21 Tage lang dauerte der Roadtrip von Standard-Redakteur Sebastian Fellner und Kameramann Harun Celik durch ganz Deutschland.

Collage: DerStandard

Bahnfahren kann eher ungemütlich werden.

Die Deutsche Bahn ist nicht ohne Grund zu ihrem schlechten Ruf gekommen: Die Infrastruktur hinkt hinterher, Garnituren fallen häufig aus, die Züge sind langsam unterwegs. Wenn dann noch – wie diesen August – Streiks anstehen, kann man sich auf den Bahnverkehr in Deutschland gar nicht mehr verlassen.

Es gibt Armut, aber auch Rezepte dagegen.

In großen Städten ist Armut weitverbreitet und konzentriert sich auf bestimmte Stadtviertel. Dort sind die Mietpreise niedrig, also kommen immer neue Menschen mit wenig Geld nach. Bremen hat mit dem umgebauten Stadtteil Tenever ein Vorzeigemodell, wie Armutsbekämpfung langsam gelingen kann.

Deutschland ist groß, wirklich groß.

Es klingt wie eine Binsenweisheit, und das ist es auch ein bisschen. Aber wer schon einmal die Entfernung zwischen Rügen und Leipzig auf der Karte geschätzt hat und dachte: "Ach, das geht schon an einem Vormittag!", muss lernen:

Die Entfernungen sind in Deutschland halt ganz andere als in Österreich.

Deutschlands Jugend ist politisiert.

Das Vorurteil von der desinteressierten Jugend trifft jedenfalls in Deutschland nicht zu. Überall engagieren sich junge Menschen. Oft klimapolitisch, aber auch für andere Themen: Die 18-jährige FDP-Kandidatin Noreen Thiel erzählte uns von ihrem Engagement für psychische Gesundheit.

Die Grenze ist noch da, zumindest in vielen Köpfen.

Seit 32 Jahren ist die innerdeutsche Grenze offen, aber immer noch hinken die neuen (östlichen) Bundesländer in vielen Bereichen hinterher – Einkommen, Bildung, Wirtschaftsleistung. Vor allem ältere Menschen hegen nach wie vor Vorurteile über die jeweils andere Seite des Landes.

DER STANDARD

Windkraft hat ihre Gegner, aber Alte.

Anders als Österreich kann Deutschland in der Energiewende nicht in großem Ausmaß auf Wasserkraft zurückgreifen. Der Ausbau der Windkraft ist deshalb zentral. Doch etliche Bürgerinitiativen wehren sich gegen Windräder – unter Verweis auf angebliche gesundheitliche Schäden.

Das Hochwasser im Juli hatte unfassbare Folgen.

Man kann sie sich kaum vorstellen, ohne sie mit eigenen Augen gesehen zu haben: die Zerstörung, die das Hochwasser im Westen Deutschlands angerichtet hat. Bagger transportieren Schutt ab, ganze Städte sind noch immer von feinem Schlamm bedeckt. Der Wiederaufbau ist vom Optimismus der Menschen getragen.

Politische Interventionen gibt es auch in Deutschland.

In Leipzig traf ich eine Kandidatin der Linken bei einer Demonstration. "Das ist eine sehr linksradikale Demo, was cool ist", sagte sie mir. Nach Erscheinen meines Berichts kam die böse Mail: Die Politikerin fühlte sich von mir ins "linksradikale Eck" gestellt. Das ließ mich ratlos zurück.

Rassismus ist ein handfestes Problem.

Immer wieder erschütterten in den vergangenen Jahren rechtsextreme Anschläge das Land: Die NSU-Morde, das Attentat auf Walter Lübcke, der Anschlag von Hanau. Dazu kommen rechtsextreme Umtriebe innerhalb der Polizei. Deutschlands Rassismusproblem beschränkt sich nicht auf einige wenige Täter.

Rechtspopulisten ticken genauso wie in Österreich.

Der Unterschied zwischen der Alternative für Deutschland (AfD) und der FPÖ? "Das Gründungsdatum", sagt mir ein AfD-Politiker im Interview. Tatsächlich unterscheiden sich deutsche und österreichische Rechtspopulisten kaum. Corona und Klimawandel werden kleingeredet, wenn nicht überhaupt geleugnet.

DER STANDARD

Deutschlands Autobahnen brauchen ein Tempolimit.

Nach vielen Tausend Kilometern auf Deutschlands sakrosankten Autobahnen traue ich mich zu sagen: Den meisten Menschen würde ein Limit von 130 km/h gar nicht auffallen. Die Grenzenlosigkeit nutzen fast nur Fahrer deutscher Autos mit Lichthupenüberfunktion aus. Die müssten halt lernen, sich zu beherrschen.

Aus Wirtschaftskrisen kann Neues entstehen.

Das Saarland war einmal ein boomender Standort für Kohle und Stahl. Dann ging die Industrie in weiten Teilen zugrunde, Arbeitslosigkeit griff um sich – und neue Wirtschaftszweige mussten her. Heute ist die Autoindustrie im Saarland stark, aber auch Start-ups siedeln sich an. Etwa eine junge Firma, die Meeresfische züchtet.

Auch konservative Frauen wollen die Quote.

Gut, streng genommen wollten die Frauen in der bayerischen CSU keine Quote. Aber sie kamen zum Schluss, dass es ohne sie nicht geht. Nach jahrelangem innerparteilichen Kampf setzten sie durch, dass auf den ersten 92 Plätzen der Wahlliste gleich viele Männer wie Frauen stehen mussten. Und zwar in abwechselnder Reihenfolge.

Schweinefleisch ist beliebt, hat aber seine Probleme.

Am liebsten essen die Deutschen das Fleisch vom Schwein. Doch die Versorgung ist bedroht: Die Afrikanische Schweinepest wird von Wildschweinen eingeschleppt. Der Lokalaugenschein bei einem Schweinebauern zeigt aber auch: Die Haltungsbedingungen sind oft alles andere als tierfreundlich.

DER STANDARD

Merkel hinterlässt eine Lücke.

Eine Aussage hört man in Deutschland immer wieder: "Ich war nicht immer mit ihr einverstanden, aber man konnte sich auf sie verlassen." Wer immer ihr nachfolgen wird, hat also große Fußstapfen zu füllen. Den neuen CDU-Direktkandidaten in ihrem alten Wahlkreis kannte bei unserer Straßenumfrage niemand. (Sebastian Fellner, 4.9.2021)