Gerald Schöpfer (Präsident des Roten Kreuzes), Generalsekretär Michael Opriesnig sowie Barbara Juen, Leiterin der Psychosozialen Dienste der Organisation.

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Wien – Die Impfkampagne "Österreich impft" ist im Sommer praktisch eingeschlafen. Diesen Umstand kritisierte am Donnerstag das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK), das die Kampagne mit Juli an die Regierung übergeben hat. Um die Impf-Unentschlossenen zu gewinnen, "hätte man den Sommer besser nützen können", meinte Rotkreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig. Die Kampagne sei künftig jedenfalls eine der Bundesregierung. Das entsprechende Team im Bund würde hier aber Pläne für die nächsten Tage schmieden.

Für ÖRK-Präsident Gerald Schöpfer gibt es "keinen anderen Ausweg aus der Pandemie" als die Impfung. Die Corona-Krise dürfe aber keinen Keil der Spaltung durch die Gesellschaft treiben. Neue Wege zum Miteinander sowie mehr Solidarität seien nötig: "Es braucht mehr Mut und weniger Wut."

Bei der kontrovers geführten Debatte, wie man aktuell Impfunwillige noch für einen Stich gewinnen kann, gehe es aber "nicht um trotzige Verweigerer", wie es Barbara Juen, Leiterin der Psychosozialen Dienste des ÖRK, formulierte. Oft mangle es an Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger oder die Pharmaindustrie, das aber hergestellt werden müsse. Hausärzte müssten mehr eingebunden werden.

Gegen generelle Impfpflicht

Juen sprach sich gegen eine generelle Impfpflicht aus, da man bei jenen, die überzeugt werden können, "noch nicht am Plafond" angekommen sei. Hier müsse mit viel Information und Kommunikation mehr Vertrauen aufgebaut werden. Bei sensiblen Berufsgruppen im Spitals- und Pflegebereich gebe es diesbezüglich eine andere Situation.

Mit den steigenden Infektionszahlen müsse auch mehr getan werden, um Kinder zu schützen – die ja bis zum Alter von zwölf Jahren noch nicht geimpft werden können. Neben der Impfung von Bezugspersonen sprach sich Juen für gute Sicherheitskonzepte an Schulen und Kindergärten aus: Diese sollten drei PCR-Tests pro Woche, Maske und Abstand umfassen. "Noch einen Lockdown im Bildungssystem ertragen Kinder und Jugendliche schlecht."

Für den Corona-Herbst sei man mit der Impfung und dem Wissen um sowie Schutzvorkehrungen gegen das Virus zwar "viel besser aufgestellt". Aber der Kampf werde "auf einem anderen Niveau weitergehen". Die Maske etwa sollte als normales Mittel des Schutzes wahrgenommen werden – "und nicht als Bestrafung".

Bessere Katastrophenvorsorge notwendig

Im Rahmen der Pressekonferenz wurde auch eine besser organisierte Katastrophenvorsorge gefordert. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass Österreich "nicht optimal aufgestellt ist", wie es Generalsekretär Opriesnig formulierte. Es mangle an einem gesamthaften Ansatz, zudem gebe es keine zentrale Stelle und keine klaren Zuständigkeiten. Mit dem Föderalismus in Gesundheitsfragen sei es etwa auch sehr schwierig gewesen, einheitliche Corona-Kennzahlen aus den Bundesländern zu bekommen.

Corona werde nicht die letzte Katastrophe gewesen sein, meinte Opriesnig mit Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels, die sich "nicht nur irgendwo, sondern auch bei uns in Österreich" abspielen würden.

Hilfe in Afghanistan gefordert

Angesprochen wurde auch die humanitäre Krise in Afghanistan. Angesichts der Lage könne das offizielle Österreich nicht sagen, "das geht uns gar nichts an", kritisierte Schöpfer. Man müsse dort, wo Menschen in Not sind, helfen. "Stattdessen über Abschiebungen weiter nachzudenken ist nicht human." Das stehe Österreich nicht gut an. Das Rote Kreuz beziehungsweise der Rote Halbmond seien mit 1.800 Mitarbeitern in Afghanistan im Einsatz. In Gesundheitszentren vor Ort würden pro Jahr 200.000 Menschen operiert und notversorgt. In Österreich unterstützt das Rote Kreuz bei der Suche nach Angehörigen und berät bei Familienzusammenführungen nach dem Asylgesetz. Im ersten Halbjahr wurden diesbezüglich 150 afghanische Familien in Österreich beraten. Seit Beginn der Krise in Afghanistan würden täglich rund 100 Anfragen von Betroffenen gestellt. (David Krutzler, 2.9.2021)