Der Chirurg und der Anästhesist mussten am Freitag erneut vor Gericht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen grob fahrlässige Tötung des Kleinkinds vor.

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Im Prozess gegen zwei Ärzte im "Fall David" sind die beiden Angeklagten am Freitag am Landesgericht Salzburg wegen grob fahrlässiger Tötung nicht rechtskräftig zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Der Kinderchirurg erhielt acht Monate und der Anästhesist 16 Monate bedingte Haft unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren. Eine Obergutachterin ortete eine Verkettung von "Fehlern und Nachlässigkeiten", die im April 2018 zum Tod des 17 Monaten alten David geführt habe.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil weder die Verteidiger noch der Staatsanwalt dazu eine Erklärung abgegeben haben. Den Eltern des verstorbenen Buben wurde ein Schmerzengeld von jeweils 1.000 Euro zusätzlich zu den bereits erfolgten Zahlungen zugesprochen. Strafrichterin Gabriele Glatz ging wie die Staatsanwaltschaft von dem Delikt der grob fahrlässigen Tötung aus, die Strafdrohung beträgt in diesem Fall bis zu drei Jahren Haft.

Der 17 Monate alte Bub verstarb im April 2018 nach einem Routineeingriff im Salzburger Landeskrankenhaus. Elf Tage zuvor wurde ein kleiner Eingriff vorgenommen, nachdem sich das Kleinkind einen Blutschwamm im Gesicht aufgekratzt hatte. Obwohl der Bub zwei Stunden zuvor Joghurt mit Früchten und Rote Rüben gegessen hatte, entschieden die Ärzte, ihn zu operieren. Das Kleinkind atmete Erbrochenes ein, das Gehirn war mit Sauerstoff unterversorgt.

Risiko hätte vermindert werden können

Es war das mittlerweile dritte ärztliche Gutachten, das in diesem schwierigen Prozess eingeholt wurde. Am Freitag wurde die deutsche Fachärztin für Anästhesie und Kinderanästhesie Karin Becke-Jakob zum "Fall David" befragt. Sie belastete die behandelnden Ärzte. Nicht ein einzelner, grob fahrlässiger Behandlungsfehler habe zum Tod des 17 Monaten alten David geführt, sondern eine Verkettung von "mehreren Fehlern und Nachlässigkeiten". Die Staatsanwaltschaft wirft dem 60-jährigen Kinderchirurgen und dem 48-jährigen Anästhesisten grob fahrlässige Tötung vor.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft sei die Operation zu früh durchgeführt worden. Der Chirurg habe zu kurze Zeit versucht, die Blutung mit konservativen Maßnahmen zu stillen, der Narkosearzt bei der Sedierung nicht abgewartet, bis das Kind nüchtern war. Die beiden angeklagten Ärzte verteidigten ihr Vorgehen vor Gericht und bekannten sich nicht schuldig. Die Narkose in Form einer Sedoanalgesie werde laufend bei Kindern durchgeführt, auch wenn sie nicht nüchtern seien.

Gutachterin Becke-Jakob erläuterte, es habe im Vorfeld der Operation eine schlechte Absprache zwischen Chirurg und Anästhesist gegeben. Es habe sich um keine Notoperation gehandelt. Die Aspiration, also das Einatmen von Erbrochenen, sei per se eine sehr seltene Komplikation. Doch da David zum Zeitpunkt des Eingriffs nicht nüchtern war, sei mit einem Aspirationsrisiko zu rechnen gewesen. "Durch eine zeitliche Verschiebung nach hinten hätte das Risiko vermindert werden können", betonte die Kinderanästhesistin.

Unzureichende Notfallbehandlung

Fehler sah sie auch in der Notfallbehandlung. Das verwendete Monitoring während des Eingriffs sei unvollständig gewesen, daher wurde später reagiert. Es brauche sowohl eine Überwachung des Puls und der Atemfrequenz als auch ein EKG und eine Blutdruckmessung. Doch der Anästhesist legte nur einen Pulsüberwachung an. Mit einem EKG hätte ein anbahnender Kreislaufstillstand früher erkannt und der Sauerstoffmangel frühzeitig behoben werden können.

Auch die Sofortmaßnahmen nach Eintritt der Komplikationen seien unzureichend gewesen. Dem kleinen Patienten wurde keine Sauerstoffmaske angelegt, es wurde nicht abgesaugt, und er wurde auch nicht von der Seitenlage auf den Rücken gedreht. Es ist unklar, ob Intubationsversuche erfolgt sind. Die zur Hilfe gerufene Ärztin sprach bei der letzten Verhandlung von einer Schockstarre, in der sich die Kollegen befunden hätten. "Der universelle Ablauf bei einem Sättigungsabfall ist unzureichend erfolgt", fasste die Gutachterin zusammen. Erst die herbeigerufene Ärztin habe die Notfallmaßnahmen "lege artis", also vorschriftsmäßig, gestartet und den Patienten intubiert.

Widersprüche im letzten Gutachten

Zuletzt wurde der Fall genau vor einem Jahr verhandelt. Richterin Gabriele Glatz vertagte die Verhandlung jedoch erneut, nachdem sie in der mündlichen Ausführung des anästhesistischen Gutachtens massive Widersprüche zum schriftlichen Gutachten gesehen hatte. Glatz hat deshalb ein weiteres Gutachten der deutschen Chefärztin eingeholt und schloss am Freitag an die vorhergehenden Prozesstage an. Die lange Verfahrensdauer setzt auch den beiden Eltern des verstorbenen Buben zu.

Im Juni 2019 wurden die beiden Ärzte suspendiert. In Absprache mit der Versicherung hat das Spital die Haftung anerkannt und die Eltern finanziell entschädigt. (Stefanie Ruep, APA, 3.9.2021)