Harter Kerl voller Widersprüche: Benedict Cumberbatch in "The Power of the Dog".

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Nach Pedro Almodóvars Madres Paralelas hat das Filmfestival Venedig am Tag zwei gleich ein weiteres Herbst-Highlight am Start. Jane Campion hat mit The Power of the Dog ihren ersten Spielfilm seit zwölf Jahren mit Netflix realisiert – mit dem größten Budget, das ihr je zur Verfügung stand, wie sie auf der Pressekonferenz anmerkte.

"Ich finde, die Mädels machen sich richtig gut", so Campion ebendort über die jüngsten Erfolge von Chloé Zhao und Julia Ducournau, die dieses Jahr zu ihr als lange Zeit einziger Cannes-Siegerin aufgeschlossen hat. Mit The Power of the Dog, der Verfilmung des wiederentdeckten Romans des US-Autors Thomas Savage, hat sich die neuseeländische Regisseurin nun nur dem Anschein nach in eine Männerdomäne begeben. Das euphorisch aufgenommene Drama um zwei Brüder, die im Montana der 1920er-Jahre eine Farm betreiben, arbeitet nuanciert gegen die Westernmythologie an, indem es männliche Archetypen wie den harten Kerl aus dem Sattel hebt, auf zwei zitternde Beine.

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In The Power of the Dog sind Gesellschaftsmodelle noch ungefestigt und die Rollenmuster nur auf den ersten Blick bereits voll herausgebildet. Mit ihrem besonderen Sinn für haptische Bilder (kunstvoll phrasiert von der beunruhigenden Musik Jonny Greenwoods) konfrontiert Campion Zivilisation und Wildnis, Verletzlichkeit und Gewalt.

Benedict Cumberbatch liefert als der ungehobelte und doch zerrüttete Cowboy Phil eine Leistung, die man sich noch lange merken wird. Ganz der Gegensatz dazu ist George (Jesse Plemons), sein introvertierter, sprechfauler Bruder, der Phils Missfallen erregt, als er die Witwe Rose (Kirsten Dunst) heiratet und mit auf die Ranch bringt. Anstatt Konflikte auszubuchstabieren, hält Campion die Glut ihres Dramas meisterhaft am Glosen. Der über die Bande ausgetragene Konflikt zwischen Rose und Phil ist dann auch einer, der von missverstandenen Geschlechterbildern erzählt, von Ängsten und falschen Ausflüchten – einer Schwäche, die mörderische Folgen hat. (Dominik Kamalzadeh, 2.9.2021)