Willi Ruttensteiner (rechts) herzt Stürmer Eran Zahavi von PSV Eindhoven, sein Prunkstück in der Offensive.

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Willi Ruttensteiner verspürt selbstverständlich Druck. "Der ist Teil des Trainergeschäfts. Mit Kritik musst du leben." In seinem Fall als israelischer Teamchef. 2018 übernahm der 58-jährige Oberösterreicher aus Steyr den Posten des Sportdirektors im israelischen Fußballverband, schuf Strukturen, kümmerte sich um die Trainerausbildung, bestellte Andreas Herzog zum Teamchef. Als dieser 2020 aufhörte, wurde Ruttensteiner zum Herzog, er wollte raus aus dem Büroalltag. "Ich glaube, die Öffentlichkeit ist prinzipiell zufrieden mit mir", sagt er dem STANDARD. Israel verbesserte sich in der Weltrangliste von Rang 99 auf 81. "Es sind kleine Schritte, aber es sind Schritte."

Am Mittwochabend wurden in der Gruppe F der WM-Qualifikation die Färöer auswärts mit 4:0 deklassiert. Am Samstag steigt in Haifa das Treffen mit und gegen Österreich. Ruttensteiner hat ambivalente Gefühle. "Ich bin eigentlich froh, wenn das Spiel wieder vorbei ist."

Rund 17 Jahre war er beim ÖFB Sportdirektor und am Aufschwung sehr direkt beteiligt. "Da ist Vergangenheit, aber natürlich war das prägend. Ich habe die Entwicklung einiger Spieler hautnah miterlebt. Es freut mich, was sie alles erreicht haben." Ruttensteiner favorisiert ganz klar Österreich. Trotz vieler namhafter Ausfälle. Die Mannschaftsleistung bei der EM habe ihm imponiert, nur das das 0:2 gegen die Niederlande sei mäßig gewesen. "Ukraine und vor allem Italien waren großartig." Die Achse mit Martin Hinteregger, David Alaba und Marko Arnautovic könne Spiele entscheiden. Der vierte im Bunde wäre für Ruttensteiner Marcel Sabitzer, aber der fehlt in Haifa. "Sie haben mehr Qualität als wir. Auch die Bundesliga hat sich im Sog von Salzburg gemausert, die Erfolge im Europacup sind durchaus beachtlich."

Kein Grund zur Scham

Ruttensteiner hat sich den Spaß gemacht, das Personal zu vergleichen. 36 Österreicher kicken in einer der fünf Topligen Europas (England, Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich), Israel hat einen im erlauchten Quintett. Den Hoffenheimer und Ex-Salzburger Munas Dabbur. Eran Zahavi ist bei Eindhoven tätig, Nir Bitton bei Celtic. "Für die Niederlande und für Schottland muss man sich aber nicht genieren."

Der 34-jährige Zahavi hat in 65 Länderspielen 29 Tore erzielt, eine beachtliche Quote. Gegen die Färöer waren es drei, für den vierten Treffer sorgte Dabbur. Die beiden sind das Prunkstück. "Sie können jedem Gegner Probleme bereiten. In der Defensive haben wir Aufholbedarf, da müssen wir an Automatismen arbeiten. Generell stimmt die Balance zwischen Jung und alt."

Im Gegensatz zu den Co-Trainern Rupert Marko und Klaus Lindenberger, die zur Vorbereitung aus Österreich anreisen, lebt Ruttensteiner mit seiner Frau in Israel, in einem Apartment in Herzlia. Heimatbesuche sind rar geworden, was auch mit Corona zu tun hat. "Trotz hoher Infektionszahlen ist hier das Leben relativ normal." In der Gruppe F haben sowohl Israel als auch Österreich nach vier Partien sieben Zähler, Dänemark ist mit zwölf Punkten ganz weit weg. Ruttensteiner über die Ausgangsposition: "Für uns wäre es normal, Vierter zu werden. Platz drei wäre gut, Platz zwei sensationell. Das Sensationelle muss unser Ziel sein."

Die Israeli sind vom dicht gedrängten Terminplan noch stärker betroffen als Franco Fodas Auswahl. Der Weltverband Fifa wurde bei der Ansetzung vermutlich vom Blitz gestreift. Ruttensteiner musste zunächst auf die Färöer fliegen, danach ging es zurück nach Haifa, um am Dienstag in Kopenhagen gegen die nahezu übermächtigen Dänen anzutreten. Dänemark liegt übrigens recht nahe bei den Färöern. "Wir sitzen mehr als 20 Stunden im Flieger."

Keine Überraschung

Ruttensteiner tüftelt an einem Matchplan. "Mich können sie nicht überraschen." Im März 2019 wurde Foda überrascht, Israel siegte in der EM-Quali ebenfalls in Haifa 4:2. "Man muss das realistisch sehen, sie hatten großen Chancen, das Spiel für sich zu entscheiden. Arnautovic vergab Hochkaräter." Ruttensteiner legt darauf Wert, Underdog zu sein. "Wir müssen einen Supertag erwischen, sie ein schwachen. Anderseits hat Österreich den Druck. Sie müssen gewinnen, wir wollen."

Ruttensteiner wird im Winter seine Zukunft klären. "Fix ist, dass ich noch einige Jahre Trainer sein will." Nach dem Triple steht ein wichtiger Termin an. "Ich lasse mich zum dritten Mal impfen." (Christian Hackl, 3.9.2021)