Mit dem Remake "Spongebob Squarepants" feierte man bei THQ Nordic zuletzt einen großen Erfolg. Entwickelt wurde das Spiel vom heimischen Studio Purple Lamp.

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8.000 Mitarbeiter und 60 Entwicklerstudios gehören mittlerweile zur schwedischen Embracer Group, Tendenz wachsend. Eines der aktivsten Tochterunternehmen sitzt in Wien, THQ Nordic. Rund 900 Mitarbeiter und 57 aktuelle Entwicklungen werden von Wien aus koordiniert. Die Leitung hat Klemens Kreuzer über, der in diesem Jahr mit seiner Belegschaft das zehnjährige Jubiläum feiert. Ein steiniger, aber sehr erfolgreicher Weg, wie er im Interview mit dem STANDARD erzählt.

STANDARD: Wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Jowood-Mitarbeitern und der schwedischen Embracer Group?

Kreuzer: Eine Woche nach der Insolvenz von Jowood hat uns ein gewisser Lars angerufen, der an alten Software-Beständen und den Spiele-Marken Interesse hatte. Lars war bis dahin Overstocks-Trader, und Jowood schien ihm ein guter Fang. Er wusste damals schon, dass der physikalische Markt nachgeben und alles in Richtung digitalem Gut gehen würde.

Entwickelt wird in Wien nicht, dafür koordinieren Produzenten von hier aus Teams in anderen Ländern.
Foto: Lea Titz

STANDARD: Das heißt, Gaming war eigentlich nicht seine Kernkompetenz?

Kreuzer: Gaming war ihm zumindest nicht fremd. Er hat mit 14 Jahren Comichefte und Videospiele auf dem Schulhof verkauft. Danach hat er eines der größten Mail-Order-Businesses in Skandinavien aufgebaut, das heißt, in den Comicheften damals waren Listen von Videospielen und Comics, die du ankreuzen und bestellen konntest. Damit war er sehr erfolgreich. Dann kam, wie damals üblich, der Verkauf an eine Dot-Com-Firma, die aber schnell pleite ging. Er hat dann einfach mit anderen Dingen gehandelt und war damit weiterhin erfolgreich.

Zu Jowood kam er, weil er die Marken Gothic und Spellforce kannte. Durch die Insolvenz waren die Marken via Auktion zu haben, und Lars erwarb hier den Großteil. Das war im Mai 2011. Dann stellte er sich erst die Frage, was er mit den Lizenzen jetzt eigentlich machen sollte. Spiele sind eine komplexe Materie, also warum nicht ein kleines Team von Leuten, die das bisher auch gemacht haben, für den Grundstein seines neuen Business mit übernehmen? So wurde Nordic Games in Wien mit sieben Mitarbeitern gegründet. Das ist jetzt genau zehn Jahre her. Seit August 2011 sitzen wir in diesem Gebäude, nur damals halt noch in einem kleineren Büro.

STANDARD: Eine gute Adresse, so mitten in der Stadt.

Kreuzer: Nein, war es gar nicht. Es war eine Baustelle. Das Haus war jahrelang in eine Plastikfolie eingehüllt, weil die Fassade renoviert wurde, und der ganze Platz wurde umgebaut. Dann wurde daneben auch noch das alte Gebäude neben uns abgerissen und das neue hingebaut, wo ja jetzt auch DER STANDARD sein Büro hat. Vier Jahre Baustelle waren prägend. Es gab auch kein gutes Internet, deshalb haben wir mit mobilen Hotspots gearbeitet und so unsere Newsletter verschickt. Der Server hing an einem B-Free-Simkarten-Modem, das wirklich heiß wurde. Heute haben wir Glasfaser.

STANDARD: Und daraus entstand dann welche Idee? Spiele zu entwickeln oder nur zu publishen?

Kreuzer: Es war nie die Idee, eigene Entwicklungsstudios zu haben. Distribution war der Fokus und damit die Verwaltung der alten Spielmarken. Das hat sich dann geändert, als der damals doch große Spielepublisher THQ Insolvenz angemeldet hat und die Embracer Group auch diese Marken übernommen hat. Das war Ende 2012, Anfang 2013.

STANDARD: Was hat sich verändert?

