Der frühere OMV-Aufsichtsratschef Wolfgang C. Berndt antwortet im Gastkommentar auf Claus J. Raidl. Der ehemalige ÖIAG- und Austrian-Industries-Vorstand kritisierte den Bestellungsvorgang der neuen Öbag-Spitze, der ihn an die "Steinzeit der verstaatlichten Industrie" erinnerte.

Die Bestellung von Edith Hlawati zum Alleinvorstand der Öbag sorgt für Diskussionen.
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Claus Raidl muss ich entschieden widersprechen! Herr Dr. Raidl hat sich zwar auf den verschiedensten Gebieten hervorragende Verdienste erworben, mit den "Best Practices" bei der Suche und Auslese von Vorständen ist er aber offensichtlich nicht vertraut.

In meiner langjährigen Erfahrung als Mitglied von Nominierungsausschüssen (Lloyds Banking Group, Cadbury Schweppes, GfK SE, OMV) habe ich dutzende "Executive Search"-Projekte mitgestaltet. Dabei war es durchgehend Best Practice, dass der Nominierungsausschuss dem Plenum nur eine einzige Person namentlich vorstellt. Andere Kandidaten wurden – wenn überhaupt – nur anonymisiert präsentiert, und es wurde dem Plenum erklärt, warum sie nicht die erste Wahl waren.

Notwendige Anonymität

Dies ist aus Diskretionsgründen gegenüber jenen Kandidaten geboten, die nicht den Zuschlag bekommen. Besonders in Fällen, in denen sich eine Person vertraulich beworben hat und bei seinem gegenwärtigen Arbeitgeber in einer guten Position steht, wäre es unzumutbar, würde bekannt, dass er oder sie sich anderswo beworben hat. Dass im Falle der Öbag nun die Namen auf der Shortlist überhaupt bekannt wurden, ist daher nicht in Ordnung. Die Erfahrung zeigt, nur wenn diese Anonymität gewahrt bleibt, bringen sich die allerbesten potenziellen Kandidaten in den Prozess ein.

Den Anmerkungen zur Qualifikation von Edith Hlawati muss ebenfalls widersprochen werden. Sie beruhen offenbar auf einem Missverständnis. Die operative Managementaufgabe bezieht sich vorwiegend auf die Führung der Öbag und ihrer 30 bis 40 Mitarbeiter. Dafür ist Frau Hlawati mehr als gerüstet. Als Partnerin ihrer Rechtsanwaltskanzlei hatte sie Verantwortung für mehr als doppelt so viele Mitarbeiter und Geschäftsvorfälle von immenser Tragweite für ihre Klienten.

Britisches Beispiel

Einfluss auf die Beteiligungsunternehmen ist nach dem Aktienrecht nur über die Mitwirkung im Aufsichtsrat möglich, und hier ist die Tätigkeit vorwiegend eine beratende und beaufsichtigende. Dafür ist Hlawati aufgrund ihrer Erfahrung hervorragend qualifiziert. Dieses Qualifikationsprofil hat sich auch international in ähnlichen Fällen bewährt. John Kingman und Robin Budenberg zum Beispiel, die beide CEOs der UK Financial Investments waren und 70 Milliarden Pfund an Bankbeteiligungen der britischen Regierung während der Finanzkrise erfolgreich gestionierten, hatten ebenfalls keine industrielle Managementerfahrung in ihrem Background. (Wolfgang C. Berndt, 4.9.2021)