Das Kind braucht den Kindergarten, so viel ist für Nina Gangl sicher. Wohler würde sie sich allerdings fühlen, wenn alle Pädagoginnen geimpft wären. Lois Schedler freut sich auf das neue Schuljahr. Der 13-Jährige will in Sachen Impfung andere motivieren. Lehrerin Lisa Fuchs ist noch nicht ganz überzeugt: Sie wartet in Sachen Impfung noch zu. Schulwart Michael Witasek ist auf alles vorbereitet. Und Studentin Anna Gohm will endlich in den Hörsaal zurück. Ein Blick auf den Bildungsherbst aus fünf Perspektiven.

Mutter Nina Gangl: "Nicht auf dem Rücken der Eltern"

"Ein mulmiges Gefühl habe ich schon", sagt Nina Gangl. Ihre beiden Kinder – bald drei und fünf Jahre alt – besuchen ab Mitte September eine Kindergruppe und einen Kindergarten in Vorarlberg. "Ich hoffe, ich kann sie guten Gewissens hinbringen", sagt Gangl. Sie könne ihren Sohn und ihre Tochter noch nicht impfen lassen, habe aber Einrichtungen mit kleinen Gruppen und viel Platz draußen gewählt. "Mein Mann arbeitet Vollzeit, ich Teilzeit, wir brauchen die Betreuung." Außerdem sei auch für die Kinder der Kontakt mit Gleichaltrigen und Pädagoginnen wichtig.

Nina Gangl wäre wohler mit Impfpflicht.
Foto: Privat

Gangl hofft, dass die Betreuungseinrichtungen nicht mehr geschlossen werden. "Ich bin für Sicherheit, aber nicht auf dem Rücken der Eltern", sagt die Selbstständige. "Es waren meist die Frauen, die im ersten Lockdown alle Aufgaben zu Hause und die Kinderbetreuung übernommen und daneben gearbeitet haben. Das kann man unmöglich alles allein tragen."

Eine Impfpflicht für Pädagoginnen in Kindergärten würde Gangl begrüßen. Natürlich sei das ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, aber "die Pädagogin ist bei einer öffentlichen Einrichtung angestellt und arbeitet mit kleinen Kindern, die nicht geschützt werden können. In dieser Funktion muss sie geimpft sein, das fände ich gut."

Mit welchen Gefühlen gehen die Schülerinnen und Schüler in das neue Semester? Wir haben uns mit Schulsprechern unterhalten
DER STANDARD

Schüler Lois Schedler: Zuversicht und Überzeugungsarbeit

Vergangenen Montag hat Lois Schedler seine zweite Impfung bekommen. Gerade rechtzeitig vor Schulbeginn. Der 13-Jährige wünscht sich, dass es ihm möglichst viele gleichtun, "dann wäre das Risiko für alle geringer". Und wenn er schon beim Wünschen für das kommende Schuljahr ist: "Es wäre cool, wenn wir nicht wieder Maske tragen und testen müssen." Zumindest während des Unterrichts würde er den Mund-Nasen-Schutz gerne abnehmen.

Eigentlich ist Lois zuversichtlich. Er rechnet damit, dass dieses Schuljahr "normaler wird als letztes Jahr". Wenn er recht behält, könnte sogar etwas aus der Klassenreise nach England werden. Die würde der Schüler nämlich wirklich gerne antreten.

Lois Schedler lernt gern ohne Maske und Test.
Foto: Privat

Ob er mit seinen Freunden über Corona spricht? "Eigentlich überraschend wenig", sagt Lois. Daheim ist das natürlich anders, aber in der Gruppe mit Gleichaltrigen will die Zeit gerne anders genutzt werden. Wobei: Wenn einer sich nicht impfen lassen will, versucht es Lois mit sanftem Druck: "Ich probiere dann schon, alle Skeptiker zu überzeugen." Aber bevor es haarig wird und in einem Streit ausartet, überlässt es der Schüler lieber seinem Gegenüber, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Seine Meinung hat er jedenfalls deponiert.

Und wenn doch wieder Distance-Learning anstehen sollte? War nicht so schlimm für ihn. "Ich hab mich weitgehend an den Stundenplan gehalten", auch der Tagesbeginn wurde nicht verschoben. Trotzdem findet Lois: Mit anderen macht das Ganze mehr Spaß, als allein im Zimmer zu sitzen.

Lehrerin Lisa Fuchs: Für Tests, gegen Impfung

Wie genau die Corona-Schutzmaßnahmen an ihrer Schule aussehen werden, ist für Lehrerin Lisa Fuchs noch unklar. "Alles, was ich weiß, habe ich aus den Medien", sagt sie. "Ich kontrolliere derzeit täglich meine E-Mails, aber noch ist nichts da." Aus den vergangenen Monaten seien es die Lehrkräfte aber schon gewohnt, die offiziellen Informationen erst nach den Medien zu bekommen. "Ich hoffe nur, dass es nicht wieder so wird, dass wir es erst am Freitag wissen, wenn die Schule am Montag zusperrt." Diese Unsicherheit sei bisher das Schlimmste an der Pandemiebekämpfung gewesen. "Wir sind nie zur Ruhe gekommen."

