Auf ihrem Parteitag vor einer Woche versammelte sich die ÖVP geschlossen hinter ihrem Obmann Sebastian Kurz.

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Der strikte Asylkurs der österreichischen Bundesregierung sorgt in Deutschland für Aufregung. "Wahnsinnig entsetzt" habe "Bild"-Redakteurin Nena Schink die Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die dieser zuvor in einem Interview mit "Bild-TV" getätigt habe. Dort wiederholte Kurz, dass Österreich keine Afghanen aufnehmen werde, weil hierzulande ohnehin eine der größten afghanischen Communitys Europa existiere und eine große "Integrationsherausforderung" bestünde. Für Schink ist das "zutiefst inhuman und unseriös", da Österreich ohnehin Asylverfahren starten müsse, wenn Afghaninnen und Afghanen die österreichische Grenze passieren. Kurz' Aussagen verstoßen für Schink "gegen den EU-Wertekanon", sie kann "kein Mitgefühl" erkennen.

Auch der stellvertretende Chefredakteur der "Welt", Robin Alexander, zieht ein hartes Resümee: "Starke Worte sind in der Politik meistens ein Zeichen von Schwäche". Er verwies darauf, dass Kurz innenpolitisch "sehr unter Druck" stünde, zum Beispiel durch den Fall Leonie. In den Ermittlungen rund um die verstorbene 13-jährige Niederösterreicherin werden mehrere Afghanen beschuldigt, es gilt die Unschuldsvermutung. Kurz stelle damit, so Alexander, "die Innenpolitik über die Außenpolitik", ein Bundeskanzler "sollte das nicht tun". Österreich habe damit seinen Einfluss auf gesamteuropäische Entscheidungen verringert, analysiert Alexander.

Bild-Politikchef attestiert "Ehrlichkeit"

Für "Bild"-Politikchef Jan-Wolf Schäfer ist Migrationspolitik auch PR-Politik. Kurz wolle signalisieren, dass sich Afghaninnen und Afghanen nicht auf den Weg nach Europa machen sollen, interpretiert Schäfer. Hier lege Kurz "Ehrlichkeit" an den Tag, da andere Länder zwar in Herkunftsländern gegen die Flucht werben, dies allerdings in Europa nicht so offensiv kommunizierten. Kritik an Kurz gab es von seinem Biografen, dem stellvertretenden "Bild"-Chefredakteur Paul Ronzheimer, der selbst in Afghanistan unterwegs ist: "Unrealistischer Plan", attestierte er Kurz.

Die insgesamt doch deutliche Ablehnung der Kurz'schen Flüchtlingspolitik durch gewichtige "Bild"- und "Welt"-Redakteure, über die zuerst "Zackzack" berichtet hat, überrascht doch, galt der österreichische Kanzler doch als Liebling des Springer-Verlags. Aber auch die heimischen Grünen bekamen ihr Fett ab, und zwar in Form des einstigen rot-grünen Regierungssprechers Bela Anda, der später stellvertretender "Bild"-Chefredakteur war: Für ihn seien die österreichischen Grünen "mucksmäuschenstill", obwohl die Flüchtlingslinie "krass gegenüber grüner Politik" abweiche. (red, 4.9.2021)