Dementierte stets eine unvollständige Aktenlieferung: Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).

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Es war eine Zäsur in der Zweiten Republik. Im März entschied der Verfassungsgerichthof, dass der türkise Finanzminister Gernot Blümel mehr Akten an den Ibiza-U-Ausschuss liefern muss. Doch das passierte nicht. Das Höchstgericht wandte sich an Bundespräsident Alexander Van der Bellen und bat um Exekution. Danach lieferte Blümels Ressort tausende E-Mails ausgedruckt in Pappkartons. Nach reichlich Kritik dafür kamen sie auch elektronisch. Doch die Opposition glaubte weiterhin, dass Daten fehlten. Van der Bellen beauftragte das Straflandesgericht Wien, das über die Vollständigkeit entscheiden sollte. Das Gericht lieferte schließlich weitere Akten.

Nun dürfte aber auch das nicht reibungslos verlaufen sein. Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, wandte sich deshalb mit einer parlamentarischen Anfrage an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), weil aus seiner Sicht "tausende Dokumente" in Formaten übermitteltet worden seien, die nicht in lesbarer Form in die "Suchmaske" eingespielt werden konnten. Über jene "Suchmaske" können berechtigte Abgeordnete U-Ausschuss-Akten bis zur Geheimhaltungsstufe 1 über einen "webbasierten, ortsunabhängigen Zugang" einsehen und durchsuchen. Die betroffenen Dokumente seien nun nur in der Registratur der Parlamentsdirektion aufzufinden gewesen, moniert Hafenecker. Vor allem die Unterscheidung, welche Daten das Ministerium im Vorfeld und welche das Straflandesgericht im Nachhinein lieferte, habe sich dadurch erschwert.

11.516 unlesbare Dateien

Sobotka bestätigte nun in seiner Beantwortung, dass tatsächlich für die "Suchmaske" unlesbare Daten an den U-Ausschuss geliefert wurden. Seitens des Finanzministeriums seien insgesamt 38.842 Dateien vorgelegt worden. In sechs Lieferungen hätten 60 Dateien ein Format gehabt, das nicht kompatibel gewesen sei.

Den Großteil der "unlesbaren" Dateien, konkret 11.516, habe das Straflandesgericht im Zuge der Exekution geliefert. Laut Sobotka sei das Gericht im Vorfeld zwar über die technischen Anforderungen informiert worden, dieses "gab jedoch an, die Daten lediglich über das BRZ (Bundesrechenzentrum Anm.) abgerufen und unverändert übermittelt zu haben". Das Finanzministerium sei in die Datenübermittlung an den U-Ausschuss im Rahmen der Exekution nicht eingebunden gewesen.

Hafenecker sieht die Schuld bei Blümels Ressort, das dem Gericht "exotische und damit unverwertbare Dateiformate" zur Verfügung gestellt habe. "Das ist eine Frechheit und ein Sabotageakt, dass das Finanzministerium offenbar viel Zeit dafür verwendet hat, den U-Ausschuss hinters Licht zu führen." Das Finanzministerium weist das von sich und entgegnet, in den Prozess nicht involviert gewesen sein. Man wisse bis heute nicht, welche Daten das Straflandesgericht vom BRZ tatsächlich abgerufen habe. Die Präsidentschaftskanzlei als Auftraggeber weist darauf hin, dass es die Aufgabe des Gerichts war, die Daten sicherzustellen und dem U-Ausschuss schnellstmöglich zu übermitteln. Eine Konvertierung der Daten für eine "Suchmaske" habe dabei keine Rolle gespielt. Der Präsident des Wiener Straflandesgerichts, Friedrich Forsthuber, bestätigt das.

Auch andere Ministerien betroffen

Auch andere Ministerien lieferten laut Anfragebeantwortung insgesamt 1.238 für die "Suchmaske" unlesbare Daten an den U-Ausschuss. Spitzenreiter ist hier das Klimaressort mit 954 Dateien, gefolgt vom Justizministerium mit 145 Dateien. Weiter abgeschlagen befindet sich das Kanzleramt mit 36 Dateien, das Innenministerium mit vier, das Ressort für Sport und Kultur lieferte lediglich einen einzigen "unlesbaren" Datensatz.

Die technisch mangelhaften Aktenlieferungen hätten die betroffenen Stellen, auch das Finanzministerium, laut Sobotka zumeist mit Ressourcenengpässen aufgrund kurzer Fristen und großer Datenmengen sowie mit der hohen Anzahl von ergänzenden Beweisanforderungen gerechtfertigt.

Das Problem sei bisher "oftmals" so gelöst worden, indem "Dateien teilweise neu vorgelegt oder teilweise von der Parlamentsdirektion – bei geringen Datenmengen – manuell formatiert wurden", erklärt der Nationalratspräsident. (Jan Michael Marchart, 2.9.2021)