Pariser Teamkollegen tauschen sich aus: Neymar und Messi.

Foto: AFP/Almeida

Lionel Messi blickte ratlos zu seinem Freund Neymar. "Warum haben sie nicht vorher gehandelt", fragte Argentiniens Kapitän hörbar verstört im Tohuwabohu. Nicht nur die Superstars von Paris St. Germain verstanden am Sonntag nach dem Abbruch des Superclasico die Fußballwelt nicht mehr. Brasilien gegen Argentinien, der große Hit in der WM-Qualifikation, hatte nicht einmal fünf Minuten lang gedauert.

Da betraten Beamte der brasilianischen Behörde für Gesundheitsüberwachung Anvisa sowie der Bundespolizei den Rasen der Neo Quimica Arena in Sao Paulo, im Schlepptau hilflose Verbands-Funktionäre im feinen Zwirn. Aus dem Rudel, das sich flott bildete, verschwanden Argentiniens Spieler wenig später in die Kabine, sie kamen nicht mehr zurück. Nichts wurde aus der mit Spannung erwarteten Neuauflage des Copa-America-Finales, das Messi und Co. 1:0 für sich entschieden hatten. Schon gar nichts wurde aus der erhofften brasilianischen Revanche.

Über das Nachspiel entscheidet nun der Weltverband als Ausrichter der WM 2022 in Katar.Die FIFA erklärte, dass Untersuchungen im Gange seien, mehr könne allerdings zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. Vermutlich fällt die FIFA ein salomonisches Urteil angesichts des engen Kalenders. Die beiden Eliminatorias-Spitzenreiter liegen ja sowieso eh klar auf Katar-Kurs.

Auslöser der Farce waren die Premier-League-Profis Emiliano Martinez, Emiliano Buendia (beide Aston Villa), Cristiano Romero und Giovani Lo Celso (beide Tottenham Hotspur), die am Freitag auf dem Einreiseformular nicht angegeben hatten, dass sie sich in den letzten 14 Tagen in England aufgehalten hatten, einem der vier Länder auf Brasiliens roter Pandemie-Liste. So umgingen sie die 14-tägige Zwangs-Quarantäne.Martinez, Romero und Lo Celso standen gar in der Startelf der Argentinier. Hätten die Behörden dennoch nicht früher agieren können? Deshalb zeigte sich Brasiliens Verband CBF "absolut überrascht vom Zeitpunkt – mit der Partie schon im Gange". Zumal die Regelung an sich paradox ist, weil sie nicht für Brasilianer gilt. Als ob sich das Virus an Reisepässe halten würde.

Ein Hin! Und ein Her!

Laut CBF-Interimspräsident Ednaldo Rodrigues hätte der Delegierte der kontinentalen Dachorganisation Conmebol gar bestätigt, dass das Quartett spielen könne. Argentiniens Coach Lionel Scaloni behauptete dann auch: "Zu keinem Zeitpunkt sind wir davon unterrichtet worden, dass sie nicht spielen dürfen." In einer Klarstellung der Anvisa heißt es dagegen, dass man bereits am Samstag Vertreter der CONMEBOL, der CBF und des argentinischen Verbandes AFA über die Quarantäne der vier Spieler unterrichtet habe. Einen zulässigen Ausnahmeantrag habe es seitens der Argentinier auch nicht gegeben.

Laut dem Internetportal UOL Esporte hätten sich die Argentinier dann am Sonntag im Hotel und sogar in der Umkleidekabine eingeschlossen, um sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Als der erste Beamte den Platz betrat, versuchte ihn der argentinische Verteidiger Nicolas Otamendi wieder vom Rasen zu führen. Zuvor hatten Funktionäre am Seitenrand die Ordnungshüter ebenfalls zurückgedrängt.

Knapp 50 Minuten später brach Referee Jesus Valenzuela (Venezuela) die Partie endgültig ab. Weil die Argentinier nicht mehr aus der Kabine zu bringen waren. Die Selecao legte demonstrativ vor Ort noch eine Trainingseinheit ein. Am 16. November stehen sich die beiden Teams im Rückspiel wieder gegenüber. Dann hoffentlich ohne Spielraum für Chaos. (sid, red, 6.9.2021)