Ein österreichischer Jagdkommandosoldat auf dem Gelände des Flughafens in Kabul (undatiertes Archivbild).

Foto: Bundesheer

Auch das österreichische Bundesheer war in Kabul im Einsatz – konkret ab dem 17. August –, um Österreicher und Afghanen mit österreichischem Aufenthaltstitel aus dem Land zu holen. Was die Soldaten des Jagdkommandos dabei erlebten, schilderten sie am Donnerstag in einem Videointerview österreichischen Medien. Es habe "extrem großes Chaos geherrscht", es wurde immer wieder geschossen.

Hitze, Müll, Schüsse

"Es war staubig und heiß", schilderte der Kommandant. Das Flughafengelände sei voll von Müll und Dreck gewesen, und es sei immer wieder geschossen worden. Einige Menschen seien gestorben, als Panik ausgebrochen sei oder als sie sich an abfliegende Flugzeuge geklammert hätten und dann abgestürzt seien, erzählte der Soldat.

Die Masse der Ausreisewilligen sei durchmischt gewesen. Viele Familien mit Kindern und auch alte Menschen seien dabei gewesen. Österreich habe etwas mehr als 100 Menschen aus dem Krisenland geholt, eine Familie sei noch dort und in täglichem Kontakt mit einem Diplomaten. Es werde versucht, diese auf dem Landweg über Pakistan herauszuholen.

T-Shirts mit Nationalitäten

Der Job der zwei Soldaten und des Diplomaten sei gewesen, aus der Masse an Menschen, die sich auf dem Flughafengelände befanden, die Österreicher herauszuholen, ihre Papiere zu kontrollieren und sie zu den Flugzeugen zu bringen. Dafür seien die beiden Soldaten und ein Diplomat mit rot-weiß-roten Fahnen auf und ab gegangen. "Die Menschen waren sehr kreativ, sie haben ihre Dokumente groß kopiert, sodass man sie von weitem erkennen konnte, oder haben T-Shirts mit ihrer Nationalität getragen", so der Soldat, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss.

Zusammenarbeit mit anderen Ländern

Das Bundesheer habe sehr eng mit Deutschland, Ungarn und der Schweiz kooperiert. Die Zusammenarbeit habe deswegen so gut funktioniert, weil die Soldaten des Jagdkommandos ständig mit Spezialeinsatzkräften aus anderen Ländern üben würden, mit ihnen in Einsätzen seien und daher ein guter persönlicher Kontakt bestehe. Die Flüge wurden hauptsächlich von Deutschen und Ungarn durchgeführt, so der Soldat. Ob auch Österreich ein eigenes Flugzeug hätte runterschicken müssen, wollte er nicht beurteilen. Das sei eine Entscheidung der politischen Führung.

Kein internationales Kommando

Um den Flughafen herum habe es vier Linien gegeben, die man habe passieren müssen, um zu den Flugzeugen zu gelangen. Die erste Linie sei von den Taliban kontrolliert worden, die zweite von den Amerikanern. Dann sei man zu den internationalen Truppen gekommen und von dort zu den Krisenunterstützungsteams. Davor musste man einen zwei Meter tiefen und zwei Meter breiten Kanal, der mit Müll und Fäkalien gefüllt war, überwinden.

Ein übergeordnetes "internationales Kommando in dem Sinn hat es nicht gegeben". Der Flughafen sei während der Evakuierungen von den Amerikanern betrieben worden, aber jede Nation habe für sich gearbeitet.

Start in Usbekistan

Die Maschinen seien von Kabul aus in die usbekische Hauptstadt Taschkent geflogen, wo sich auch ein größeres österreichisches Krisenteam befindet. Dort seien dann auch genaue Personenkontrollen durchgeführt worden, denn am Flughafen in Kabul habe man nur die Dokumente angeschaut und die Rucksäcke kontrolliert. Die Jagdkommandosoldaten haben ihre Mission am 17. August begonnen und sind seit 1. September wieder in Österreich. Sie sind von Taschkent aus immer wieder nach Kabul geflogen und jeden Tag auch wieder zurückgeflogen.

Verlagerung auf Landweg

Die Sicherheitslage am Flughafen habe sich täglich verschlechtert. "Die Bedrohungslage ist immer weiter gestiegen." Ab dem 26. bzw. 27. August sei man nicht mehr hingeflogen und habe die Evakuierungen auf den Landweg verlagert. "Wir sind rechtzeitig herausgegangen, bevor der Anschlag passiert ist." Der Soldat ist seit über 22 Jahren bei den Spezialkräften und habe schon viele Einsätze erlebt. "Wir üben so etwas jeden Tag." (APA, red, 2.9.2021)