Baustelle sowie Bauspengler. Wohl schickt ihm das AMS potenzielle Kandidaten, gepasst hat bisher aber keiner, sagt Walch. Es ist ein Problem, das auch andere Firmen kennen – besonders in ländlichen Regionen, wo das Angebot an Arbeitskräften oft überschaubar ist. Experten warnen, dass das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage die Erholung am Arbeitsmarkt sogar bremsen könnte.

Wie dramatisch sich die Situation für einzelne Betriebe darstellt, zeigt der Dachdecker- und Spenglerbetrieb Christoph Pilotto GmbH aus dem Pongauer Bischofshofen. "Wir könnten auf der Stelle zehn Spengler aufnehmen", sagt Christoph Rohrmoser im STANDARD-Gespräch. Er ist Geschäftsführer des Familienbetriebs mit einem Jahresumsatz von rund 4,5 Millionen Euro und 40 Beschäftigten. Er bekomme aber weder Fachkräfte noch Helfer, die man anlernen könnte. "Wir bekommen gar niemanden."

Die wirtschaftlichen Folgen sind nicht ohne: Aktuell hat die Pilotto GmbH Anfragen für fünf größere Projekte einfach absagen müssen. "Wir schaffen das einfach nicht", sagt Rohrmoser, die Auftragslage sei gut, "wir sind bis fast Mitte kommenden Jahres voll".

Die Wurzel des Problems

Die Ursachen des Arbeitskräftemangels sieht Rohrmoser nicht zuletzt im Lehrlingsbereich. Er habe zwar sehr gute Beziehungen zu den Schulen, wenn sich aber junge Leute für eine Lehrstelle interessieren, dann würden oft die Eltern intervenieren: "Dachdecker? Im Winter kalt, im Sommer heiß, das ist nichts Gescheites." Das entspreche freilich längst nicht mehr der Realität, "das ist keine Drecksarbeit mehr", sagt Rohrmoser. Bei Schlechtwetter beispielsweise werde nur mehr in der Werkstatt gearbeitet.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) pflichtete Rohrmoser jüngst im STANDARD-Interview in der Einschätzung bei, dass es auch bei Eltern ein Umdenken brauche. Schramböck ortet ein strukturelles Problem und setzt stark auf neue Wege in der Lehrausbildung. Wer akut Leute braucht wie Rohrmoser oder Walch, kann darauf aber nicht warten. Walch behilft sich jetzt einmal mit Leiharbeitern. Fleißig seien sie wohl, aber ideal sei das trotzdem nicht. "Wir sind ja ein Team, fast wie eine Familie." Am Lohn könne es nicht liegen, sagt er. Er zahle selbst Hilfskräften 2000 Euro netto.

Auch Rohrmoser meint, dass es nicht an der Bezahlung liegen könne. Im letzten Lehrjahr gehörten die Dachdeckerlehrlinge zu den wenigen, die so viel verdienen, dass sie schon Lohnsteuer zahlen müssen. Und im Betrieb bezahle man ohnehin alle weit über Kollektivvertrag.

Große Nachfrage

Dass das oft trotzdem nicht reicht, hat auch mit der Nachfrage nach Arbeitskräften zu tun: In Tirol, Salzburg und Oberösterreich herrscht wieder Vollbeschäftigung – mit Arbeitslosenquoten rund um vier Prozent und fast gleich vielen offenen Stellen wie gemeldeten Arbeitslosen. In Niederösterreich und Kärnten ist die Arbeitslosigkeit jetzt schon geringer als im Juli 2019. Alleine in Salzburg waren Ende Juli 9.565 offene Stellen gemeldet; davon kamen nur rund 2.000 aus dem Gastro-Bereich, "der Rest verteilt sich auf alle anderen Branchen", heißt es von der Wirtschaftskammer.

Mit dem Arbeitskräftemangel unmittelbar korrespondierend ist die Suche nach Lehrlingen. Insgesamt stehen in Salzburg derzeit rund 1.100 Lehrstellen sofort zur Verfügung; rechnet man die nicht sofort verfügbaren hinzu, könnten in den kommenden Wochen in dem Bundesland 1.860 Lehrlinge ins Berufsleben einsteigen. Dem stehen knapp 420 Lehrstellensuchende gegenüber – der rechnerische Überhang von rund 1.440 offenen Lehrstellen ist damit so groß wie noch nie.

