Screenshot: Psychonauts 2
Screenshot: Psychonauts 2
Screenshot: Psychonauts 2
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Screenshot: Psychonauts 2

Eine Geschichte wie jene von Psychonauts ist im Bereich der Videospiele selten. Der 2005 erschienene Plattformer entsandte den junge Razputin "Raz" Aquatos auf ein Abenteuer, mit dem Ziel, sich der namensgebenden Elitetruppe telepathisch begabter Agenten anzuschließen. Der wilde Trip durch die Gehirne verschiedener skurriler Charaktere, deren psychische Dilemmas es zu lösen galt, war trotz guter Kritiken und vielen Auszeichnung jedoch kommerziell zunächst ein Flop.

Gerade um die 100.000 Kopien sollen damals verkauft worden sein. Die verlustreiche Produktion bewog den damaligen Publisher Majesco, dem Videospielgeschäft den Rücken zu kehren. Für die allermeisten Spiele, die so deutlich floppen, wäre ein Nachfolger eigentlich undenkbar. Hier kam es aber zu einem Happy End. Erst in den Jahren nach dem Release scharten sich immer mehr und mehr Fans um das Game. 2011 holte sich das Studio Double Fine die Rechte an seinem Werk zurück. Nach Rereleases, auch für bisher nicht bespielte Plattformen, steht das Game laut Studiochef Tim Schafer bei mittlerweile 1,7 Millionen Verkäufen.

Schon seit einiger Zeit wünschten sich die Anhänger der bunten Telepathen-Truppe einen Nachfolger, der 2015 schließlich angekündigt wurde. Vor kurzem ist Psychonauts 2 nun erschienen. DER STANDARD hat sich auf Raz’ neues Abenteuer eingelassen.

Xbox

Praktikantenleben

Die Handlung schließt direkt an den ersten Teil an. Das Spiel erzählt die Handlung des ersten Teils in Kurzform, sodass auch Gamer, die den Vorgänger nicht gespielt haben – wie der Autor dieses Textes – einen groben Überblick bekommen. Die erste Mission dreht sich um die Rückholung des entführten Psychonauts-Chefs Truman Zanotto, während der man auch Bösewicht Loboto gefangen nimmt, der sich letztlich nur als Rädchen in der Maschinerie einer viel größeren Bedrohung in Form des Comebacks einer alten Bekannten, entpuppt.

Das erste Abenteuer wird auch genutzt, um die Grundlagen der Steuerung zu vermitteln und den Spieler mit der Nutzung seiner psychischen Spezialkräfte vertraut zu machen. Das Arsenal dieser wächst freilich im weiteren Verlauf weiter an und reicht von "Psi-Blasts" (psychoenergetische Schüsse) über Levitation bis hin zur Erschaffung eines "Aspekts" des eigenen Ichs, das als papierner Sidekick Gegner ablenken oder bei der Lösung von Rätseln behilflich sein kann. Mit neueren Kräften lassen sich auch bisher nicht zugängliche Areale in der Hauptwelt und in schon erforschten Gehirnen erkunden.

Der erfolgreiche Abschluss der Mission bringt dem jungen Helden die Aufnahme ins Praktikanten-Programm der Psychonauts und setzt den Rahmen für die weitere Handlung. Neben dieser gibt es auch zahlreiche Nebenquests und die Reihenfolge mancher Aufgaben der Hauptgeschichte können in beliebiger Reihenfolge in Angriff genommen werden. Psychonauts 2 als Open-World-Game zu bezeichnen wäre angesichts der letztlich doch recht eingeschränkten Handlungsfreiheit vermessen, vergleichbar ist das Konzept der "Basiswelt", von der man aus alle anderen Levels erreicht, am ehesten mit Titeln a la Super Mario 64.

DoubleFineProd

Das ist auch nicht der einzige Vergleich zum Nintendo-Klassiker, der sich anbietet. Auch dieses Spiel fordert Geschick und Hirnschmalz in abwechslungsreichen Welten. Wobei "abwechslungsreich" hier wohl ein zu schwacher Begriff ist. Die geistigen Innenwelten, die man erforscht, reichen über Bakterienwelten im Stile der New Yorker 1920er-Jahre, knallbunt-psychedelische Hippiewelten bis hin zu Umgebungen, die atmosphärisch bereits ein wenig an die Albträume von Max Payne erinnern. Die Umgebungen sind zwar linear gestaltet, bieten aber immer wieder versteckte Abschnitte an, über die man meist Level-ups findet.

