Ein Fisch aus Plastikflaschen am Strand der polnischen Ostseestadt Hel soll auf die Plastikkrise aufmerksam machen.
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Ohne Plastik würde die Welt wie wir sie heute kennen, vermutlich nicht funktionieren, oder zumindest deutlich anders aussehen. Seit der deutsche Chemiker Hermann Staudinger 1920 mit seinem Artikel "Über Polymerisation" das Fundament der modernen Polymerwissenschaften gelegt hat und in den 1950er-Jahren mit einem neuen Verfahren die Voraussetzung für die industrielle Herstellung von Polyethylen geschaffen wurde, leben wir im zunächst euphorisch begrüßten Kunststoffzeitalter.

Mittlerweile freilich hat sich das Image von Plastik deutlich gewandelt. Wie man inzwischen weiß, verursacht gerade die enorme Haltbarkeit von Kunststoff langfristig Probleme: Es zersetzt sich in den meisten Fällen nur sehr langsam und belastet dadurch die Umwelt in immer stärkerem Ausmaß, wahrscheinlich für Jahrhunderte.

Fünftgrößter CO2-Sünder weltweit

Plastik ist jedoch nicht nur in den Ozeanen eine Belastung oder als Mikropartikel für die Gesundheit schädlich, es trägt auch nicht unerheblich zum Klimawandel bei, wie eine aktuelle Studie darlegt: Kunststoffe verursachen jährlich 1,8 Milliarden Tonnen an Treibhausgasen und damit Milliardenbeträgen an Folgekosten. Wäre Plastik ein Staat, dann wäre es "der fünftgrößte CO2-Sünder weltweit", zitiert der WWF am Montag aus dem Report.

Für die Untersuchung mit dem Titel "Plastic: The Costs To Society, The Environment And The Economy" haben Forscher der Umweltberatungsagentur Dalberg Advisors im Auftrag der NGO errechnet, welche Folgekosten Kunststoffe auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft haben. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Das globale Plastikaufkommen verursachte im Jahr 2019 Kosten von 3.100 Milliarden Euro – rund acht Mal das Bruttoinlandsprodukt Österreichs.

Mehr Plastik als Fische im Meer

Die enorme Summe entsteht durch Produktion, Verwertung und Abfall von Kunststoffen. Jeder Euro, der für Plastik ausgegeben wird, verursacht über seinen Lebenszyklus hinweg zehn Euro an weiteren Kosten. Hauptverantwortlich dafür sind jährlich rund 200 Millionen Tonnen an Plastikmüll von denen laut dieser Studie etwa 5,5 Prozent Tonnen im Meer landen, 41 Prozent werden insgesamt nicht recycelt. "

"Geht es so weiter, wiegt Plastik im Jahr 2050 mehr als alle Fische im Meer. Die Kosten sind nicht nur für die marinen Ökosysteme untragbar, sondern gefährden auch die Fischerei und Tourismusindustrie zunehmend", sagte Axel Hein, Meeresexperte des WWF Österreich. Und diese Kosten werden im Verkaufspreis von billig erhältlichen Plastikprodukten nicht berücksichtigt. Der Preis von Plastik lag im Untersuchungszeitraum 2019 bei rund 1.000 Dollar pro Tonne. Doch allein die Kosten für die freigesetzten Treibhausgase des Plastikaufkommens belaufen sich auf 171 Milliarden Dollar, berichten die Experten.

Die anfallenden Plastikmüllmengen sind kaum mehr zu bewältigen. Im Bild eine Sammeldeponie in Lhokseumawe, Indonesien, aus der Luft.
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Verdoppelung bis 2040

Und aus sichtbaren Kunststoffteilen wird über die Jahre und Jahrhunderte irgendwann Mikroplastik: "So dringt es sogar bis in unsere Nahrungskette ein", warnte Hein unter Berufung auf eine frühere Studie, wonach durchschnittlich jeder Mensch fünf Gramm Mikroplastik pro Woche zu sich nimmt. Das käme etwa dem Konsum einer ganzen Kreditkarte gleich.

Die Kunststoffproduktion und ihre Folgen sind dabei weiter am wachsen: "Laut unserer Studie wird sich das Plastik-Aufkommen bis 2040 verdoppeln, wenn nicht rasch und entschlossen dagegen vorgegangen wird. Dieses Umweltproblem wird Jahr für Jahr schlimmer und lastet auf den Schultern nachfolgender Generationen", warnte Hein. Ohne eine Trendumkehr wird laut der Studie das globale Plastikaufkommen im Jahr 2040 dann für ein Fünftel des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich sein.

Koordiniertes Vorgehen

Die NGO fordert daher ein globales, rechtlich bindendes Abkommen gegen die Plastik-Flut, das im Rahmen der UN-Umweltversammlung (UNEA) im Februar 2022 beschlossen werden und bis 2030 ein Ende der "Plastik-Krise" herbei führen soll. Voraussetzung wäre ein weltweites globales Vorgehen, was freilich enorme Veränderungen erfordern würde, wie eine Studie vom vergangenen Juli zeigt: Damit die Müllberge kleiner und die Kunststoffproduktion geringer werden können, braucht es nicht nur neue Infrastrukturen. Grundlegende gesellschaftliche Struktur- und Lebensstiländerungen sowie ein regelrechter Kulturwandel, sei daher nötig.

Zunächst sieht der WWF für Österreich die Notwendigkeit eines Ausbaus der Mehrweg-Angebote und eine rasche Realisierung eines flächendeckenden Pfandsystems für Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen. (red, 6.9.2021)