Kreuzer: Wenn wir als Nordic Games damals bei GameStop in den USA angerufen haben, dann haben uns die nicht einmal ignoriert. Unser Umsatz in den USA waren damals 78.000 Euro und das vor allem durch Amazon. Auf einmal waren wir THQ Nordic und hatten Marken wie Darksiders. Das hat eigentlich alles verändert, weil die Amerikaner unsere Marken auf einmal kannten.

STANDARD: Wie wurde dann entschieden, welche Studios gute Ergänzungen für das Unternehmen sein würden?

Kreuzer: Wir haben seit der Umbenennung tatsächlich von Wien aus 45 Akquisitionen gemacht. Dazu gehören etwa das finnische Studio Bugbear ("Wreckfest"), Black Forest Games ("Giana Sisters", "Destory all Humans") in Deutschland und "Purple Lamp" ("Spongebob Squarepants Rehydrated") in Wien.

Die Embracer Group hat sich da meist überhaupt nicht eingemischt. Natürlich gibt es gemeinsame Listen mit Ideen, was Sinn machen würde und welche Marken interessant sind, aber am Ende des Tages haben das immer wir entschieden. Lars weiß genau, dass die Verantwortlichen vor Ort besser Bescheid wissen, was gut für die Firma ist. Den Segen von Lars muss man sich natürlich trotzdem holen.

Im Office in Wien arbeiten knapp über 50 Leute.
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STANDARD: Wie oft kommen Vorschläge von oben, und wie geht man damit um?

Kreuzer: Immer wieder bekommen wir Ideen präsentiert. Etwa ein Mobile Game zu machen oder uns eine bestimmte Marke anzuschauen. Aber das Geheimnis des Erfolgs ist dann doch, im richtigen Moment "Nein" zu sagen. Die Früchte in Nachbars Garten sehen immer gut aus, aber Trends nachzulaufen, obwohl du gar nicht die richtigen Mittel dazu hast, ist für uns der falsche Weg. Mobile Games etwa funktionieren ganz anders als klassische PC- oder Konsolenspiele. Das Shopping-Window für Mobile Games ist auch so winzig klein. Wenn du da nicht ganz oben bist, sieht und kauft dich kein Mensch.

STANDARD: Die Akquise von Koch Media in Deutschland war auch ein großer Deal vor ein paar Jahren. Wie steht Koch zu euch?

Kreuzer: Wir sind einer der sogenannten Verticals in der Embracer Group. Koch in Deutschland verwaltet sich selbst, mit all ihren Studios und wir sind quasi auf derselben Ebene und verwalten unsere Studios. Man spricht miteinander, hilft sich auch mit Kontakten. Manchmal sieht man einen möglichen Deal, weiß aber, dass es für einen selber nicht passt, aber vielleicht für die Kollegen.

STANDARD: Wenn man sich das Portfolio der Embracer Group und auch von THQ Nordic ansieht, will man offenbar nicht mit den ganz großen Produktionen konkurrieren, sondern sich eigene Nischen suchen. Was ist der Hintergrund für diese Strategie? Geld scheint ja ausreichend da zu sein.

Kreuzer: Bei den ganz teuren Spielen hast du genau eine Chance. Wenn der Start nicht glückt, versenkst du Millionen. Die großen Blockbuster in der Branche kosten 40 Millionen Dollar aufwärts. Da brauchst du zumindest eine Million verkaufte Stück pro Plattform, damit du zumindest nicht im Minus bist. Marketingkosten kommen ja auch noch dazu, und wenn du physisch produzierst, kostet dich jedes Spiel nochmal elf Euro mehr.

Wir haben hier lokal gar nicht das Kapital, solche Titel zu produzieren, und unsere Historie mit wirtschaftlich turbulenten Zeiten hat uns vieles gelehrt. Deshalb setzen wir auf unsere Portfolio-Theorie, das heißt, mehrere Eier gleichzeitig im Korb zu haben. Eine hohe Rendite über einen langen Zeitraum erwirtschaften, so arbeiten wir hier. One-Hit-Wonder sind beeindruckend und machen gute Schlagzeilen, aber es ist selten zu reproduzieren. Da haben wir einfach einen anderen Ansatz im Unternehmen.

