Die Wirtschaftskammer schafft es, ihre üppigen Reserven trotz rückläufiger Einnahmen auf hohem Niveau zu halten.

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Wien – Bei Unternehmen hat die Corona-Pandemie teils tiefe Furchen hinterlassen, die durch Staatshilfen und Kurzarbeit leidlich aufgefüllt wurden. In der Wirtschaftskammer, die sich durch Pflichtbeiträge der Unternehmen finanziert, spiegelt sich dieser Umstand allerdings nur bedingt wider.

Wie sich aus den Rechnungsabschlüssen der Bundes- und Länderkammern sowie der Fachorganisationen erschließt, hielt sich der Rückgang in Grenzen. Für ausreichend Mittel beispielsweise für Parteienförderung scheint nach wie vor gesorgt. Das liegt insbesondere daran, dass die Kammerumlagen in den Monaten der Lockdowns nicht ausgesetzt oder reduziert wurden, sondern lediglich gestundet – im Ausmaß von 200 Millionen Euro, wie die Kammer betont. Im Zuge der Steuerstundungsaktion des Bundes wurden auch die von Umsatz- bzw. Lohnsumme abhängigen Kammerumlagen 1 und 2, die in Summe pro Quartal 144 Millionen Euro ausmachten, gestundet.

Im Herbst waren Stundungen vorbei

Im Herbst 2020 verschickte die Kammer freilich wieder Vorschreibungen aus, die nur im Fall von Bedürftigkeit herabgesetzt wurden. Wer finanzielle Engpässe nicht darlegen konnte oder wollte, musste nachzahlen.

In Summe gingen im Corona-Jahr 2020 die kämmerlichen Bilanzgewinne um rund 42 Millionen Euro zurück, die Einnahmen aller Wirtschaftskammern verringerten sich um rund 150 Millionen Euro (oder 10,22 Prozent) auf 1,009 Milliarden Euro, wobei der 2019 von der Wiener Kammer realisierte Einmalerlös von rund 35 Millionen Euro zwecks Vergleichbarkeit der Zahlen herausgerechnet wurde. Damals hatte die Wiener Wirtschaftskammer Immobilien verkauft.

Berg an Rücklagen

Der Berg von Rücklagen, auf denen die Unternehmervertretung sitzt, reduzierte sich im gleichen Zeitraum in Summe aber nur um 80 Millionen Euro (auf 1,645 Milliarden) – das sind immer noch 163 Prozent der jährlichen Einnahmen. In Analogie zur Kritik an den gestiegenen Reserven der Arbeiterkammer stellt sich auch hier die Frage, ob die Wirtschaftskammer ihren Mitgliedern nicht mehr hätte entgegenkommen können – oder müssen, wie die Vorsitzende der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, sagt: "Vor allem die aus den Grundumlagen finanzierten Fachgruppen und -verbände haben im Krisenjahr enorme Geldmengen gebunkert."

Die Wiener Wirtschaftskammer hortete demnach Rücklagen im Volumen von 250 Prozent ihrer jährlichen Einnahmen und die Salzburger von 241 Prozent. Den Vogel schießen die Fachorganisationen in Niederösterreich ab, deren Reserven sich auf 436 Prozent belaufen. Insgesamt beliefen sich Kapital- und Gewinnrücklagen allein von Bund und Länderkammern im Saldo zuletzt um 7,3 Prozent auf 1,088 Milliarden Euro, davon mehr als die Hälfte in diversen Fachorganisationen.

Rekord an Services und Corona-Hilfen

Jungwirth rührt mit ihrer Forderung an einem ewigen Streitthema, das durch die Corona-Krise erneut an Schärfe gewann. Vereinfacht ausgedrückt argumentiert die Kammer, dass sie die im Kammergesetz vorgeschriebenen Umlagen nicht nach Belieben senken könne. Trotz rückläufiger Einnahmen und der unentgeltlichen Abwicklung des Härtefallfonds wurden die Mitglieder im Rekordausmaß durch Serviceleistungen unterstützt, wurde am Mittwoch in der WKO betont. Die Kammerumlagen gingen um 6,4 Prozent zurück, aber die Aufwendungen für Betreuung und Akutunterstützung der Mitglieder seien deutlich gestiegen. Außerdem sei man verpflichtet, Rücklagen zu bilden, um unvorhergesehene Einnahmenausfälle abfangen, die laufenden Kosten bedienen und allfälligen Bilanzverlust abdecken zu können.

Dabei gibt es offenbar gehörig Spielraum. Laut Haushaltsordnung ist eine "Ausgleichsrücklage" in Höhe von "möglichst einem Jahresbedarf der fortlaufenden Aufwendungen" zu bilden. Das wäre nach dem Wortlaut wohl weniger als die Höhe eines Jahresbudgets. "Das ist Dagobert-Duck-Mentalität", kritisiert Jungwirth, "die Goldspeicher sind zum Bersten voll, aber bedürftige Mitglieder müssen sich bis auf die Unterhose ausziehen." (Luise Ungerboeck, 2.9.2021)