Mehr "Impfanreiz" ist kaum vorstellbar. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil will eine "Impf-Lotterie" einführen, mit Hauptpreisen wie Autos und Handys, um die Impfquote in seinem Land auf 80 Prozent zu schrauben. In Wien wiederum setzt man auf niederschwellige Angebote, fast schon an jeder Hausecke. Allein: Es nützt halt nicht allzu viel, sagt eine Expertin im STANDARD-Interview. "Aufklärung" sei notwendig.

Man sollte damit gleich bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst beginnen, die sich nicht impfen lassen wollen, die eher ungern testen gehen und auch Masken als Zumutung empfinden. Lehrer, Pflegepersonen, Elementarpädagoginnen – all jene, die viel mit besonders schutzbedürftigen Menschen zu tun haben. Reden sollte man dabei nicht nur über die großen Vorteile des Impfens und die riesigen Nachteile einer Covid-Erkrankung, sondern auch über Verantwortung und Verantwortlichkeit. Wenn jene, die von Berufs wegen eine Fürsorgeaufgabe gegenüber anderen Menschen übernommen haben, diese nicht wahrnehmen, dann ist das alarmierend.

In Wien setzt man auf niederschwellige Impfangebote wie den Impfbus.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wenn der Klassenlehrer der unter Zwölfjährigen die Impfung aus Prinzip verweigert; wenn die Pflegerin im Altenheim dies aus "persönlichen Gründen" tut; wenn die Elementarpädagogin aus Angst, nicht schwanger zu werden, lieber die Covid-Infektion riskiert – und 20 Kindergartenkinder samt deren Eltern daraufhin tagelang in Quarantäne sitzen –, dann drängt sich die Frage auf: Was ist in unserer Gesellschaft los, wenn das Ego über alles geht, die Gesundheit anvertrauter Schutzbefohlener aber zweitrangig ist? Werden Verantwortung und Fürsorgepflicht denn nicht in der Ausbildung gelehrt? Ist die Einstellung zum Gemeinwohl, das Verantwortungsgefühl von Bewerbern für Pflegeberufe, Lehramt, Pädagogik kein Aufnahmekriterium für den öffentlichen Dienst?

Impfskepsis

Wie sieht es überhaupt mit der Verantwortung jener aus, die in diesem Land einen gewissen Einfluss haben? Ärzte und Ärztinnen etwa, die ihre Patientinnen und Patienten in deren Impfskepsis bestärken – und auch noch eins draufsetzen, indem sie etwa Frauen mit Kinderwunsch warnen, die Impfung könnte ihren Zyklus durcheinanderbringen. Wider besseres Wissen, dass dies immer mehrere, verschiedene Gründe haben kann. Wider besseres Wissen auch, was die wirklichen Expertinnen und Experten dringend empfehlen. Hier geht es auch um die Verantwortlichkeit von Interessenvertretungen – etwa der Ärztekammer. Die muss sich um das Thema "impfskeptische Ärzte" dringend kümmern, ebenso die Patientinnenanwaltschaft.

Genauso in die Pflicht zu nehmen ist die Lehrerinnengewerkschaft, die offenbar durchgesetzt hat, dass sich Pädagoginnen und Pädagogen nur einmal pro Woche PCR testen lassen müssen, selbst wenn sie ungeimpft sind. Schülerinnen und Schüler müssen sich in der Eingangsphase übrigens dreimal pro Woche testen.

Hier läuft also einiges quer, manches schief. Mit freundlichen und finanziell lukrativen Anreizen allein wird es nicht getan sein. Es ist Zeit, Verantwortung einzufordern und auch Konsequenzen zu ziehen, wenn dies misslingt. Damit macht man sich sicherlich nicht beliebt. Aber man handelt verantwortungsvoll. Es ist das Mindeste, was der Bürger von Politik und Verwaltung, vom Gesundheits- und vom Bildungswesen erwarten darf. (Petra Stuiber, 2.9.2021)