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Wien, 10. 11. 2001: Željko Vuković im einzigen Heimspiel seiner drei Partien umfassenden Teamkarriere gegen den Türken Okan Buruk.

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Der Fußball und Computer prägen neben der Familie das Leben von Željko Vuković.

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Željko Vuković traute seinen Augen nicht, als er im Herbst 2001 drei verpasste Anrufe auf seinem Handy sah. Absender: Otto Barić. Vuković glaubte eher an die Ö3-Comedyhirten als an den Trainer des österreichischen Fußballnationalteams. Der 39-Jährige ließ die Nummer von einem befreundeten Journalisten checken, erst dann rief er zurück. Barićs klare Botschaft: "Wir brauchen dich."

Barić war vor 20 Jahren, vor einem WM-Qualifikationsspiel gegen Israel, in akuter Personalnot. Terroranschläge im Rahmen der Zweiten Intifada schürten Ängste. Neun Spieler verweigerten die Reise nach Tel Aviv. Barić musste den Kader auffüllen. Ivica Vastić empfahl einen Routinier des FC Kärnten. "Weil er selbst nicht Libero spielen wollte", sagt Vuković.

Als ein in Tel Aviv gestartetes Flugzeug abstürzte und ein Terroranschlag nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde das letzte Gruppenspiel in der WM-Quali auf Ende Oktober verschoben. Erst später kam heraus, dass eine bei einer ukrainischen Militärübung verirrte Rakete den Absturz verursacht hatte.

Aufgeheizte Stimmung

Die Stimmung im mit 42.000 Zuschauern ausverkauften Ramat-Gan-Stadion war am 27. Oktober 2001 jedenfalls aufgeheizt. Die durch die Spielverschiebung brüskierten israelischen Fans begrüßten den Gegner mit einem Pfeifkonzert. Vuković, der bis heute älteste Teamspieler und -debütant des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB), nahm es mit Humor: "Ich habe 40 Jahre gebraucht, um im Team zu spielen. Und dann höre ich die Hymne nicht." Angst hatte er nicht. In den 1990ern war in Zagreb manchmal "50 Kilometer entfernt Krieg. Ich dachte mir, auf uns wird schon aufgepasst."

Andreas Herzog schoss die Verlegenheitstruppe mit seinem 1:1 in der Nachspielzeit ins WM-Playoff. Vuković lacht noch heute, wenn er das Freistoßtor sieht und an die Kabinenparty denkt. Denn da klingelte das Handy der für Sport zuständigen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ). Am Apparat: ORF-Reporter Hans Huber. "Er sagte: ‚Wir werden hier mit Tomaten und Orangen beschossen. Holen Sie uns raus.‘ Für ihn war es nicht spaßig, aber wir haben Tränen gelacht."

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Barićs Irrtum

Die WM in Japan und Südkorea verpasste Österreich nach zwei Playoff-Niederlagen (0:1, 0:5) gegen den späteren WM-Dritten Türkei. "Sie waren einfach besser", sagt Vuković, dessen Teamkarriere damit nach 18 Tagen endete. Vielleicht hätte sie früher begonnen, aber Barić wusste nicht, dass der Verteidiger die österreichische Staatsbürgerschaft hatte.

Vuković wurde in Dvor geboren. Während der Gymnasiumoberstufe kickte er in der jugoslawischen Landesliga, um seinen Eltern finanziell zu helfen. Er begann ein Maschinenbaustudium, nach einem Sichtungsturnier meldete sich Dinamo Zagreb. Mit 23 startete die Profikarriere, "die ich nie geplant hatte". Die Stationen Cibalia Vinkovci und NK Osijek folgten. 1991 bestritt er sogar für die kroatische Nationalelf ein inoffizielles Länderspiel gegen Slowenien. Im selben Jahr – bevor sich der Krieg zuspitzte, in dem später das Elternhaus zerstört wurde – wechselte er zu Vorwärts Steyr. "Auf einmal sitzt du mit deiner Frau und zwei kleinen Kindern im Auto und fährst nach Österreich."

Steyr war der klassische Underdog: "Wir galten jedes Jahr als Abstiegskandidat Nummer eins." Dazu gab es finanzielle Probleme. Gehälter kamen nicht immer pünktlich. Während Rapid und Salzburg in "großen Bussen kamen, war unserer 40 Jahre alt und hatte nicht einmal ein Autoradio", sagt Vuković. Nach Innsbruck ging es im Schlafwagenabteil. Seine Zeit in Oberösterreich könne zwei Bücher füllen, "beide wären Bestseller".

Legendär gegen Inter

1995 fand Vuković beim GAK eine neue Herausforderung und erhielt kurz darauf auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Aufsteiger machte den vielseitigen Routinier rasch zum Kapitän. Seine Stärken: das Positionsspiel. "Und ich habe immer viel geredet." Die Grazer qualifizierten sich dreimal in Folge für den Europacup. 1996 kam in der zweiten Runde des Uefa-Cups gegen den späteren Finalisten Inter Mailand nach einem 1:0 im Rückspiel erst nach dem Elfmeterschießen das Aus. "Dieses Spiel hat für die Popularität des GAK mehr gemacht als die 20 Jahre davor", sagt Vuković. 1999 musterte Trainer Klaus Augenthaler ihn trotzdem aus. "Er dachte, ich bin zu alt."

GAK-Kapitän Vuković im Grazer Derby neben Sturm-Anführer Ivica Vastić.
Foto: Privat

Steyr- und GAK-Fans wählten ihn später in die Jahrhundertelf ihres Klubs. Die größten Erfolge feierte der Ausgezeichnete aber mit dem FC Kärnten. Auf den Bundesliga-Aufstieg 2001 folgten der sensationelle Triumph im Cup und Supercup gegen den FC Tirol. Im Mai darauf beendete Vuković, den stets alle Vuko nannten, seine Profikarriere.

Er spielte noch jahrelang in unterklassigen Ligen, etwa als Spielertrainer beim SC Unterpremstätten. Knapp vor seinem 50. Geburtstag eröffnete ihm seine ältere Tochter, dass er Großvater wird. "Da dachte ich mir, es ist an der Zeit aufzuhören, damit ich nicht mehr als Opa mitspiele." Trainer blieb er im Unterhaus, den SV Frauental führte er in die viertklassige Landesliga. Das Profigeschäft reizte ihn dahingehend nie, "ich wollte die Zeit lieber meiner Familie widmen".

IT-Administrator

Bereits früher half Vuković in der damaligen Reinigungsfirma seiner Ehefrau Jasna aus, holte seine Diplomarbeit (Thema: Programmiersprachen) nach und schloss sein Studium ab. Seit 13 Jahren ist er als IT-Administrator im Landeskrankenhaus Weststeiermark mit den Standorten Deutschlandsberg und Voitsberg tätig. Drucker- oder Internetproblemen schrecken ihn nicht. "Computer haben mich bereits damals in Zagreb interessiert und waren immer Teil meines Lebens", sagt der Diplomingenieur.

Als Ausgleich trainiert er aktuell den SC Bad Gams in der sechsklassigen Unterliga West. Hin und wieder kickt der 59-Jährige bei Altherrentruppen mit. "Viele fragen mich, warum ich mir das mit fast 60 noch antue", sagt Vuković. "Dabei tu ich mir nichts an. Ich bin einfach ein leidenschaftlicher Fußballer." (Andreas Gstaltmeyr, 4.9.2021)