2019 verkündeten chinesische Wissenschafterinnen und Wissenschafter, fünf Affen geklont zu haben. Zu den Versuchen gibt es aber viele ethische Bedenken.

Foto: APA/AFP/Chinese Academy of Sciences

Als Constance oder Con im Krankenhaus erwacht, ist sie nicht mehr ganz sie selbst. Die Ärzte sagen ihr, ihr "Original" sei gestorben, sie sei nun der Klon, den ihr damals ihre reiche Tante geschenkt hat. Con hat keine Erinnerung an die vergangenen 18 Monate, weiß nicht, wie ihr Original ums Leben kam. Das Einzige, was sie weiß, ist, dass sie nach Antworten suchen will: darauf, wie die "echte" Con verstarb und was ein Leben in einem Klon nun für sie selbst bedeutet.

Die Episode ist Teil des kürzlich erschienenen Science-Fiction-Romans Constance des US-amerikanischen Autors Matthew Fitzsimmons und zeigt eine Welt, in der das Klonen von Menschen zum Alltag gehört und von Reichen als Absicherung gegen den Tod genutzt wird. Das Interessante: Der Roman spielt nur rund 20 Jahre in der Zukunft – im Jahr 2038. Und tatsächlich ist das Szenario nicht ganz so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn geklont wird seit mehr als 25 Jahren, in vielen Bereichen ist das Kopieren von Tieren zur Routine geworden. Und auch der Mensch ließe sich technisch betrachtet bereits klonen. Die Frage ist: Wollen wir das?

Das Schaf Dolly

In der Geschichte des Klonens ist kein Tier je wieder so berühmt geworden wie Dolly das Schaf. Immerhin war es 1996 das erste geklonte Säugetier der Erde. Unzählige Versuche, 277 Eizellen von Spendertieren und 29 Embryonen hatten die britischen Embryologen Keith Campbell und Ian Wilmut mit ihrem Team am Roslin-Institut in Edinburgh gebraucht, um Dolly zu "erzeugen". Am Ende sah Dolly aus wie jedes andere Schaf auch und brachte sogar mehrere Lämmer zur Welt.

Und doch schien Dolly nicht ganz gleich wie ihre Artgenossen zu sein. Denn sie starb schon im Alter von sechs Jahren, wurde also nur halb so alt wie Schafe im Durchschnitt. Dolly hatte sich eine schwere Lungenentzündung eingefangen, litt zudem unter Alterserscheinungen wie Arthritis. Einige Experten schrieben die Krankheiten dem Klonen zu. Denn die Wissenschafterinnen und Wissenschafter hatten Zellkerne aus erwachsenen Tieren genommen, die anschließend in Eizellen eingebracht und einem Leihmutter-Schaf implantiert worden waren – Dolly war also gewissermaßen bereits alt zur Welt gekommen.

Haustiere klonen

Trotzdem war die sechsjährige Lebensdauer von Dolly für die Forschung ein Erfolg. Er blieb nicht der einzige: Mittlerweile gibt es kaum ein Tier, das noch nicht kopiert worden wäre, von Mäusen über Pferde, Kühe, Kaninchen, Kamele, Ziegen, Hunde, Katzen und vor rund zwei Jahren zum ersten Mal auch Affen. In einigen Ländern ist es gängige Praxis, dass Haustiere geklont werden, um eine genetisch fast exakte Kopie zu erhalten. Allerdings sieht der Klon, der die Tierbesitzer oft zigtausende Euro kostet, nicht genauso aus wie das Original und hat meist eine andere Persönlichkeit.

Geklonte Tiere sollen aber nicht nur Haustierbesitzer glücklich machen, sondern auch die Nahrungsmittelproduktion ankurbeln, dabei helfen, gefährdete Tierarten zu bewahren und als Versuchstiere in Medikamententests zum Einsatz kommen.

Organe aus Schweinen

"Wir sind heute in der Lage, Schweine genetisch so zu verändern, dass an ihnen Erkrankungen und Therapien getestet werden können", sagt Eckhard Wolf, Genforscher an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum STANDARD. Seit mehr als zwanzig Jahren klonen Wolf und sein Team Tiere, insbesondere Schweine, um genetische Erkrankungen von Menschen zu erforschen.

Dafür verändern sie die DNA von Schweinezellen so, dass diese die Veranlagungen für Erkrankungen wie Muskeldystrophie tragen. Ist die genetische Modifikation erfolgreich, werden aus den einzelnen Zellen Tiere geklont, an denen die Forschenden dann Therapien testen können. Aus genetisch veränderten Schweinen ließen sich aber auch Gewebe und Organe für den Menschen gewinnen. Experimente dieser Art an Tieren müssen ethisch und wissenschaftlich in jedem Fall gerechtfertigt sein, sagt Wolf.

