Filme und Serien werden heute vor allem auf Streaming-Plattformen konsumiert.

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Etwa 67 Milliarden Dollar kostet Piraterie die Filmindustrie jedes Jahr. Vor allem seit Ausbruch der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Lockdowns scheint sich das Problem verschärft zu haben und für immer größere Aufmerksamkeit zu sorgen – nicht zuletzt, weil es inzwischen auch Hollywood erreicht hat. Ende Juli wurde bekannt, dass "Black Widow"-Star Scarlett Johansson Disney wegen der gleichzeitigen Veröffentlichung des Films auf der Streaming-Plattform Disney Plus klagt. Wegen diesem habe sie Verluste erlitten, so ihr Vorwurf.

Zudem beklagen Konsumenten schon länger die zunehmende Segmentierung des Streaming-Markts. Will man alle gewünschten Serien und Filme schauen, ist man dazu gezwungen, drei bis vier Services zu abonnieren. Das ist nicht nur teuer, sondern vor allem auch lästig. Für einige scheint deshalb ein deutlich günstigerer – oder gar kostenloser – Piraterie-Service attraktiver zu wirken.

Einerseits stellt sich deshalb die Frage, wie man der zunehmenden Bedrohung Herr werden kann. Andererseits ist allerdings auch klar, dass es ein Umdenken innerhalb der Industrie geben muss, um Kunden vom Kauf eines Abonnements überzeugen zu können. Im STANDARD-Interview spricht Yael Fainaro, Executive Vice President for Security bei Synamedia, darüber, welche Hürden es derzeit gibt – und wie Anbieter wieder attraktiver für potenzielle Kunden werden können.

Synamedia ist eine in Israel (als News Datacom) gegründete Firma, die sich mit ihrem Dienstleistungsportfolio auf die Verteilung und Bereitstellung von Inhalten, die Videoverarbeitung und auf Sicherheitskonzepte für Videodienstleister konzentriert. Zu den Kunden zählen unter anderem Sky und die Mobilfunkanbieter Vodafone Deutschland, AT&T und Verizon.

STANDARD: In den letzten Jahren, aber insbesondere seit der Pandemie hat sich der Medienkonsum in den Streaming-Bereich bewegt. Auch Hollywood hat die Relevanz dieses Marktes für sich entdeckt. Was bedeutet das für die Arbeit in der Antipiraterie?

Fainaro: Die Landschaft verändert sich bereits seit fünf bis sechs Jahren. Wir selbst sind seit mehr als 30 Jahren in diesem Bereich aktiv. Wollte man früher in das Geschäft der Piraterie eintreten, brauchte man sehr viel Investitionen und technisches Know-how, um geschlossene Systeme – damals Pay TV – zu knacken. Heute ist das offensichtlich sehr anders, Streaming-Plattformen sind von Natur aus offen und können auf Mobiltelefonen, iPads oder Computern konsumiert werden. Das erleichtert es, an die Inhalte zu kommen oder sogar den Zugang zum Service selbst zu verkaufen.

STANDARD: Wie gehen Sie mit dieser Veränderung um?

Fainaro: Wir bieten eine Wertkette von Prävention, über Aufdeckung, Schadensbegrenzung, Störung und Reaktion. Im Vorfeld versuchen wir also, die Mauer so hoch zu bauen wie möglich, damit Nutzer eines Service auch tatsächlich für diesen bezahlen. Im Fall von Streaming-Plattformen wird der Zugang über ein Passwort geregelt, es geht also um die Authentifizierung des Geräts gegenüber dem Dienst. Wir haben Systeme, mit denen man unerlaubten Zugang oder auch den Diebstahl erkennen kann. Zwar ist, wie überall im Sicherheitsbereich, nichts kugelsicher. Aber die Absicherung muss so gut sein, dass es hohe Investitionen braucht, damit Piraterie wirklich lohnenswert ist. Ist das nicht der Fall, braucht es zudem verlässliche Erkennungsmechanismen, die einen alarmieren, sobald Handlungsbedarf besteht. Die Reaktion hängt dann ganz vom tatsächlichen Problem ab.

STANDARD: Haben Sie ein Beispiel?

