Die Regierung könnte dem türkisen Stiftungsratswunsch Roland Weißmann den Start mit einer Digitalnovelle für den ORF erleichtern

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Wien –Die nächsten Wochen dürften den ORF und seinen nächsten Chef Roland Weißmann wesentlich weiterbringen: Neben der Bestellung des künftigen Führungsteams auf dem Küniglberg und in den Ländern könnte ein neues ORF-Gesetz mit deutlich mehr digitalen Möglichkeiten rascher als bisher angekündigt kommen. Das würde dem Nachfolger von Alexander Wrabetz ab 1. Jänner 2022 den Start deutlich erleichtern.

Hürden des ORF-Gesetzes

Weißmann ist seit Sommer 2020 Projektleiter für den ORF-Player, eine Streamingplattform mit vielerlei Channels und Modulen von News über Kinder bis Sport, Feuilleton, Wissenschaft und Audio. Der Player – er wird wohl nach bisheriger Planung "ORF On" heißen – ist das zentrale Zukunftsprojekt des ORF. Aber: Das geltende ORF-Gesetz aus dem Jahr 2010 setzt den ORF-Aktivitäten im Web und damit einer Streamingplattform über die TVthek und die Radiothek hinaus eher enge Grenzen.

Der ORF darf bisher keine Videoformate unabhängig vom TV für das Web produzieren oder dort vor dem Fernsehen ausstrahlen – abgesehen von sendungsbegleitenden Inhalten. Foren und User-Inhalte sind limitiert, auch regionale Inhalte beschränkt. Fernsehformate dürfen – mit Ausnahmen – nur sieben Tage nach Ausstrahlung online abrufbar sein. Targeting für Werbung beschränkt das ORF-Gesetz ebenfalls.

Schnellere Novelle

Der Start des ORF-Player wurde mehrfach vertagt. Der Sportkanal der Plattform sollte diesen Sommer mit Fußballeuropameisterschaft und Olympischen Spielen on air gehen, die Medienbehörde KommAustria aber sah den Channel nicht mit dem ORF-Gesetz vereinbar und untersagte den Start in der beantragten Form. Noch im September soll ein News-Channel ("Newsroom") starten.

Weißmann kündigte im STANDARD-Interview zudem den Start der Player-Module "Sound" – Radio- und Audioangebote – und "Live" – Livestreams der bestehenden linearen Kanäle – im laufenden Jahr an.

Gerald Fleischmann, Medienbeauftragter des Bundeskanzlers, sprach im Frühsommer vor dem Zeitungsverband VÖZ von einer ORF-Novelle im Herbst 2022. Nun, nach der Bestellung des Wunschkandidaten der türkisen Mehrheit im ORF-Stiftungsrat zum ORF-General, könnte es nach STANDARD-Informationen schneller gehen mit der Digitalnovelle für den Küniglberg.

Bewerbungsschluss

Fix ist jedenfalls die zweite große Etappe auf Weißmanns Agenda: Kommenden Donnerstag, am 9. September, endet die Bewerbungsfrist für die vier Direktorenjobs ab 2022 auf dem Küniglberg sowie für die neun Landesdirektionen des ORF.

Das zentrale Team gilt schon eine Weile als ausgemacht: Nach Absagen von Ö3-Chef Georg Spatt für die Programmdirektion und von TV-Markiza-Generaldirektor Matthias Settele für die Technik dürfte Weißmann wie berichtet Puls-4-Chefin Stefanie Groiss-Horowitz für die Programmdirektion vorschlagen, ORF-3-Chefredakteurin Ingrid Thurnher fürs Radio, ORF-3-Geschäftsführerin Eva Schindlauer für die ORF-Finanzen und GIS-Chef Harald Kräuter für die Technik.

Der ORF-Stiftungsrat bestellt die Direktoren auf Vorschlag des nächsten Generals mit einfacher Mehrheit, bisher meist im Paket, wie auch die Landesdirektorinnen und -direktoren.

