Knapp 18 Monate seit Beginn der Pandemie und trotz des vor einem Jahr herbeigesehnten Impfstoffs scheint das Ende noch lange nicht erreicht. Diese letzten Monate haben die Realität für unsere Zivilgesellschaft einschließlich diverser Sport- und Freizeitvereine enorm verändert. Während auf der einen Seite gerade in den ersten Wochen der Pandemie zivilgesellschaftliche Innovation entstanden ist, nicht zuletzt zahlreiche Netzwerke zur Nachbarschaftshilfe, wurden altbewährte Organisationen auf eine harte Probe gestellt.

Alltag Ausnahmezustand

Wir begleiteten im Zuge des durch den Europäischen Solidaritätskorps geförderten Projekts Baden ENGAGE mehrere lokale Vereine durch das letzte Jahr der Pandemie. Der Einblick in deren Situation und Entwicklung legt nahe, dass das Schlimmste überwunden ist. Trotz anfänglicher Startschwierigkeiten gibt es mit den NPO-Fonds eine etablierte Finanzstütze, um jene Vereine, die infolge der Pandemie finanzielle Einbußen hatten, am Leben zu halten. Das scheint auf den ersten Blick auch zu funktionieren. In der Tat berichten nicht wenige Vereine im Projekt von einem finanziell sehr starken Jahr. Zuzuschreiben ist diese Entwicklung vielfach dem NPO-Zuschuss in Kombination mit geringeren Ausgaben, da viele Vereinsaktivitäten ganz einfach nicht stattfinden konnten.

Wo möglich, hat man sich zudem auf Homeoffice eingestellt und plant in vielen Fällen wohl auch bereits für den kommenden Herbst ein Corona-Sicherheitskonzept. Man könnte also meinen, der Ausnahmezustand ist gewissermaßen zum Alltag geworden.

In mancher Hinsicht ist das bestimmt auch der Fall. Mit den finanziellen Sorgen vorerst bewältigt und dem Vertrauen, dass die Unterstützung von öffentlicher Seite auch im Falle einer weiteren Lockdown-Saison nicht abreißen wird, stellt man sich darauf ein, die Pandemie in all ihren Facetten auszusitzen. Und während das in vielen Fällen funktioniert, gibt es durchaus auch Bereiche, denen die nächste große Hürde erst bevorsteht.

Unklare Zukunft

Zum einen ist finanzielle Sicherheit bei Vereinen nur ein Mittel zum Zweck und nicht alleine ausschlaggebend für das Fortbestehen. Gerade jene Vereine, wie Sport- und Jugendorganisationen, die sich in ihren Aktivitäten und mit ihrem Geschäftsjahr häufig nach dem Schuljahr richten, berichten die meisten Vereine im Projekt von stark sinkende Anmeldezahlen für das kommende Jahr. Noch kann man das darauf schieben, dass auch die potenziellen Mitglieder wohl noch abwarten, ob der Herbst erneut einen Lockdown bringt. Das mag zum Teil auch stimmen, doch gibt es auch hier zu bedenken, dass die Akquise neuer Mitglieder in den meisten Fällen entweder über bestehende Mitglieder oder öffentliche Auftritte der Vereine, etwa in Form von Vereinsfesten, funktioniert. Mit schwindenden Mitgliederzahlen und sehr eingeschränkten Möglichkeiten zur Sichtbarkeit, scheint die Zukunft hier für viele unklar. Und wenn, wie etwa bei einem Blasmusikverein, der Spaß und die Qualität des Hobbys abnimmt, wenn nicht geprobt werden kann, entstehen Schwierigkeiten, die auch Fördermittel nicht lösen können. Im schlimmsten Fall sieht man sich hier einem Wettlauf gegen die Zeit gegenüber und kann nur hoffen, dass die volle Vereinsaktivität wieder möglich ist, bevor man als Verein eine kritische Größe unterschreitet.

Was passiert mit den Vereinen, nachdem die Förderung ausläuft?
Foto: Christian Fischer/derstandard

Zum anderen bergen Fördermittel wie der NPO-Fonds eine Falle. Denn wenn die Pandemie dann doch irgendwann überwunden ist, wird die öffentliche Hand diese Ausnahmefinanzierung, durchaus zurecht wieder einstellen. Dann werden viele Vereine um ihr scheinbar bedingungsloses Grundeinkommen des letzten Jahres umfallen. Und viele jener, die nicht an Mitgliedermangel verenden, werden auf die Gemeinden und Landesstellen Sturm laufen, um den Ausfall öffentlicher Gelder durch andere öffentliche Gelder zu decken. Hier sehen sich die Vereine im Projekt Baden ENGAGE bereits jetzt gegenseitig als Konkurrenten, selbst wenn sie unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen tätig sind.

Geld nachhaltig nutzen

Sollten mit der prophezeiten vierten Welle neue Einschränkungen kommen, die Vereinsarbeit im Herbst und Winter weitgehend unterbinden, werden sich im Frühjahr 2022 viele Vereine in der skurrilen Situation befinden, in der Tat zu viel Geld und zu wenig zu tun zu haben. "Wir müssen uns jetzt überlegen, was wir mit dem Geld machen, das uns nachhaltig etwas nutzt", sagt der Obmann eines Sportvereins. Einmal mehr also bietet die Pandemie mit all ihren Unsicherheiten hervorragende Möglichkeiten zur Innovation. (Fabian Scholda, Gregor Ruttner-Vicht, 6.9.2021)