Die Impfung dürfte auch bei der Gefahr von Long Covid ein echter Gamechanger sein, wie eine großangelegte Studie zeigt.

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Die Gefahr von Long Covid ist eine Sorge, die viele beschäftigt. Immerhin betrifft diese Diagnose zwischen zehn und 15 Prozent aller an Covid-19 Erkrankten, mit Symptomen wie langanhaltendem Geruchs- und Geschmacksverlust, Kurzatmigkeit, Fatigue-Syndrom, Brain Fog oder neurologischen Problemen wie massivem Schwindel und mehr. Für manche ist mit den Langzeitfolgen der Erkrankung ein normales Leben gar nicht möglich. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind davon Frauen in jüngeren und mittleren Jahren.

Umso wichtiger ist die Frage, ob die Impfung gegen Long Covid helfen kann. Und genau darauf gibt eine soeben im renommierten Journal "The Lancet Infectious Diseases" erschienene Studie mit Daten von über 1,2 Millionen britischen Erwachsenen erste Antworten. Die Erkenntnis der Wissenschafterinnen und Wissenschafter vom Londoner King's College: Bei Personen mit Durchbruchsinfektion nach doppelter Impfung ist die Wahrscheinlichkeit, an Long Covid zu erkranken, um die Hälfte reduziert im Vergleich zu ungeimpften Erkrankten.

Die Studie liefert außerdem weitere Belege, dass zwei Stiche mit den Vakzinen von Biontech/Pfizer, Moderna und Astra Zeneca sehr gut vor symptomatischem und schwerem Krankheitsverlauf schützen.

Erste entsprechende Studie

"Das ist die erste Studie, die zeigt, dass die doppelte Impfung Long Covid weniger wahrscheinlich macht. Und die Reduktion ist wirklich signifikant", betont Claire Steves, Gerontologin am King's College London und führende Autorin der Studie, in einer Aussendung. Was das Krankheitsbild anbelangt, ist vieles noch unklar, und es gibt auch noch keine etablierte Behandlung von Long Covid, zu unterschiedlich sind die Symptome. "Aber die Impfung ist eine Präventionsmaßnahme, die jeder vornehmen kann", betont Stevens.

Das ist besonders wichtig in Hinblick auf die Delta-Variante, bei der es öfter zu Impfdurchbrüchen kommt als bei anderen Varianten, wie zahlreiche Studien, unter anderem diese aus Großbritannien, und auch Daten der amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) zeigen.

Die Daten für die Erkenntnisse aus der "Lancet"-Studie stammen von über 1,2 Millionen britischen Erwachsenen aus der Zoe Covid Study, für die Freiwillige über eine App Daten und Informationen zu ihren Testergebnissen, Symptomen bei Erkrankung und Impfung bekanntgeben. Die Studie enthält Daten von Personen, die von 8. Dezember 2020 bis 4. Juli 2021 zumindest eine Impfdosis von Biontech/Pfizer, Moderna oder Astra Zeneca erhalten haben, ebenso wie die Daten einer ungeimpften Kontrollgruppe.

Von den beinahe eine Million doppelt geimpften Teilnehmern berichteten 0,2 Prozent von einer Durchbruchsinfektion. Diese hatten in etwa doppelt so häufig einen asymptomatischen Verlauf wie Ungeimpfte. Die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisierung war in dieser Gruppe um 73 Prozent niedriger. Und die Gefahr von Langzeitsymptomen, die zumindest vier Wochen nach der Infektion anhielten, war bei jenen mit Durchbruchsinfektion um 49 Prozent reduziert.

Erkenntnisse als Argument für Impfung

Tim Spector, Genetiker am King's College und Initiator der Zoe Covid Study, betont: "Impfungen vermindern die Gefahr, an Long Covid zu erkranken, auf zwei Arten. Erstens reduzieren sie das Risiko von symptomatischen Infektionen um das Acht- bis Zehnfache. Und zweitens halbieren sie die Wahrscheinlichkeit von Long Covid um die Hälfte, falls es doch zu einem Impfdurchbruch kommt. Und wir sehen auch, egal wie lange die Symptome anhalten, bei einer Infektion nach zwei Impfungen sind sie insgesamt deutlich milder. Impfungen können der Krankheit wirklich ihren Schrecken nehmen, und wir ermutigen alle, sich so bald wie möglich impfen zu lassen."

Etwas limitiert sind die Erkenntnisse der Studie, wie die Forscherinnen und Forscher bestätigen, da die Informationen der Teilnehmer selbstberichtet sind und nicht in einem wissenschaftlichen Setting erfasst wurden. Dazu kommt, dass Long Covid schwer zu erforschen ist, da die Symptome sehr weit gestreut sind und sich teilweise stark unterscheiden, auch in der Schwere. Doch Studienleiterin Steves hofft, dass die Erkenntnisse mehr junge Menschen dazu motivieren, sich impfen zu lassen

Junge Erwachsene haben zwar ein deutlich geringeres Risiko, schwerer zu erkranken, als Ältere, aber das Risiko von Long Covid besteht auch für sie. Und sechs Monate lang nicht wirklich aktiv sein zu können, wie es bei Long Covid oft der Fall sei, habe einen riesigen Einfluss auf das Leben, betont Steves. "Wenn wir also zeigen können, dass die Impfung das Risiko von Long Covid reduziert, kann das die jungen Menschen dazu motivieren, sich doch impfen zu lassen." (Pia Kruckenhauser, 3.9.2021)