Die niedrige Impfrate könnte Österreich in den nächsten Lockdown bringen

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Das politische Heilsversprechen war eindeutig: Wenn breitflächig Impfstoffe gegen das Coronavirus verfügbar sind, werden Lockdowns ein Ding der Vergangenheit sein. Die vergleichsweise niedrige Impfrate in Österreich sowie die deutlich ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus könnten dieser Hoffnung aber einen Strich durch die Rechnung machen. Die Zahlen gehen nach oben, und zwar nicht nur bei den Infektionen, sondern auch bei den Hospitalisierungen.

Dass geplante Eingriffe in Krankenhäusern verschoben werden "kann sicher bald der Fall sein", sagt der Intensivmediziner Walter Hasibeder zur APA. Der Präsident der Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin sieht "durchaus die Gefahr, dass man in einen vierten Lockdown geht". Wenn der Trend bei Hospitalisierungen anhält, "muss man Maßnahmen verschärfen, das ist gar keine Frage".

ORF

Lage werde "bedrohlich"

Auch die Virologin Dorothee von Laer warnt vor einer Überlastung des Gesundheitssystems. Man schlittere in einen Lockdown oder schramme gerade daran vorbei, sagte sie am Freitag in der Zib2. Selbst wenn die Infektionskurve jetzt abgeflacht werden könnte, werde die Lage in zwei oder drei Wochen bedrohlich, da sich die Maßnahmen erst verzögert bemerkbar machen. Als Unsicherheitsfaktor gilt der Schulstart, der kommende Woche im Osten ansteht.

Ob wieder Verschärfungen eingeführt werden, diskutieren Bundesregierung und Landeshauptleute kommenden Mittwoch. Auf einen Lockdown wird man sich dort keinesfalls einigen, auch mit Blick auf die Landtagswahl in Oberösterreich. Zur Debatte stehen eine Reihe gelinderer Maßnahmen, etwa die Rückkehr der FFP2-Maskenpflicht oder ein Ende der Gratistests, um Impfskeptiker zum Stich zu motivieren. Einen "Impf-Hunderter" fordert SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die der Regierung ein "grob fahrlässiges Handeln" attestiert. Sie plädiert auch für ein Comeback der Maskenpflicht in (mehr) Innenräumen.

Foitik kritisiert Bundesregierung

Auch der Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, Gerry Foitik, kritisierte am Samstag die Regierung. Im Juli hatte das Rote Kreuz die Verantwortung für die österreichische Impfkampagne an die Bundesregierung abgegeben. Diese habe aber über die Sommermonate zu wenig dafür gemacht, sagte Foitik im Ö1-"Mittagsjournal". "Es hätte viel besser laufen können. Der Sommer hätte zur Aufklärung genützt werden können". Damit müsse man zum Ergebnis kommen, dass "nicht genug getan wurde." Ähnliche Kritik äußerten zuvor bereits andere Vertreter des Roten Kreuzes.

Aufklärung sei extrem wichtig. Damit hätten "vor allem jene erreicht werden können, die noch zögerlich sind", so Foitik. Über die sozialen Netzwerke hätte man die Zielgruppen treffsicher ansprechen können. Die sich ankündigende vierte Welle sei dadurch "wesentlich leichter zu bewältigen gewesen". Er betont aber auch, dass nicht nur die Bundesregierung für die Impfkampagne zuständig sei, "sondern wir alle". Man dürfe Impfskeptiker nicht abstempeln, sondern müsse ihre "Bedenken ernst nehmen und ihnen mit Fakten begegnen."

Foitik hält eine mögliche Impflotterie für durchaus "überlegenswert", wenn dadurch die Impfquote um zwei, drei Prozent gesteigert werden könne. Auch einer 1G-Regel könne er etwas abgewinnen, also dass bestimmte Veranstaltungen und Orte nur noch für vollständig Geimpfte zugänglich seien. "Jedoch nicht, um Druck aufzubauen, sondern um die Gesellschaft vor Infektionen zu schützen." (red, 4.9.2021)