Der neue OMV-Chef Alfred Stern will seine neue Strategie für die künftige Ausrichtung des Unternehmens im ersten Quartal 2022 präsentieren. Es geht in Richtung Kreislaufwirtschaft.

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Österreichs größtes Industrieunternehmen OMV stehe trotz eines Rekordergebnisses im ersten Halbjahr 2021 "wahrscheinlich vor dem größten Wandel in der Unternehmensgeschichte". Der Treiber, der das erzwinge, sei der Klimawandel, sagte Alfred Stern, der Anfang September Rainer Seele an der Spitze des Öl-, Gas- und Chemiekonzerns abgelöst hat, bei seinem ersten öffentlichen Auftritt Donnerstagabend.

Was einzelne Schritte der bevorstehenden Transformation betrifft, blieb der 56-jährige gebürtige Steirer unter Verweis auf die noch abzustimmende neue Strategie des Unternehmens vage. Ende des Jahres soll sie dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt und im ersten Quartal 2022 dann vorgestellt werden. Die grobe Richtung zeichnet sich dennoch ab: Statt Öl und Gas, die viele Jahre die Kassen des Konzerns klingeln ließen, soll die OMV künftig verstärkt mit der Rückgewinnung und dem Wiederverwerten von Kunststoffkomponenten Geld verdienen.

Finanzstärke hilfreich im Transformationsprozess

Die unter seinem Vorgänger getroffene Entscheidung, Borealis zu kaufen, sei richtig gewesen, sagte Stern, der selbst bis zu seinem Wechsel in die Vorstandsetage der OMV im heurigen Frühjahr gut drei Jahre lang an der Spitze der Kunststofftochter gestanden hat. Das Rekordergebnis, das im ersten Halbjahr 2021 erzielt wurde und das etwa zur Hälfte auf den Bereich Chemie und Materialien zurückzuführen war, sei der beste Beweis dafür. Dass Seele den Konzern zu finanzieller Höchstleistung angespornt habe, sei beim notwendigen teuren Umbau hilfreich. Dafür sei Seele zu danken, sagte Stern. Wenn man aber den Fokus starr auf Chemie lasse und keine weitere Veränderung vornehme, bekomme man den CO2-Fußabdruck nicht rasch kleiner. Genau das aber strebe man mit der neuen Strategie für die OMV an.

"Ich bin überzeugt davon, dass in zehn Jahren kein Öl- und Gasunternehmen so aussehen wird, wie es heute aussieht", sagte Stern. Während manche Konkurrenten aus der Öl- und Gasbranche wie Shell oder BP viel Geld in Windparks oder Solaranlagen investieren, um sich in die nachfossile Zeit zu retten, will die OMV einen anderen Weg gehen. "Wir wissen, dass es kein Öl- und Gasunternehmen auf der Welt mit einem so hohen Anteil an Chemie und Materialien im Portfolio gibt wie OMV. Diesen Umstand wollen wir als Chance für die Transformation nutzen", sagte Stern.

Suche nach Lösungen

Gesucht wird nach Lösungen, mit denen, salopp gesagt, das in Umlauf gesetzte Plastik wirtschaftlicher als bisher recycelt oder ganz zurück in einen Kreislauf gebracht werden kann. So wird unter anderem am Raffineriestandort der OMV in Schwechat seit längerem schon an der Herstellung von synthetischem Öl gearbeitet, das mittels eines neuartigen Raffinerieprozesses aus Kunststoffabfällen gewonnen wird. Künftige Investitionen sollen deshalb folgerichtig in Forschung und Entwicklung, aber auch in Kapazitätserweiterungen gehen. Früheren Angaben zufolge kommt Borealis auf eine Recyclingkapazität von rund 100.000 Tonnen, die gesamte Produktionskapazität an Kunststoffen liegt aber bei etwa 3,8 Millionen Tonnen.

Ihm sei auch viel an Teamarbeit gelegen, wie Stern sagte. Eine Lernkultur, für die er sorgen wolle, gepaart mit einem hohen Maß an gegenseitigem Vertrauen, soll den Transformationsprozess, der sicher steinig und mühsam sei, beschleunigen. Inwieweit künftig alle in der OMV den Umbau unterstützen, muss sich freilich erst weisen. Die Schlussphase von Sterns Vorgänger in der OMV, Rainer Seele, war ob der unter ihm erfolgten Weichenstellung zu mehr Chemie im Konzern alles andere als geräuschlos. Insbesondere aus der Öl- und Gasfraktion gab es und gibt es wohl immer noch Widerstand gegen den eingeschlagenen Kurs, wohl aus Furcht vor einem drohenden Machtverlust. (Günther Strobl, 3.9.2021)