Fainaro: Nehmen wir an, ich bin ein Serviceprovider, habe die Olympischen Spiele lizensiert und meine Plattform wirklich großartig abgesichert, sodass niemand auf sie zugreifen kann, der nicht bezahlt. Aber es gibt noch eine andere Plattform in einem anderen Markt, die auch die Olympischen Spiele lizensiert hat und keinen so guten Job gemacht hat. Wenn ich also zum Beispiel ein Anbieter aus Großbritannien bin und eine Plattform aus Österreich die Inhalte nicht schützt, bedeutet das für mich, dass meine Zielgruppe auch auf die ausländischen Inhalte zugreifen kann – und diese dadurch in Konkurrenz zu meinem Service stehen. Die Risiken liegen teilweise also komplett außerhalb meiner Kontrolle und außerhalb der eigenen Plattform. Als Erstes muss man also verstehen, welcher Teil der Piraterie-Landschaft für einen selbst relevant ist. Um das Beispiel weiterzuführen: Wenn ich ein Service-Provider in Großbritannien bin, würde Synamedia ein Bild davon zeichnen, welche Piraten welchen relevanten Content besitzen, wo sie sich befinden, an wen sie die Inhalte vermarkten und wie viele Abonnenten sie haben. Anschließend wird ein Aktionsplan entworfen. Dabei kann es sich um Take-down-Anfragen handeln, die unter anderem in Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden durchgesetzt werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Blockierungen, also des dynamischen IP-Blockings für bestimmte Märkte. Mit diesem kann man sicherstellen, dass Piraterie-Plattformen Haushalte eines bestimmten Markts nicht mehr erreichen können.

STANDARD: Können die Schutzmaßnahmen mit der Bedrohung mithalten?

Fainaro: Früher musste man bei neuen Filmveröffentlichungen ins Kino gehen und ihn erst mit einem Camcorder aufzeichnen und dann hochladen. Inzwischen brauche ich bloß das Passwort für den Premiumservice einer Streaming-Plattform, um die Inhalte innerhalb von Minuten zu verteilen. Hohe Sicherheit ist daher einerseits schwieriger, aber andererseits auch nicht der Fokus. Dieser lag lange Zeit vor allem darauf, mehr Zuseher und mehr Wachstum zu erreichen. Mit diesem Mindset will man keine Steine in den Weg legen, die die Nutzererfahrung beeinträchtigen könnten. Während die Barrieren also stetig niedriger werden, ist der Wert der Inhalte signifikant gestiegen. Aber wir sehen dahingehend auf jeden Fall eine Veränderung am Markt. Auch die Produktionsstudios, die Premium-Video-on-Demand-Inhalte – also Kinofilme auf Streaming-Plattformen – veröffentlichen, werden sich zunehmend des Einflusses auf den kommerziellen Erfolg bewusst.

STANDARD: Wie muss man sich so eine Piraterie-Plattform vorstellen?

Fainaro: Stellen Sie sich ein Netflix mit allen Sportkanälen und Video-on-Demand-Inhalten vor, die es auf der Welt gibt. Alle Kanäle, alle Inhalte, alle neuen Veröffentlichungen. Es gibt natürlich Variationen. Wenn man im deutschsprachigen Raum lebt, werden die Anbieter Inhalte von lokalen Anbietern haben. Bei geschlossenen Netzwerken kostet ein Abonnement in den USA durchschnittlich 14 Dollar im Monat, in Großbritannien sind es etwa zehn Pfund.

STANDARD: Provokant gesagt, wird damit das Problem der Konsumenten gelöst, immer mehr Abonnements abschließen zu müssen, um an gewünschte Inhalte zu gelangen. Müssten nicht die Anbieter etwas verändern?

Fainaro: Sie haben recht, dass die Fragmentierung der Inhalte und die daraus resultierende Nutzererfahrung Piraterie-Services anfeuern. Als User vier oder fünf Streaming-Plattformen schauen zu müssen ist nicht gut. Und monetär gesehen kommt man dann teilweise auf denselben Preis, den man früher für Pay TV bezahlt hat. Manche Anbieter verstehen das und stellen Inhalte in einem Paket zur Verfügung. Wenn wir also legitime mit Piraterie-Angeboten vergleichen, wollen wir, dass erstere deutlich attraktiver sind. Das kann zwar bedeuten, dass sie auch teurer werden, aber dadurch ist auch das Angebot deutlich besser. (Mickey Manakas, 4.9.2021)