Hier ein historisches Foto mit anderer Besetzung aus der Originalinszenierung von "Falstaff".

Foto: Staatsoper/Pöhn

Er war alt, und er brauchte das Geld definitiv nicht. Aber Giuseppe Verdi hatte anscheinend Lust auf was Lustiges – was man nach einem halben Jahrhundert der beruflichen Beschäftigung mit Mord, Totschlag und Ärgerem nachvollziehen kann. Sein Falstaff ist ein feingliedriges Perpetuum mobile der Töne, und ein Perpetuum cantabile noch dazu: ein Ensemblestück ersten Ranges. Es bedarf also einer gewissen Chuzpe, sowas am zweiten Spieltag einer Saison anzusetzen. Sind in der Gesamtkunstwerkstatt Wiener Staatsoper schon alle Rädchen gut geölt, greifen Stimmen und Bühnengewerke reibungslos ineinander? Sie taten es am Samstag.

Mondlichtzarte Romanzen

Die Wiederaufnahme von Marco Arturo Marellis kinderopernbunter Inszenierung (nach zehnjähriger Pause) war kein epochaler Abend, aber ein ziemlich guter.Im Orchestergraben koordinierte mit dem routinierten Nicola Luisotti ein Mann das Geschehen, für den eine korrekte Koordination an erster Stelle stand. Das Staatsopernorchester bot Schalk und Spott, grelle Tumulte und mondlichtzarte Romanzen. Die Riege der frischen Ensemblekräfte führte Boris Pinkhasovich mit seinem druckstarken, aber auch äußerst variablen Ford an. Slávka Zámečníkovás Nannetta war mehr klar als weich, geschmeidig Josh Lovell als deren Geliebter Fenton; vielversprechend Andrea Giovannini als Bardolfo.

Ein Rennwagen auf einem Stadtkurs: Eleonora Buratto als Alice Ford. Die "Reverenza"-Rufe von Monica Bohinecs Mrs. Quickly erinnerten an knorrige Äste. Und der Falstaff, dieses selbstbezogene, verfressene Riesenkind, dieses plus size role model für die Generation Schlimm Fit? Wolfgang Kochs vokale Performance kam an seine komödiantische Vielfältigkeit nicht vollumfänglich heran. Beifall für alle.

8., 12. u. 16. 9.

(Stefan Ender, 5.9.2021)