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Dachdecker sei längst "keine Drecksarbeit mehr", sagen Branchenvertreter. Dennoch sind immer weniger junge Menschen bereit, den Job zu machen.
Foto: Picturedesk / Horst Schunk

Auch in Oberösterreich, dem Kernland der heimischen Luftfahrtindustrie, brummt der Arbeitsmarkt. Gesucht wird auch in Betrieben, die sich erst langsam vom Corona-Schock erholen, wie etwa dem Luftfahrtzulieferer FACC. 650 Mitarbeiter haben die Rieder im vergangenen Jahr abgebaut. Jetzt sucht man wieder – allerdings weniger in der Produktion als vielmehr in der IT und der Logistik. Und das Problem ist das gleiche wie vor der Krise, sagt FACC-Chef Robert Machtlinger: Die richtigen Leute zu finden sei kein einfaches Unterfangen – ein Grund dafür, dass man eine Produktionsstätte in Kroatien baut. Bis 2027 will man hier 700 Leute beschäftigen.

Kurzarbeit als Gamechanger

In jener Ecke Oberösterreichs, wo sich der Stammsitz des Luftfahrzulieferers befindet, ist die Konkurrenz um die besten Köpfe groß. Oberösterreich gehört mit der Steiermark und Niederösterreich zu jenen Bundesländern, in denen neben dem Tourismus auch die Auftragslage in der Industrie maßgeblich die Arbeitsmarktentwicklung bestimmt.

Im Bezirk Braunau, wo die beiden KTM-Hersteller (Fahrrad und Motorrad) angesiedelt sind, ist die Arbeitslosigkeit gleich hoch wie vor der Krise – bei höherer Beschäftigung. Da wie dort werden in Industrie- und Gewerbebetrieben Arbeitskräfte gesucht, Lehrlinge, Facharbeiter, aber auch Betriebswirte fehlen – und ungelernte Kräfte, wie KTM-AG-Vorstand Viktor Sigl sagt. In der Region seien mehrere Betriebe, die um die Arbeitskräfte buhlen. Abgesehen vom Umstand, dass die Beschäftigten durch die in den vergangenen Monaten vielfach in Anspruch genommene Kurzarbeit noch immobiler geworden seien, ortet er nun ein ganz neues Problem: "Pendeln wird für die Leute immer mehr zum Thema. Viele wollen die Arbeit vor der Haustür."

"Pendeln ist unattraktiv"

Peter Huber, Forscher am Wifo mit Schwerpunkt Regionalisierung und struktureller Wandel, kann das nachvollziehen: "Pendeln ist unattraktiv." Er verweist auf Forschungen, wonach Pendeln mit dem Auto überhaupt zu den unattraktivsten Zeitverwendungen gehört. Aus dem Mühlviertel nach Linz wird trotzdem gependelt, weil es eben nicht anders geht – und der Zeitrahmen noch halbwegs passe. Dauere eine Fahrt über 60 Minuten, sei das besonders unerfreulich.

Während der Krise seien die Leute auch bescheidener geworden, sagt KTM-AG-Mann Sigl: "Sie haben gemerkt, es geht auch mit weniger Geld." Viele hätten sich neu justiert, vielleicht eines von zwei Autos eingespart. Huber sagt, dass nicht nur in Kärnten der Fachkräftemangel ein echtes Problem für die Unternehmen ist. Wiewohl für Kärnten vor allem der Bevölkerungsrückgang ein Thema sei. Doch auch Ballungsräume abseits der Hauptstädte – etwa das Innviertel – hätten ein Problem: "Auspendeln ist eher ein Minderheitenprogramm." Arbeitskräfte von Linz in die ländlichen Regionen zu locken sei gar nicht einfach, aus mehreren Gründen: "Zum einen stellt sich die Frage, wie gut die Verkehrsverbindungen sind. Dazu kommen die städtischen Arbeitsmärkte als Konkurrenz."

Städtische Konkurrenz

Die großen Industriebetriebe wie die Voestalpine in Linz seien wohl auch gehaltsmäßig eine Konkurrenz. Die Gehälter, die hier bezahlt werden, kann sich ein Schlosser auf dem Land nicht so schnell leisten. Auch im Zentralraum ist die Konkurrenz durch große Leitbetriebe wie Lenzing stark. Die Konkurrenz zwischen den Betrieben ist ein Thema, das Huber etwa auch im Seengebiet im Salzkammergut verortet: "Wer zu einer Lenzing arbeiten gehen kann, wird eher nicht zu einem kleinen Schlosser gehen, der vielleicht nicht als so sicher wahrgenommen wird."

KTM-AG-Mann Sigl, der aufgrund großer Nachfrage die Taktzahl an den Bändern erhöhen will und das wegen der fehlenden Arbeitskräfte als "echten Kampf" beschreibt, hat noch andere Erklärungsversuche: Es sei eben ein bisschen der Zeitgeist, dass man mit Schichtbetrieb und Taktung einige Dinge habe, die potenzielle Kräfte, wenn es möglich ist, vermeiden – gerade im Arbeiterbereich. Da gibt es keine flexiblen Arbeitszeitmodelle, man ist an den Betriebsurlaub gebunden. "Wenn es nicht nötig ist, macht man das nicht." (Regina Bruckner, Thomas Neuhold, 2.9.2021)