Ramon hebt den Kopf. Schnüffelt kurz, aha, ein neuer Gast, und legt das Haupt wieder auf den kühlen Stein. Der schwarze Hund, deutlich größer als ein Labrador und auch erheblich behäbiger, ist das Maskottchen des Danai Resort in Griechenland. "Ein Wildfang", wie Managerin Stella Dubrikow das zugelaufene Tier nennt, "ein gütiges Wesen".

Klatsch, klatsch

Es ist vielleicht die Sonne, die auf die Halbinsel Sithonia so gnädig scheint, das Meer, das so hypnotisch an die Küste der Ägäis schwappt, klatsch, klatsch, und auf Mensch wie Tier beruhigend wirkt. Man könnte sich keinen Konflikt unter den wogenden Pinien vorstellen, keine Auseinandersetzung am Badestrand – außer natürlich diesen: Wohin den Körper schleppen, damit er von Salzwasser und UV-Licht die richtigen Dosen abbekommt?

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Sithonia, der mittlere Finger von Chalkidiki, wird nach Piraten und Hippies, nun auch von betuchten Besuchern frequentiert.
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Sithonia gehört zu den drei Fingern, die östlich von Thessaloniki ins Meer greifen und als Chalkidiki bekannt sind. Poseidons Dreizack, hieß die Region in der Antike. Den ersten Zacken, Kassandra im Westen, kennen Urlauber mit Partylaune dank der vielen Strandbars, den dritten, die Mönchsrepublik Athos im Osten, erkennen Cineasten als Schauplatz eines James-Bond-Abenteuers wieder. Zwischen beiden – auch mental: zwischen Ekstase und Kontemplation – befindet sich Sithonia, Griechenlands schönster Mittelfinger.

Noch nicht überlaufen

Genau dort, wo er herauswächst aus der Landmasse, liegt das Danai Resort. Es gehört einer griechisch-deutschen Familie und entstand in den 1970er-Jahren, als Regierungsbeamte eine Unterkunft in der Umgebung suchten und von Bekannten auf das Anwesen geführt wurden. Ob man wohl hier schlafen könne? Daraus entwickelte sich die Geschäftsidee. Zunächst nur für ein Haus, dann kaufte die Familie Grund auf, baute an, und heute verfügt das Resort über 60 Zimmer, abseitsstehende Villen, ein Spa, drei Restaurants und einen Privatstrand mit überdachten Cabañas. Blickfang ist ein Kronleuchter im Baum, der bei jedem Essen über den Gästen wackelt.

Das Danai Resort im Norden von Sithonia.
Foto: Danai Resort

Noch ist die Region nicht so überlaufen wie Kassandra, wo im Sommer jeden Abend Feste gefeiert werden. "Nach Sithonia fährt man, wenn man verliebt ist", sagt Stella Dubrikow. Wenn sich die Rastlosigkeit der Menschen gelegt hat und es die Seele nach einem gewissen Frieden, aber noch nicht nach Klosterstille dürstet. Kein Profil, das der jungen Hotelmanagerin entspricht. Sie hat in Deutschland die Fachschule besucht, arbeitet seit Jahren die Sommersaison in Danai und bildet sich winters weiter. In Sibirien hat sie Russisch gelernt, an der Universität des Vatikans will sie Theologie studieren. Das erzählt sie mit einem Pippi-Langstrumpf-Lachen: das ganze Leben ein Abenteuer.

Butler und Wächter

Gerade gilt Dubrikows Hingabe fremden Menschen und ihren exzentrischen Wünschen. Wenn der Butler aus der Villa am Telefon heult, weil die Blumen nicht pastellfarben sind, wie es seine Chefin mag. Oder die Assistentin eines Geschäftsmanns aus Moskau anruft, um die Drinkbestellung für den Strand durchzugeben, weil der Gast ungern mit Personal redet. Die einzige Konstante in Dubrikows Leben: Ramon, der sie abends nach Hause begleitet, zwei Schritt hinter ihr, ein hechelnder Wächter in der Nacht.

Hotelchef Kimon Riefenstahl führt in zweiter Generation die Geschäfte des Hauses, er liebt gutes Essen und steht selbst gern am Herd. Die besten Rezepte hat der 47-Jährige in einem Kochbuch veröffentlicht: Kimons griechische Küche – opulent bebildert, großformatig gestaltet, mancher Ziegelstein wiegt weniger als dieses Werk.

