Die beiden Studentinnen sind erst gar nicht erschienen. Wenige Tage vor Dienstantritt kam die Absage. "Zuerst hat sich die eine krankgemeldet", berichtet Martin Binder, "dann war auch die andere plötzlich krank." Herr Binder nahm’s sportlich und hat die Kinder aus der Klasse der angehenden Junglehrerinnen einfach auf die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen der Wiener Mittelschule aufgeteilt.

Bunt gemischt

Jetzt sitzen also 115 Jugendliche aus zehn verschiedenen Schulen in sieben Gruppen hier in der Hörnesgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk und haben zwei Wochen vor dem eigentlichen Schulbeginn das Lernen wiederaufgenommen: Sommerschule ist angesagt! "Efekan" – Trennstrich – "hat" – Trennstrich – "einen" – Trennstrich – "Zwillingsbruder." In der 2B übt Deutschlehrer Binder gerade Satzglieder verschieben. Für die Koordination der Sommerschule hat er sich freiwillig gemeldet. Er wollte ausprobieren, wie das Konzept aus dem Ressort von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) "seinen" Kindern hier am Standort beim Wiederaufnehmen des Lernens nach der langen Sommerpause hilft.

Die Grundkenntnisse in Mathematik ein bisschen auffrischen – ob die Mitarbeitsnote kommendes Jahr damit aufgepeppt wird?
Foto: Regine Hendrich

Dass bei Herrn Binder und den Kolleginnen in den letzten beiden Ferienwochen jede Menge Schülerinnen und Schüler aus dem eigenen Haus sitzen, ist unter den fast 900 Sommerschulstandorten die Ausnahme. In der Regel sind die knapp 39.000 Angemeldeten bunt zusammengewürfelt, was Alter und Kenntnisse anlangt, und auch unterschiedliche Schultypen finden hier zusammen. Wobei die Kinder aus der AHS hier in der Hörnesgasse vorwiegend jene sind, die in wenigen Tagen ihren "Nachzipf" absolvieren müssen.

"Groß", "größer", "am größten" steht in der Nachbarklasse auf der "Tafel". Grün, kreidig und vom nassen Schwamm verwischt ist hier allerdings nichts mehr: Die Hörnesgasse ist mit Whiteboards ausgestattet, also der internettauglichen Smartversion einer Tafel. Schule bleibt trotzdem Schule, auch wenn das nette Präfix "Sommer" vorne dransteht. Vom spielerischen Verweben von Lern- und Freizeitphasen, wie es viele Experten für sinnvoll halten, ist hier nichts zu merken. Geht wahrscheinlich auch nicht bei Halbtagsbetrieb. Lehrer Binder sagt, er wolle vor allem "das Grundwissen wiederholen". Eine Stärkung dieses Fundaments könnten alle hier brauchen.

Lehrende gesucht

Weil Martin Binder neben Deutsch auch Mathematik unterrichtet, läuft der Wechsel zwischen den beiden Sommerschulangeboten ohne gröbere Unterbrechung ab. Das Fach Mathematik ist heuer, in Jahr zwei der Sommerschule, neu im Programm. Künftig will Minister Faßmann auch Englisch dazunehmen. Offen bleibt, wie genügend Unterrichtende für die zusätzlichen Lernwochen motiviert werden können. Heuer gab es hier gröbere Schwierigkeiten bei Lehrkräften wie Studierenden. In Niederösterreich mussten ob der geringen Beteiligung sogar Sommerschulgruppen abgesagt werden.

Lernen in der kleinen Gruppe? In der Sommerschule sollen höchstens 15 Kinder in einer Klasse sitzen – geworden sind es 16.
Foto: Regine Hendrich

Direktorin Beatrix Taxer kommt mit einer großen Tasse Kaffee in die Schulküche. Den braucht sie auch. Gerade hat eine Mutter trotz aller Bemühungen Taxers ihr Kind zum häuslichen Unterricht abgemeldet – Corona-Alarm. Für die Sommerschule hat die Schulleiterin dem Kollegen Binder zwar freie Hand gelassen, allerdings: Ginge es nach ihr, könnte das dafür nötige Geld auch anderweitig eingesetzt werden. "Wenn ich stattdessen während des Schuljahrs Gruppengrößen von circa zwölf Kindern hätte, dann wäre ich hochweiß", sagt sie. Die Realität an der Wiener Mittelschule: 25 bis 30 Kinder sitzen in einer Klasse.

Die kleine Sommergruppe gefällt den jetzt anwesenden Kindern. Ob ihre Anwesenheit wirklich Einfluss auf die künftige Mitarbeitsnote hat? "Da kann ich nur lachen", sagt Pädagoge Binder. Eine Teilnahmebestätigung gibt es – was die jeweilige Lehrkraft am regulären Schulstandort dann damit macht, bleibt offen. (Karin Riss, 2.9.2021)