Christian Fennesz ist einer der heimischen Vertreter bei Wien Modern.

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Klopfen, Kratzen, Rascheln, Bumpern; dazwischen Vogelgezwitscher, helles Gequitsche, Autolärm sowie gesprochene, einander überlagernde Worte auf Deutsch und Englisch. Bei der diesjährigen Pressekonferenz von Wien Modern lässt Bernhard Günther zum Auftakt die Musik sprechen. Auf der Bühne im Mozart-Saal des Konzerthauses stehen die zusammengebauten Reste eines Klaviers, die Judith Unterpertinger aka JUUN präpariert hat und mit diversen Gegenständen bespielt.

An ihrer Seite liefert Lale Rodgarkia-Dara elektroakustische Klänge aus dem Computer. Under the given circumstances heißt die Performance des Duos. Die beiden Frauen sind neben weiteren 14 Komponistinnen auf dem neuen Album des Wiener Labels Fraufeld vertreten, das am 27. November ebenhier präsentiert wird. "Mach doch einfach was du willst" heißt die mittlerweile 34. Ausgabe von Wien Modern. Dabei sind von 30. Oktober bis 30. November 120 Veranstaltungen in elf Bezirken und 38 Spielorten zu sehen, darunter alleine 80 Uraufführungen.

Stolze Zahl

"Eine stolze Zahl und ein starkes Lebenszeichen dieser Kunstform", freut sich Festivalleiter Bernhard Günter. Das liege nicht zuletzt an der der Wiener Stadtregierung, den Trend zur Kürzung der Subventionen umzukehren, sagt Günther. So wurde vonseiten der Stadt die Subvention von 700.000 Euro auf 1 Million Euro erhöht. Und auch vom Bund gebe eine informelle Zusage, die bisherige Subvention von 150.000 Euro auf 200.000 Euro anzuheben.

Neben großen Orchesterpremieren – darunter Chaya Czernowins Lamento Atara über den menschlichen Irrglauben, alles kontrollieren zu können –, und kleinen experimentellen Formaten, ist Altmeister Friedrich Cerha ebenso vertreten (das RSO Wien und Ingo Metzmacher bringen dessen monumentale Spiegel), wie 20 junge Komponisten der Musik und Kunst Privatuniversität sowie der Universität für angewandte Kunst.

100. Geburtstag

Sie haben zum 100. Geburtstag von Anestis Logothetis fünf Musiktheaterminiaturen nach Partituren des Pioniers der grafischen Notation erarbeitet. Georg Baselitz, der nicht nur Maler ist, sondern auch ein glühender Fan zeitgenössischer Musik, co-kuratiert ein viertägiges Minifestival zwischen 22. und 25. November.

Im Mittelpunkt stehen zeitgenössische Quartette sowie Uraufführungen von Olga Neuwirth und Elisabeth Harnik auf Texte Baselitz’. "Comprovise" heißt das zweite Festival im Festival, bei dem zwischen 26. und 28. November die nationale und internationale Improvisationsszene versammelt. Nach den pandemiebedingten Absagen im vorigen Jahr gibt es heuer einiges zum Nachholen, darunter die vierstündige Installationsperformance ceremony II von Georg Friedrich Haas im Kunsthistorischen Museum (28.11).

Elektronikpionier Fennesz lässt Menschen mit Kopfhörern und einem virtuellen 3-D-Sound durch das Foyer des Konzerthauses streifen (1.,3.11) und Volkmar Klien empfängt das Publikum zu seiner Papier-Installation Im Sattel der Zeit im Mumok (11.-13.11). Im Rahmen von Instrument Modern öffnet die Wiener Szene des experimentellen Musikinstrumentenbaus eine Woche lang ihre Türen.

Opernuraufführung

Zum ersten Mal überhaupt findet bei Wien Modern in diesem Jahr eine große Opernuraufführung statt: Poppea von Michael Hersch (Musik) und Stephanie Fleischmann (Libretto) in einer Inszenierung von Markus Bothe. Anders als bei Monteverdi gibt es hier nicht einmal ein vermeintliches Happy End, so Günther. "Rom brennt, und am Ende sind alle tot" (5.-7.11.).

Nach 40 Jahren Bühnenarbeit verabschiedet sich das Theaterkollektiv Netzzeit u.a. mit Elisabeth Schimanas Cyberpunkoper Fugen in den Soho Studios im Sandleitenhof in Ottakring u.a. (6., 11.11). Der diesjährige Erste Bank Kompositionspreis geht an den Kärntner Christof Ressi, der sein Stück am 24. November präsentiert.Eröffnet wird der Spielreigen am 20. Oktober wie gewohnt mit dem RSO Wien und Chefdirigentin Marin Alsop. Neben Thomas Wallys Utopia I ist Christian Ofenbauers Satyrspiel zu sehen, eine Oper mit Visuals statt mit Text und Gesang.

Sicherheitsregeln

Das Abschlusskonzert gehört Beat Furrer. Nachdem das Quatuor Diotima sämtliche Streichquartette Furrers aufgeführt hat, debütiert der Komponist am 30. November am Pult der Wiener Symphoniker mit Solist Ilya Gringolts, der dessen Konzert für Violine und Orchester spielen wird.

Um etwaigen neuen Sicherheitsregeln zuvor zu kommen, wurden für die kommenden Ausgabe des Festivals bewusst größere Säle ausgewählt, sagt Bernhard Günther. "Selbst wenn wieder Abstandsregeln kommen, sind wir so gut vorbereitet, wie menschenmöglich". Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) nutzte die Pressekonferenz um die Bedeutung von Kunst und Kultur gerade in prekären Zeiten zu unterstreichen. "Sie sind für unsere Zivilgesellschaft überlebensnotwendig". (red)