Bild nicht mehr verfügbar.

Jacinda Ardern äußerte sich am Samstag auch zur Rechtslage im Land.

Foto: AP / Mark Mitchell

Das sonst für Harmonie und friedliches Zusammenleben bekannte Neuseeland steht nach dem islamistisch motivierten Terrorangriff vom Freitag unter Schock. Der 32-jährige Ahamed Aathil Mohamed S. hatte in einem Einkaufszentrum in Auckland ein Messer aus einem Regal genommen und damit auf Passanten eingestochen.

Zwei Minuten später wurde der aus Sri Lanka stammende tamilische Muslim von Polizisten erschossen, die ihn überwacht hatten. Bei der Tat wurden sieben Menschen verletzt. Drei der Opfer befanden sich am Wochenende mit zum Teil lebensbedrohlichen Verletzungen im Krankenhaus.

Die Attacke war der zweite Terrorangriff in Neuseeland in zweieinhalb Jahren. 2019 hatte ein rechtsextremer Australier in der Stadt Christchurch 51 Muslime beim Beten erschossen. Als Folge dieses Massakers warten in Neuseelands Parlament Gesetzesänderungen auf ihre Verabschiedung, die auch die Vorbereitung einer terroristischen Tat unter Strafe stellen würden. Das ist bisher nicht der Fall.

Ankunft mit Studentenvisum

S. scheint genau davon profitiert zu haben. Der damals 22-Jährige war 2011 mit einem Studentenvisum aus Sri Lanka nach Neuseeland gekommen. Kurz danach beantragte er – zunächst erfolglos – die Anerkennung als Flüchtling. Erst nach einem Berufungsverfahren gelang es ihm, den Flüchtlingsstatus zu erhalten.

2016 wurde der Geheimdienst auf den Mann aufmerksam, nachdem dieser sich in sozialen Medien begeistert über Terroranschläge geäußert hatte. Im Mai 2017 wurde S. am Flughafen Auckland verhaftet. Die Polizei vermutete, dass er auf dem Weg nach Syrien war, um sich dort der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen. In seiner Wohnung fanden Beamte Propagandamaterial des IS und ein Jagdmesser. S. kam auf Kaution frei, wurde später aber wieder verhaftet, weil er sich ein Messer gekauft und erneut extremistisches Material besessen hatte.

Heuer wurde S. schließlich der Propaganda für den IS für schuldig befunden und im Juli zu einem Jahr Überwachung verurteilt. Die Behörden glaubten zwar, dass er einen Terroranschlag vorbereitete, konnten aber aufgrund der Gesetzeslage nicht eingreifen. Zum Zeitpunkt der Tat war S. rund um die Uhr von einem Team von 30 Beamten überwacht worden.

Abschiebung nicht möglich

Kritiker sehen es als besonders bedenklich, dass S. bereits 2019 der Status als Flüchtling abgesprochen worden war und er einen Abschiebungsbescheid erhalten hatte. Der Tamile habe seinen Antrag auf Schutz mit "betrügerischen Mitteln" gestellt, so Premierministerin Jacinda Ardern. Seine sofortige Abschiebung war jedoch wegen laufender Verhandlungen nicht möglich gewesen.

Die Behörden konnten S. auch nicht präventiv in Haft nehmen, die Festnahme ist nur im Vorfeld einer Abschiebung erlaubt. Doch selbst diese war keine Option: S. hatte geltend gemacht, in seiner Heimat Sri Lanka drohe ihm wegen seiner politischen Aktivitäten "Verfolgung und Folter". Deshalb galt er nach neuseeländischem Recht als "geschützte Person".

Regierungschefin Ardern sprach am Wochenende von einem "frustrierenden Prozess". Sie habe noch im Juli mit Offiziellen über den Fall gesprochen und ihre "Sorge darüber geäußert, dass das Gesetz jemandem erlauben kann, hierzubleiben, der (...) eine Gefahr für die nationale Sicherheit ist". Die Regierung hofft, noch im Verlauf dieses Monats entsprechende Lücken im Gesetz schließen zu können. (Urs Wälterlin, 5.9.2021)