Geckos können mehr als an Wänden klettern, wie eine weitere Studie zeigt.
Foto: Janette Hill / imago / robertharding

Geckos haben gleich mehrere "Superkräfte": Sie haben keine Probleme damit, an glatten Wänden und Decken entlangzuklettern, und können sogar über Wasser flitzen. Zu verdanken haben sie das großteils ihren Beinen, die einerseits spezielle Haftlamellen besitzen – und mit denen sie andererseits effektive Paddelbewegungen ausführen. Gerade beim Wasserlauf unterstützt sie aber auch ihr Schwanz, der ähnlich wie bei Alligatoren abwechselnd nach links und rechts schwingt und ihnen Stabilität und Auftrieb verleiht.

The New York Times

Ihrem Schwanz haben sie auch eine weitere Fähigkeit zu verdanken, wie eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen zeigt. Sie bezwingen nicht nur Land und Wasser, sondern auch die Luft: Ohne Flügel können sie etwa von einem Baum zum nächsten gleiten, schreibt das Forschungsteam im "Nature"-Fachblatt "Communications Biology".

Wie ein fünftes Bein

So kann etwa der in Süd- und Südostasien beheimatete Hemidactylus platyurus etliche Meter überwinden, um vor Fressfeinden wie Spinnen oder Schlangen zu fliehen (bei Vögeln wird dies ob ihrer Flugfähigkeit schwieriger). Das Forschungsteam zeigte zunächst, wie der Gecko das im Detail anstellt: Wenn die Bäume nah beieinanderstehen und der Sprung nur kurz ist, prallt er mit voller Wucht gegen den Baumstamm, kann diesen ungebremsten Aufprall mit etwa 21 Kilometern pro Stunde aber gut überstehen. Warum ist das so?

Der Biomechanikforscher Ardian Jusufi beobachtete dazu in den Regenwäldern Singapurs Geckos mit und ohne Schwanz. Während erstere rabiat, aber ohne herunterzufallen landen und sich problemlos weiterbewegen können, erging es ihren schwanzlosen Artgenossen schlecht: Sie konnten sich nicht festhalten und fielen zu Boden.

So sieht das Landemanöver eines Geckos nach dem Gleitflug aus.
Illustration: Andre Wee

Test mit Robotergecko

Bei genauerer Betrachtung ist zu erkennen, dass bei der Landung die Vorderfüße nicht mehr haften können; der Rumpf der Tiere biegt sich beim Abfedern um bis zu einhundert Grad nach hinten. Dies kann kompensiert werden, indem neben den Hinterbeinen auch der Schwanz fest gegen den Baumstamm gedrückt wird. Der Schwanz hilft wie ein fünftes Bein beim Stabilisieren, schreibt das Forschungsteam. Tieren ohne Schwanz gelang dies nicht.

Ardian Jusufi Lab

Um nachzuweisen, dass tatsächlich der Schwanz den Unterschied macht, entwickelte das Team auch einen Roboter, der den Tieren nachempfunden ist. An dem weichen Torso lässt sich ein Schwanz anbringen oder abknipsen. Der Roboter ist so programmiert, dass er seinen Schwanz krümmt, sobald die Vorderbeine auf eine Oberfläche treffen – ähnlich dürfte auch der Geckoreflex in der Natur funktionieren. Die Füße des Roboters halten mit Klettverschluss am Filz eines simulierten Baumstamms.

Im Laborversuch verhielt sich der Robotergecko so ähnlich wie die echte Version – nur konnte das Team diesmal die Kräfte, die in den Füßen des Roboters wirken, messen. Das Ergebnis: Je länger der Schwanz, desto geringer die Kraft, die die Hinterbeine von der Oberfläche wegzieht – und desto leichter ist es, am Baum haften zu bleiben. Ohne Schwanz können sich weder Roboter noch Geckos festhalten.

So sähe der Flug des Roboters in der Natur aus.
Illustration: Ella Maru Studio

Kollision abgewendet

Größere Tiere, die im Gleitflug unterwegs sind, vermeiden kurze Flüge eher, da sie dabei keine Landemanöver vor dem Aufprall einschieben können, die den Luftstrom ausnutzen und sie bremsen. Kleinere Tiere scheinen dies besser ausgleichen zu können. Allerdings war es nicht leicht, den Gecko in freier Wildbahn zu beobachten und bei der Landung zu filmen. Und was sich nicht am Tier messen ließ, konnte durch den Roboter nachgestellt werden. "Unser Roboter kann auch dazu beitragen, die Fortbewegung von Robotern zu verbessern, indem er die Robustheit erhöht und die Steuerung vereinfacht", sagt Jusufi.

Der Roboter in Landeposition im Vergleich zur Illustration und einem ruhenden Gecko.
Fotos: Ardian Jusufi, Illustration: Andre Wee

Während der ebenfalls beteiligte Robotikforscher Robert Siddall ergänzt, dass die Natur viele unerwartete, elegante Lösungen für Konstruktionsprobleme biete, lässt sich über die Eleganz in diesem Fall wahrscheinlich diskutieren. Die schwierige Landung können Geckos dennoch eindrucksvoll meistern: "Das wird durch die Art, wie Geckos ihre Schwänze einsetzen, um eine Kollision mit dem Kopf voran in ein erfolgreiches Landemanöver verwandeln können, wunderbar illustriert." (Julia Sica, 3.9.2021)