Mitterstieler für Tirol kolportiert

In der Landesliga kursiert nun eine neue Favoritin für das Landesstudio Tirol: Die aktuelle Radio-Wirtschftsressortleiterin Esther Mitterstieler soll nach STANDARD-Infos gute Karten für das Innsbrucker Studio mit erhöhtem Managementbedarf haben.

Esther Mitterstieler wird als künftige ORF-Landesdirektorin in Tirol gehandelt.
Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Mitterstieler äußerte sich am Sonntag auf STANDARD-Anfrage nicht, ob sie sich einen Tag nach ihrem 53. Geburtstag für die Landesdirektorenstelle bewerben wird. Die in Südtirol geborene Journalistin war von September 2012 bis 2013 die vorletzte Chefredakteurin des "Wirtschaftsblatt", von Anfang 2017 bis Ende 2018 war sie Chefredakteurin von "News".

Als Möglichkeit für Tirol wird auch Michaela Huber kolportiert, bisher Vorstand der ÖBB-Personenverkehr AG. Gegen sie spricht vor allem die Optik – Huber war schon Pressesprecherin von Landeshauptmann Günther Platter als Verteidigungs- und Innenminister: Der türkise Wunschkandidat für die ORF-Führung würde damit als ersten Akt nach seiner Bestellung und kurz vor der nächsten Landtagswahl 2023 in Tirol die frühere Sprecherin des Landeshauptmanns an die Spitze des ORF-Landesstudios setzen, bestellt mit einer Mehrheit ÖVP-naher Stiftungsräte.

Huber war 2004 bis 2008 Pressesprecherin im Innen- und Verteidigungsministerium, davor 2001 bis 2004 Pressesprecherin der Tiroler Landesregierung. Seither war sie Kommunikationschefin und Senior Vice President bei der OMV, ab 2018 Vorstand der ÖBB Personenverkehrs AG.

Flatz Mäser gegen Klement

In Vorarlberg hat sich die frühere Chefredakteurin des Landesstudios, Marion Flatz Mäser, für die Landesdirektion beworben, wie die "Vorarlberger Nachrichten" schon berichteten. Sie tritt gegen den amtierenden Landesdirektor Markus Klement an, der Flatz Mäser 2012 als Chefredakteurin des Landesstudios abgelöst hat.

Ex-Chefredakteurin Marion Flatz-Mäser bewirbt sich gegen Markus Klement um die Landesdirektion Vorarlberg.
Foto:ORF/ORF V/Maurice Shourot

Klement dürfte aber trotz einiger Verwerfungen im Landesstudio aus heutiger Sicht verlängert werden. Der amtierende ORF-General Alexander Wrabetz hat Flatz Mäser im Frühsommer zur nächsten Schweiz-Korrespondentin des ORF ab Oktober 2021 bestellt.

Zechner soll sich um Programmdirektion und Wien bewerben

Noch nicht geklärt scheint eineinhalb Wochen vor der Bestellung noch die ORF-Landesdirektion Wien, für die sich mehr als ein Dutzend Menschen zumindest interessieren soll. Als Wunschkandidaten des Rathauses werden ORF-3-Chef Peter Schöber und Radio-Innenpolitikchef Edgar Weinzettel gehandelt, der Vorschlag liegt aber auch hier bei Roland Weißmann, die Entscheidung bei der türkisen Mehrheit im Stiftungsrat. Kolportiert werden wie berichtet etwa auch ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann, Wien-Programmchefin Jasmin Dolati, die aus dem Studio Niederösterreich nach Wien gewechselte Journalistin Judith Weissenböck.

Eine Bewerbung von Programmdirektorin Kathrin Zechner für Wien, ebenso wie für die jedenfalls geplante für die ORF-Programmdirektion könnte spannend werden: Es wäre wohl schwer zu argumentieren, dass sie weniger qualifiziert wäre als etwa männliche Mitbewerber in Wien. (fid, 5.9.2021)