Ethisch bedenklich bei Menschen

Spätestens seit dem Erfolg um Dolly existieren Hoffnungen und Ängste, auch uns Menschen zu klonen. Vorstellungen von geklonten Designerbabys, Armeen geklonter Soldaten, von reichen, berühmten Persönlichkeiten, die mithilfe von Klonen ihr Leben verlängern, und Eltern, die verstorbene Kinder durch Klonen wieder zum Leben erwecken, machen seither die Runde. Aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht scheinen diese Sorgen und Hoffnungen derzeit in weiter Ferne: Bis heute gibt es keinen bekannten Fall eines geklonten Menschen – und das, obwohl es bereits seit 2008 technisch möglich wäre, menschliche Embryonen aus Körperzellen zu klonen. Warum geschieht es also nicht?

Die einfache Antwort: In den meisten Ländern gilt das Klonen von Menschen als ethisch bedenklich und ist schlicht verboten. In Österreich verbietet das Fortpflanzungsmedizingesetz, Embryonen herzustellen und für Forschungszwecke zu verwenden. Allerdings ist Klonen nicht gleich Klonen: Während unter dem sogenannten reproduktiven Klonen gemeinhin das Kopieren eines Lebewesens verstanden wird, geht es beim therapeutischen Klonen darum, Stammzellen eines Lebewesens zu etablieren, um daraus neues Gewebe oder sogar ganze Organe zu züchten. Da sie dieselbe DNA haben wie die ursprünglichen Zellen, sollten sie von den Patienten nicht abgestoßen werden und könnten so ohne Immunsuppression transplantiert werden.

Missbildungen

Dass nur die wenigsten Forschenden daran denken, künftig geklonte Babys herzustellen, hängt aber auch mit anderen Ursachen zusammen: Ähnlich wie beim Schaf Dolly wäre Klonen von Menschen mit den derzeitigen Kenntnissen wohl ziemlich gefährlich und unverantwortlich. Viele Experten warnen, dass es zu vielen Missbildungen käme, zu einem schnelleren Altern und damit auch zu einem baldigen Tod der Klone.

Zudem stellt sich die Frage, worin der Sinn bestünde, Menschen zu klonen. Denn diese Klone wären, gleich wie bei geklonten Tieren, nicht exakte Kopien in Aussehen und Persönlichkeit, sondern hätten lediglich dieselbe Erbanlage. Verstorbene Menschen durch Klonen wieder ins Leben zurückholen – wie Con in Fitzsimmons’ Roman – würde nicht die alte, sondern eine neue Person erzeugen. "Klonen ist immer verbunden mit einem bestimmten Zweck", sagt Wolf. "Menschen für bestimmte Zwecke zu erzeugen halte ich für ethisch verwerflich." Diese Erkenntnis sei zum Glück in der breiten Mehrheit von Wissenschaft und Gesellschaft etabliert.

Klonen für die Unsterblichkeit

Selbst das zunächst vielversprechende therapeutische Klonen ist in den vergangenen Jahren etwas in den Hintergrund gerückt. Denn mithilfe sogenannter induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS) – also Stammzellen, die durch eine künstliche Umwandlung aus Körperzellen erzeugt werden – kann ebenso Gewebe gezüchtet werden, ohne dafür auf geklonte Embryonen setzen zu müssen. Nicht zuletzt stellt auch die Genom-Editierung durch Crispr das Klonen teilweise in den Schatten: Wozu Erbgut nur kopieren, wenn es sich auch gezielt verändern lässt?

Gestorben ist die Faszination vom geklonten Menschen deshalb nicht. So glauben beispielsweise Anhänger der religiösen Rael-Bewegung, dass wir von Aliens erschaffen wurden und uns klonen müssen, um unsterblich zu werden. Die der Bewegung nahestehende Firma Clonaid verkündete bereits 2002, das erste Baby, genannt Eve, geklont zu haben. Bis 2004 sollen laut der Firma weitere 14 Klone erzeugt worden sein. Von Forscherinnen und Forschern werden die Behauptungen von jeher bezweifelt – denn eine neutrale wissenschaftliche Untersuchung dazu gab es nie. Tatsächlich scheint das Einzige, was vom menschlichen Klonen nach all den Jahren übriggeblieben ist, die Firma Clonaid selbst zu sein.

Klon-Forscher wie Wolf gehen davon aus, dass das Klonen wohl auch in Zukunft ein Nischengebiet bleiben wird: wichtig zur Erforschung einiger Erbkrankheiten, aber zu ineffizient für viele andere praktische Anwendungen. Die Idee, Menschen zu klonen, bleibt vorerst Stoff von Science-Fiction-Romanen wie jenem von Fitzsimmons. Eine Absicherung gegen den Tod oder gar ein zweites Ich werden Klone so bald also nicht sein. (Jakob Pallinger, 5.9.2021)