Ein Kunstwerk rund um ernste Themen

Psychonauts 2 tut dies aber nicht nur als Mittel zum Zweck. Im Rahmen der Handlung erfährt Raz auch mehr über die Vergangenheit seiner eigenen Familie, die einen Wanderzirkus betreibt und dereinst aus dem kriegszerrütteten Land Grulovia floh. In den Köpfen der verschiedenen Figuren hingegen erforscht man oft deren Traumata und ihren Umgang mit einschneidenden Ereignissen. Das Game thematisiert dabei ernsthafte Dinge wie Versagensängste, Spielsucht oder den Umgang mit Verlust. Dabei vermittelt es die wichtige Botschaft, Hilfe anzunehmen, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß und leistet damit auch einen kleinen Beitrag zur Enttabuisierung psychischer Probleme und Krankheiten.

Dabei brilliert das Game mehr mit seiner kreativen und technisch soliden Umsetzung, denn mit spielerischer Innovation. Man nutzt ein Set an austauschbaren Psi-Kräften, um Aufgaben zu bewältigen. Durch das Einsammeln verschiedener Gegenstände oder das Anbringen von Gepäckanhängern an "emotionalem Ballast" steigt man im Level auf und erhält Punkte, um die eigenen Fähigkeiten zu verstärken. Mit dem aufsammelbaren Psitanium können außerdem auch Pins für weitere Zusatzaspekte der telepathischen Fertigkeiten und andere Upgrades erworben werden.

Manche Abschnitte machen Abstecher vom üblichen Plattformer-Gameplay und versetzen den Spieler etwa in kurze 2D-Jump-and-Run-Sequenzen oder in die bizarre Adaption einer Koch-Gameshow. Dazu gesellen sich Bosskämpfe, in denen es zuerst herauszufinden gilt, wie man dem Widersacher am besten beikommt, während man dessen Schergen bekämpft und seinen Angriffen ausweicht. Benötigt man zu lange, gibt das Spiel in der Regel aber recht eindeutige Hinweise.

Gnädig und stets unterhaltsam

Auch wenn manche Levelteile in Psychonauts 2 durchaus herausfordernd sind, ist das Spiel insgesamt recht gnädig. Weil der Lebensbalken durch das Auffinden von Gehirnhälften ebenfalls stetig wächst, kommt es eher selten vor, dass man einen Abschnitt von vorne beginnen muss. Die größte Gefahr in dem Spiel ist ohnehin das Abstürzen, für das man aber nur etwas Lebensenergie verliert und an die letzte sichere Position zurückversetzt wird.

Leerlauf gibt es in dem Game nur selten, auch weil die Entwickler es vermeiden, den Spieler unnötig lange Strecken laufen zu lassen. Durch die Hauptwelt erstreckt sich dafür ein Rohrsystem für Schnellreisen. Neue Zielorte werden automatisch hinzugefügt, sobald man diese das erste Mal betreten hat.

Fazit

Psychonauts 2 ist ein spielerisch zwar nicht großartig innovativer, aber sehr gut umgesetzter 3D-Plattformer. Seine Stärken liegen klar in der audiovisuellen Umsetzung, den abwechslungsreichen Levels und den skurrilen Charakteren, deren Innenleben man erforscht. Dabei werden, eingewebt in die Handlung auch unaufdringlich und auf intelligente Weise ernste Themen behandelt und wichtige Botschaften vermittelt.

In anderen Rezensionen wird das Game als würdiger Nachfolger des ersten Teils bezeichnet. Aber auch für Spieler, die das Original aus 2005 nie gespielt haben, hat das Game extrem viel zu bieten. Und es macht auch viel Lust darauf, die "Bildungslücke" nachträglich zu füllen. (Georg Pichler, 3.9.2021)