Ein Covid-19-Patient auf einer Intensivstation in einem englischen Spital. Laut einer britischen Studie ist das Risiko für schwere Verläufe für Ungeimpfte durch Delta deutlich gestiegen.

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Wie schlimm wird die vierte Welle in Österreich ausfallen? Welche Infektionszahlen können wir uns leisten, ohne die Spitäler an ihre Kapazitätsgrenzen zu bringen? Diese Fragen werden am Mittwochvormittag auch von den heimischen Spitzenpolitikern mit Fachleuten diskutiert werden. Die im westeuropäischen Vergleich rückständige Impfquote lässt befürchten, dass die Spitalsbetten sich relativ rasch füllen werden. Wie sehr es auf die Impfung ankommt, illustriert auch eine halbwegs aktuelle Grafik aus Deutschland:

Grafik: RKI

Es gibt bei den Prognosen noch eine weitere Variable, die in Fachkreisen noch ein wenig umstritten ist, nämlich die Delta-Variante. Unstrittig ist, dass diese aktuell dominierende Variante sehr viel infektiöser ist; ihre Basisreproduktionszahl wird auf über sechs geschätzt, womit sie um rund 40 Prozent höher ist als Alpha.

Briten finden mehr Virulenz

Nicht ganz so unumstritten ist die Virulenz von Delta. Doch vermutlich führt sie auch anteilsmäßig bei den ungeimpften Infizierten zu mehr schweren Verläufen und damit auch mehr Krankenhausaufenthalten. Die erste Studie, die das vermutete, erschien Ende August im angesehenen Fachmagazin "The Lancet Infectious Diseases" und basiert auf britischen Daten.

Konkret umfasste sie 196 Patienten, die mit der Delta-Variante ins Krankenhaus eingeliefert wurden, von denen 47 (24 Prozent) mehr als 21 Tage nach der ersten Impfung eingewiesen wurden. Im Vergleich zu Alpha-Infektionen im Frühjahr ermittelten die Forschenden nun bei Delta ein um das 2,23-Fache angestiegenes Risiko, nach einer Infektion stationäre Pflege zu benötigen.

Dänen bestätigen Briten

Eine Ende letzter Woche erschienene dänische Untersuchung bestätigte nun die britischen Daten. Wie die Medizinerinnen und Mediziner ebenfalls in "The Lancet Infectious Diseases" berichten, umfasst ihre Analyse allerdings nur 44 Patienten mit der Delta-Variante, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, davon vier, bei denen das mehr als 14 Tage nach der ersten Impfung passierte.

Das Risiko einer Krankenhauseinweisung war nur bei ungeimpften Personen und bei denjenigen, die innerhalb von 14 Tagen nach der ersten Impfdosis positiv getestet wurden, im Vergleich zu Alpha signifikant erhöht, bei den Ungeimpften etwa um den Faktor 2,8. Wie die dänischen Forschenden schreiben, halten sie die Ergebnisse der beiden Studien für vergleichbar und einander bestätigend, da die zugrundeliegenden Populationen eine ähnliche Covid-19-Impfstoffabdeckung und -einführung für die erste und zweite Dosis aufweisen – auch wenn in Dänemark kaum Vaxzevria verimpft wurde, also das Vakzin von Astra Zeneca, das eine etwas geringere Schutzwirkung haben dürfte als die mRNA-Impfstoffe.

Norweger sind anders

Warum sind die Formulierungen hier dennoch mit Vorsicht gewählt? Weil eine norwegische Studie, die gestern als Preprint (also noch nicht abschließend fachbegutachtet) auf Medrxiv herauskam, zu einem anderen Ergebnis gelangte. Die Forschenden in Norwegen schlossen 7.977 Delta-Fälle und 12.078 Alpha-Fälle ein. Insgesamt wurden 347 (1,7 Prozent) der Infektionsfälle ins Krankenhaus eingewiesen. Das Erstaunliche: Es gab – anders als in Dänemark und Großbritannien – so gut wie keinen Unterschied zwischen Alpha und Delta.

Die Forschenden halten freilich weitere Untersuchungen in einer Vielzahl von Situationen für nötig, um die Virulenz von Delta besser beurteilen zu können.

Ein Ergebnis war allerdings offensichtlich und außer Streit: Teilweise und vollständig geimpfte Personen sind auch im Fall von Delta in hohem Maße vor einer Krankenhauseinweisung mit Covid-19 geschützt, im konkreten Fall zu 72 (nur eine Impfung) und zu 76 Prozent (beide Impfungen) im Vergleich zu den ungeimpften Personen. (Klaus Taschwer, 6.9.2021)