Ein Sandstrand, den man fast für sich allein hat.
Foto: Leading Hotels of the World

Wenn Kimon Riefenstahl übers Essen redet, lächelt er glücklich. Spricht er über den deutschen Familienzweig, wird er diplomatisch. Die Großtante, ach ja. Leni Riefenstahl gehört zu den, vorsichtig ausgedrückt, kontroversen Figuren der deutschen Kulturgeschichte. Von vielen wegen ihrer Propagandafilme als Hitler-Handlangerin betrachtet, von genauso vielen als Körperästhetin geliebt. Jodie Foster und Madonna wollten ihr Leben verfilmen, nach Danai ist sie nie gekommen. Der Großneffe hat sie nur einmal getroffen, Ende der 1990er-Jahre in Berlin, der Stadt seines Vaters, kurz vor ihrem Tod. "Sie war sehr klar im Kopf", ist alles, woran er sich erinnern will.

Süßes Gold

Lieber lobt er Olivenöl und Honig. Den Honig der Gegend müsse man probieren, rät er, denn im fünf Kilometer entfernten Nikiti liegt das Zentrum der griechischen Imkerei. Seit mehr als 500 Jahren pflegen die örtlichen Bienenzüchter ihre Tradition, noch heute summen tausende Schwärme durch die sommerlichen Wälder und jagen dem besten Nektar nach. Mit den nagelneuen E-Bikes des Danai können Feriengäste schnell in den alten Teil von Nikiti fahren und dort das süße Gold der Ägäis kaufen. Das Resort bietet es ebenfalls an, jeden Morgen zum griechischen Joghurt mitsamt den frischen Früchten.

Überhaupt lohnen sich Ausflüge in die Umgebung, selbst wenn es nach ein paar Stunden hinter Resortmauern abersinnig erscheint, diesen Ort der Ruhe freiwillig zu verlassen. Per Boot kann man sich an der Küste von Sithonia entlang schippern lassen, die schwer zugänglichen Buchten bewundern, in denen früher Hippies ihre Zelte aufschlugen und heute Familien aus Thessaloniki baden.

Segel und Sagen

Im Fischerstädtchen Neos Marmaras ankern Segelschiffe für Touristen, am Kai hoffen Restaurants mit frisch zubereitetem Fisch auf sie. Schräg gegenüber vom Ort ragt eine Insel wie eine überdimensionale Schildkröte aus dem Meer. Es fällt nicht schwer, die Sagenfantasie der Griechen zu begreifen, wenn die Natur solche Felsformationen gestaltet.

Und dann lässt man den Tag an der Bar ausklingen.
Foto: Leading Hotels of the World

Früher lebten die Familien in den Bergen, da von der See Gefahr drohte: brandschatzende Piraten. Als der Tourismus boomte, zogen die Menschen ans Wasser und ließen die alten Orte verfallen. Knapp eine Viertelstunde mit dem Auto von Neos Marmaras entfernt, einige Serpentinen rauf, liegt so einer: das Dorf Parthenonas. Nun haben einige Griechen die alten Steinhäuser wieder restauriert, es gibt Cafés mit spektakulärem Ausblick auf die Schildkröte, die Ägäis bis nach Kassandra hinüber, und über einen ausgewiesenen Pfad kann man zu den 800 Meter hohen Bergen wandern.

Abends treffen sich die Ausflügler wieder im Danai, legen sich die mit Orangen gefüllten Oliven in den Martini und schauen dem Sonnenuntergang zu. Westwärts färbt sich die Sonne schnell blutrot. Und wenn man einen Platz am rechten Ende der Strandbar erwischt hat, die Luft nicht mehr diesig, sondern klar ist, dann sieht man ihn: den Götterberg der griechischen Mythologie. Der Olymp erhebt sich zum Himmel, Luftlinie bestimmt 113 Kilometer entfernt. Niemand sagt etwas, bis das Feuer der Sonne vollkommen erloschen ist. An der Bar beginnt ein Abend zwischen Kontemplation und Ekstase. (Ulf Lippitz, RONDO, 3.9.2021)