Die Formel 1 unterwegs in der Dünen-Landschaft.

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Sebastian Vettel: "Tut die Menschheit schon genug? Vermutlich nicht."

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Der Deutsche ist häufig auf dem Bike unterwegs.

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Zandvoort – Nur ein paar Hundert Meter entfernt rollen die Wellen der Nordsee an den Strand, rundherum erstreckt sich eine grüne Dünenlandschaft, aber an diesem Wochenende ist es erstmal vorbei mit der Idylle. Die Formel 1 kommt nach Zandvoort, bringt ihre brüllenden Boliden mit und dazu 70.000 Fans pro Tag. Für Umweltschützer beschreibt dieses Rennen (Sonntag, 15.00 Uhr/Sky) durch ein Naturschutzgebiet ziemlich genau, was falsch läuft in der Welt.

"Der Grand Prix ist ein Beispiel für unnötige Emissionen, Naturzerstörung und Vetternwirtschaft, die unsere Zukunft gefährden", teilt die Bewegung Extinction Rebellion mit, und die niederländische Regierung mache eine Ausnahme "für diese fossile Party". Die Formel 1 gerät in diesen Tagen also mal wieder unter Erklärungsdruck, denn neuerdings hat sie selbst sich ja der Nachhaltigkeit verschrieben – für nicht wenige Menschen ist das ein Widerspruch in sich.

Fahrrad-Protest

Ja, sagt auch Sebastian Vettel, er verstehe diese Einwände, und er habe auch von den Aktionen rund um das Rennen gehört. Am Sonntag soll ein Fahrrad-Protest in den Straßen Zandvoorts als Gegenveranstaltung stattfinden, "es ist wichtig, Aufmerksamkeit zu erregen, ich finde das gut", sagt Vettel. Der Ex-Weltmeister ist neben Rekordchampion Lewis Hamilton so etwas wie das Gewissen der Königsklasse geworden, wenn es um die künftige Rolle des Motorsports geht.

Und die wackelt durchaus, denn es geht ja nicht bloß um die unmittelbare Gefährdung der Landschaft in Zandvoort. Wie passt ein PS-Zirkus, der im Jahr mehr als 20-mal um den Globus reist und mit 1000-PS-Autos im Kreis rast in eine Welt, die gegen den Klimawandel kämpfen muss? In diesem Sinne ist die Formel 1 ein einfaches Ziel, und das hat sie erkannt.

Bis 2030 will die wichtigste Rennserie der Welt klimaneutral sein, und dabei geht es nicht um die Autos auf der Rennstrecke – die sind im Jahr nur für 0,7 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, die in einer gesamten Formel-1-Saison produziert werden. Vor allem die gewaltige Logistik rund um die Grand Prix, der Transport mit Flugzeugen und Trucks, belastet die Umwelt.

Vettel: "Man kann noch immer viel tun"

Und der Ausstoß der Formel 1 ist dabei noch um ein Vielfaches kleiner als etwa der einer Fußball-WM. Das schwerwiegende Problem ist das Großereignis an sich, weniger die Boliden auf der Strecke.

Und so müsse jeder verstehen, worum es in den kommenden Jahrzehnten geht, sagt Vettel: "Wenn wir es nicht verstehen, dann gibt es keine Zukunft. Das klingt sehr düster, aber das Schöne ist, dass man noch immer viel tun kann. Und ich glaube, dass die Formel 1 da auch ihren Platz finden kann."

Dafür müsse sie ein Technologietreiber sein, momentan sei sie das nicht. Zwar sind die in der Rennserie eingesetzten Hybrid-Antriebe so effizient wie kein anderer Motor auf der Welt, sie nutzen die enorme Bremsenergie und die heißen Auspuffgase für den Elektroschub. Das nützt allerdings kaum etwas, weil das im Straßenverkehr nicht umsetzbar ist. Wichtiger sei die neue Motorenformel, die ab 2025 ausschließlich klimaneutrale, nachhaltige Kraftstoffe aus biologischem Abfall verwenden wird – und damit interessant für den Individualverkehr sein könnte.

Bisher habe die Formel 1 bloß kleine, erste Schritte unternommen, sagt Vettel, "das ist gut. Aber ist es schon genug? Nein." Mit diesem Problem sei sie allerdings nicht allein. "Tut die Menschheit schon genug? Vermutlich nicht." (sid, 4.9.2021)