Aber es passt gut so, dass die großen Studios wie Electronic Arts primär ihre Blockbuster machen, so bleiben zahlreiche Nischen übrig, die man besetzen kann. "Valheim" war zuletzt ein gutes Beispiel. Das hätte ein großer Publisher vielleicht nie in dieser Form gebracht, aus Angst, dass es nicht funktioniert.

Klemens Kreuzer leitet seit zehn Jahren die Niederlassung, ganz einfach war der Weg nicht.
Foto: THQ

STANDARD: Das heißt, in eurem Umfeld ist man eigentlich flexibler für den sich verändernden Markt?

Kreuzer: Ja, und es ist auch für die Entwickler meist spannender. In einem 400 Mann großen Team machst du als Einzelperson einen Baum oder einen Felsen, bei den kleineren Studios hast du die Chance, Ideen einzubringen und einfach mehr zu gestalten. Das Feedback bekommen wir zumindest von unseren Entwicklern. Wir kümmern uns in Wien auch um alle bürokratischen Dinge, damit die Entwickler sich rein auf das Machen von Spielen konzentrieren können.

STANDARD: Ihr arbeitet viel mit Entwicklern zusammen, die nicht in Wien oder Österreich sitzen. Wie stark wurdet ihr von der Pandemie getroffen? Gab es Verzögerungen in der Produktion, wie das offenbar in der Branche gerade verstärkt bemerkbar ist?

Kreuzer: Wir haben da echt Glück gehabt. Im März 2020 hatten wir wirklich Bauchschmerzen, ob das gut gehen würde, aber irgendwie waren alle Studios nach einer Woche wieder einsatzbereit. Klar, zunächst musste man sich noch sortieren, Datenverbindungen einrichten, aber zum Beispiel die Meeting-Kultur hat sich sogar verbessert. Wir sind deshalb bei allen Projekten im Plan.

Bei den großen Teams in der Branche versteh ich schon, dass es da etwas komplizierter ist, weil das allein logistisch schon weit komplexer ist. Wenn du dann auch noch an einem Titel für die neuen Konsolen entwickelt hast und siehst, dass nicht richtig nachproduziert werden kann, dann löst das wohl auch interne Probleme aus, wann man denn jetzt eigentlich veröffentlichen soll.

THQ Nordic

STANDARD: Wenn wir gerade von großen Teams sprechen. Google und Amazon haben große Schwierigkeiten, in den Gaming-Markt einzusteigen. Woran kann das liegen? Falsche Vorstellungen? Was ist das Schwierige am Gaming-Markt, was die großen Tech-Konzerne offenbar übersehen?

Kreuzer: Das liegt wohl an vielen Faktoren. Vielleicht hast du nicht die richtigen Leute mit der nötigen Passion, um im Konzern laut genug für das Produkt zu werben. Vielleicht liegt es aber auch an den Strukturen, die so ein großer Konzern mit sich bringt. Ein gutes Beispiel ist sicher Gaikai. Mit diesem Service haben wir bereits vor zwölf Jahren "World of Warcraft" und "Doom" am Tablet gespielt. Schon damals wurden die Spiele gestreamt.

Als Sony die Firma Gaikai kaufte dachten alle, mit jedem neuen TV-Gerät von Sony würde ein Playstation-Controller mitgeliefert werden und man könnte dann ohne Konsole einfach Spiele über das TV-Gerät spielen. Offenbar sind die Leute dann aber in die falsche Abteilung gesetzt worden, wo man wenig offen für neue Distributionswege war, weil man vielleicht weiterhin Disks verkaufen wollte. So wurde ein großer technologischer Vorteil nicht wirklich genutzt.

Ähnliches gilt sicher für viele Autohersteller, bei denen sicher schon einzelne Personen vor vielen Jahren gesagt haben, lasst uns doch E-Autos bauen. Dann sind wahrscheinlich die Leute aus der Sportwagenabteilung gekommen und haben gesagt: Du spinnst ja. Innovative Geschichten in etablierten Konzernen durchzusetzen, dafür müssen schon viele Puzzleteile zusammenfallen.

STANDARD: Wie feiert THQ Nordic sein zehnjähriges Bestehen?

Kreuzer: Wir streamen am 17. September einen digitalen Showcase. Moderiert wird dieser von Geoff Keighley, und wir werden sechs neue Spiele vorstellen. Ich glaube, das wird den Leuten gefallen.

(Alexander Amon, 5.9.2021)