Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger antwortet im Gastkommentar auf den ehemaligen ÖIAG- und Austrian-Industries-Vorstand Claus J. Raidl. Sie vermisst eine grundlegende Debatte um die Öbag.

Edith Hlawati ist die neue Chefin der Öbag. Kritisiert wurden zuletzt fehlende Transparenz beim Bestellvorgang und Kompetenz.
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Von einer Öbag-Bestellung im Steinzeitstil schreibt Claus Raidl im Gastkommentar vor wenigen Tagen. Und unbestritten: Trotz gegenteiliger Versprechen lief die Bestellung alles andere als transparent ab. Ganz offensichtlich haben alle Beteiligten aus den Fehlern der Vergangenheit nicht gelernt – oder nicht lernen wollen. Ob Ignoranz oder Unvermögen, neue Wege zu gehen: Einmal mehr war der Prozess der Bestellung der neuen Öbag-Chefin intransparent und wenig nachvollziehbar. Dass dem Aufsichtsrat zur Bestellung überhaupt nur eine Kandidatin vorgelegt wurde, weckt einmal mehr den Verdacht, dass völlig abgehoben die Interessen der "Familie", nicht die des Landes durchgezogen werden sollen.

Ein Neustart, wie so eindringlich versprochen, sieht jedenfalls anders aus. Letztlich zeigt sich auch einmal mehr, dass eine derartige Vorgangsweise nicht nur der Öbag und dem Vertrauen in die Politik schadet, sondern potenziell auch die neue Öbag-Chefin beschädigt.

Welcher Plan?

Raidl schreibt sehr viel über fehlende Managementfähigkeiten, lässt aber dabei ganz wesentliche Fragen aus, die seit 2018 eigentlich laut und öffentlich diskutiert sein müssten: Was ist eigentlich die Strategie der Öbag? Was möchte die Republik mit den Beteiligungen unseres Landes? Welchen Plan verfolgt die Regierung?

Das neue Öbag-Gesetz gibt der Öbag und dem Vorstand sehr weitreichende Möglichkeiten, auch neue Minderheitsbeteiligungen einzugehen – ohne Ministerratsbeschluss. Geht es also um das bloße Verwalten der bestehenden Beteiligungen? Oder geht es auch darum, Beteiligungen einzugehen? Geht es um die Absicherung des Standorts und der Abschottung etwa gegenüber China? Soll die Öbag eine Art Österreichfonds darstellen? Seit der Diskussion um das neue Öbag-Gesetz werden diese Fragen gestellt. Nur Antworten darauf gibt es keine.

Welche Aufgabe?

Aus internationalen Medienberichten war 2019 zu erfahren, dass die Öbag sehr wohl aktiv Beteiligungen eingehen will oder wollte – ein Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro soll schon bereitgestanden haben. Ein paar offensichtliche Gedanken zu Strategie konnten auch in den wohlbekannten ominösen Chats nachgelesen werden, aber das kann man ja wohl kaum unter substanzielles politisches Statement subsumieren.

Durchaus möglich, dass die primäre Aufgabe eines Öbag-Vorstands auch weiterhin darin besteht, Aufsichtsratsmandate in den Beteiligungen wahrzunehmen. Dann ist (bloße) Aufsichtsratserfahrung ausreichend. Durchaus möglich aber auch, dass Industrieerfahrung, Kapitalmarkterfahrung oder solche im Technologie- und Start-up-Bereich dringend gebraucht würde.

Vorstand erweitern

Der größte Fehler in der Neubestellung des Öbag-Vorstands bestand darin, nicht zuerst die Strategie und damit die zukünftig gewünschte Ausrichtung der größten Beteiligungsgesellschaft des Landes vorzulegen. Es ist unwürdig, dass darüber nicht einmal rudimentär debattiert wird. Dabei muss auch klar sein, dass eine Wirtschaftspolitik der Verstaatlichung nicht besser wird, wenn man sie sehr modern als "strategisches Investment" bezeichnet.

Es liegt also auf der Hand, die Frage zu stellen, ob auch aus Kompetenzsicht ein Alleinvorstand die beste aller Lösungen ist. Jedenfalls ist es aber auch eine Frage der Etablierung zumindest eines Vier-Augen-Prinzips. Angekündigt ist ein Executive Board gemeinsam mit den beiden Direktorinnen Christine Catasta und Maximilian Schnödl, mit dem ein Sechs-Augen-Prinzip sichergestellt werden soll. Ein Sechs-Augen-Prinzip mit Untertanen, ätzte eine Aktienrechtsexpertin. Und tatsächlich fragt man sich auch angesichts der vorhandenen Kompetenzen der Direktoren, warum der Schritt zu einem echten Board mit mehr Vorständen nicht getan wurde. Der Verdacht liegt nahe, dass es auch hier parteipolitische Überlegungen sind, die zu dieser Entscheidung führten.

"Dieser Vorgang ist an Intransparenz nicht zu überbieten, er erinnert an die Steinzeit der Verstaatlichten Industrie."
Claus J. Raidl, ehemaliger ÖIAG- und Austrian-Industries-Vorstand, im Gastkommentar.

Die Steinzeit, von der Raidl spricht, ist vor allem die parteipolitische Brille, mit der die Regierung und wohl auch der Aufsichtsrat an Entscheidungen die Öbag betreffend herangegangen sind. Einmal mehr wurde damit Vertrauen verspielt. Allen Beteiligten – dem Aufsichtsrat als auch dem Finanzminister – muss klar sein, dass alles getan werden muss, um das Vertrauen in die Öbag nun wieder voll herzustellen.

Nur wenn über Strategie und dann transparent über die richtigen Personen an der Spitze der Öbag diskutiert und entschieden wird, wird auch das Vertrauen in die Öbag und in deren neuen Spitze wiederhergestellt werden. Und nur, wenn dieses Vertrauen wiederhergestellt ist, wird auch das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich gefestigt. Das wäre ein echter Neustart. (Beate Meinl-Reisinger, 4.9.2021)