Lisa Fuchs will sich erst später impfen lassen.
Foto: Privat

Dass wieder regelmäßig getestet werden soll, begrüßt Fuchs. "Wie die PCR-Tests ablaufen sollen, ist mir noch nicht klar. Aber bei den Antigentests hatten wir schon viel Routine. Das war für niemanden ein Problem, weder für die Schüler noch für die Lehrer." Die Mittelschullehrerin hat sich selbst nicht gegen das Covid impfen lassen. "Ich warte auf einen regulären Impfstoff ohne Notzulassung", sagt sie. Von einer Impfpflicht für Pädagoginnen und Pädagogen hält sie deshalb nichts. "Jeder soll selbst darüber entscheiden können. Man kann sich ja impfen lassen, wenn man sich schützen will." Dass das für Kinder unter zwölf Jahren nicht gilt, räumt sie ein. Die Entscheidung über eine Impfung müsse trotzdem jede Lehrkraft persönlich treffen dürfen.

Schulwart Michael Witasek: "Ich glaub gar nix mehr"

Michael Witasek hat mittlerweile einiges an Erfahrung. Sowieso (28 Dienstjahre), aber auch im Speziellen mit Corona. Im Mai 2020 hat ihn DER STANDARD vor der großen Wiedereröffnung der Schulen an der Volks- und Mittelschule Wien Schöpfwerk besucht. Ob das kommende Semester für ihn als Schulwart ähnlich aufwendig werden könnte – samt Abstandsmarkierungen und straffem Putzplan?

"Ich glaub gar nix mehr", formuliert es der 52-Jährige pragmatisch. Eine neue Aufgabe steht gleich für den ersten Schultag ins Haus: "Wir machen eine eigene kleine Teststraße für die Erstklässler." Vier Stationen baut Herr Witasek in der Schulgarderobe auf – auf diese Weise können auch die Eltern beim ersten "Nasebohren" des Nachwuchses dabei sein. Getestet werden nur die Kleinen. Die Erwachsenen müssen sich den 3G-Nachweis zur Begleitung in die Klasse vorab besorgen.

Michael Witasek ist auf alles vorbereitet.
Foto: Karin Riss

Mit dem weiteren Testprozedere möchte der Schulwart dann möglichst wenig zu tun haben. Überhaupt übt er sich in Zurückhaltung. Ja, wenn ein Kind ohne Mund-Nasen-Schutz herumläuft, dann werde er es freundlich darauf ansprechen ("Heast, wo is dei Masken?"), aber seit Pandemiebeginn hält Witasek lieber etwas mehr Abstand. Immerhin ist die Schule nicht nur sein Arbeitsplatz, sondern auch sein Wohnort. Witasek, selbstverständlich geimpft, will auch aufgrund dieser besonderen Situation nichts riskieren: "Wenn ich krank werd, dann sperr ich die ganze Schule", lacht er.

Studentin Anna Gohm: Zurück zur Diskussion in den Hörsaal

Den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen und an Videokonferenzen mit Studierenden teilnehmen, die alle ihre Kamera ausgeschaltet haben. Müsste Anna Gohm sich vorstellen, wie ihr schlimmstes Uni-Semester aussehen würde, wäre es das. "Und niemand gibt eine Rückmeldung zu dem, was der Professor gerade sagt." Gohm studiert seit sechs Semestern Soziologie an der Universität Wien und seit vier Semestern Volkswirtschaft an der WU.

Anna Gohm freut sich auf den Uni-Betrieb.
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Die letzten eineinhalb Jahre hat sie hauptsächlich in ihrer WG studierend verbracht. "Ich hoffe, dass das jetzt vorbei ist", sagt sie. "Ich höre von den Lehrenden immer wieder, dass wir das Beste aus der Situation machen, das Studium in dieser Form aber nicht optimal ist." Sie wünscht sich die Diskussionen und den Austausch mit anderen im Hörsaal zurück. "Gerade die Universität ist ja ein Ort, an den eigentlich jeder hinkommen können sollte, um sich Wissen anzueignen." Durch Corona sei das unmöglich geworden.

Ob ihr Wunsch in Erfüllung gehen wird? Die meisten Unis wollen die 3G-Regel anwenden und wieder für den regulären Betrieb aufsperren. Manche von Gohms Kursen und Seminaren sollen hybrid – also ein Teil wird zu Hause und ein Teil vor Ort und teilweise ganz im Hörsaal – stattfinden. "Aber der Großteil wird wieder online angeboten", erzählt sie. (Lisa Kogelnik, Karin Riss, 3.9.2021)