An einem Flipper-Automat in Paris trafen 1958 zwei junge Schauspieler aufeinander, die bald für einige Jahrzehnte das französische Kino dominieren sollten: Alain Delon und Jean-Paul Belmondo. Der Film heißt Sois belle et tais-toi (Sei schön und halt den Mund!), Regie führte Marc Allégret.
Von Delon heißt es, er habe kaum einmal gelacht, seine Pose war die eines eiskalten Engels, während man sich Bébel, wie er bald zärtlich genannt wurde, nur mit einem schiefen Grinsen vorstellen konnte. In Jean-Luc Godards Welterfolg Außer Atem versuchte er noch, einen auf Humphrey Bogart zu machen. Aber er benötigte das große Vorbild bald nicht mehr.
Vielseitig
Schon 1964 hatte er so viele Filme gemacht, dass er eine frivole Autobiographie vorlegen konnte: Dreißig Jahre und fünfundzwanzig Filme. Darunter waren Titel wie der Hit Cartouche, der Bandit (1962, mit Claudia Cardinale), aber auch eigenwillige Meisterwerke des Autorenkinos wie Leon Morin, prêtre (Eva und der Priester, 1961) von Jean-Pierre Melville, in dem er einen jungen Geistlichen im besetzten Frankreich spielt, der auf eine kommunistische Halbjüdin trifft.
Es zeugt von der Vitalität des französischen Kinos in diesen Jahren, dass jemand wie Belmondo ohne Umstände sowohl experimentelles Kino machen konnte (Godards Pierrot le fou erwies sich noch dazu als sehr erfolgreich) wie auch Abenteuerkino auf den Spuren von Jules Verne (Das Rauhbein, 1965, von Philippe de Broca).
Actionheld mit Hang zum Slapstick
Jean-Paul Belmondo, geboren 1933 in Neuilly-sur-Seine am Rande von Paris, stammte aus einer Künsterfamilie mit italienischen Wurzeln. Sein Weg zum Schauspiel führte über das Theater, wo er nicht nur lernte, dass man sich auf der Bühne nicht vertreten lassen kann (er verzichtete dann auch beim Film nach Möglichkeit auf Stunt-Doubles), sondern sich auch die Tradition des Hinterbühnenstreichs zu eigen machte.
Für den Boxsport, in dem er sich in jungen Jahren eine Weile versuchte, war er nicht kräftig genug. Für das Image eines Actionhelden aber war seine Gestalt genau richtig: hoch aufgeschossen, gelenkig und schmal, hatte er immer einen leichten Hang zum Slapstick, war aber viril genug, um doch als Männlichkeitsidol zu funktionieren. Er war selber über seinen Erfolg anfangs erstaunt, denn er wusste, dass er, anders als Delon, nicht im klassischen Sinn schön war.
Vier Kinder
Seine Ausstrahlung war näher an der von Kollegen wie Lina Ventura oder des Übervaters des französischen Kinos, Jean Gabin. In seinen privaten Beziehungen spiegelte sich seine Popularität wider. Er hatte Beziehungen mit Kolleginnen wie Ursula Andress oder Laura Antonelli, und noch in hohem Alter wurde er 2003 zum vierten Mal Vater; die ersten drei Kinder stammen alle aus seiner ersten, 1965 geschiedenen Ehe.
1970 traf er in dem Gangsterepos Borsalino wieder auf Delon, und in Une chance sur deux spielten die beiden zwei Männer, die beide die Väter einer jungen Frau sein könnten, die von Vanessa Paradis gespielt wurde. Belmondo begann in diesen Jahren, seine Filme selbst zu produzieren, und äußerte sich gelegentlich abschätzig über das Kunstkino. Zugleich war er sich bewusst, dass er es selbst quersubventionierte: "Ich arbeite mit Henri Verneuil, damit ich in Stavisky von Alain Resnais mitspielen kann."
Die Leichtigkeit
In das internationale Actiongenre schnupperte er nur mit einer Parodie hinein: In Casino Royale (1967) spielte er einen Fremdenlegionär. Belmondo kam aber auch so viel herum. Ein exemplarischer Film für sein Schaffen ist etwa Abenteuer in Rio (1964, von Philippe de Broca), in dem die Schauplätze mit fast schon avantgardistischer Unbekümmertheit wechseln, und nur ein rasanter Schauspieler wie Belmondo mit der Geschichte Schritt halten kann. Bleiben wird von ihm vor allem die Leichtigkeit, mit der er sich durch fast 100 Filme bewegte.
Am Dienstag ist Jean-Paul Belmondo im Alter von 88 Jahren in Paris gestorben. "Er war schon einige Zeit sehr müde", gab sein Anwalt bekannt. (Bert Rebhandl, 6.9.2021)