Der Innsbrucker Gemeinderat Mesut Onay geriet nichtsahnend ins Visier der türkischen Staatsanwaltschaft.

Foto: Alternative Liste

Innsbruck/Wien – Der Innsbrucker Gemeinderat Mesut Onay (Alternative Liste), der vom türkischen Staat mit offensichtlich konstruierten Vorwürfen zum "Terrorverdächtigen" gemacht wurde, ist kein Einzelfall. Vergleichbare Rechtshilfeansuchen kämen in den vergangenen Jahren immer wieder, und zwar ausschließlich aus der Türkei, wie es auf Anfrage des STANDARD im Justizministerium heißt. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht, da man "keine Statistik führt".

Onay, gebürtiger Österreicher mit ebensolchem Pass, wurde Ende August 2021 von der Staatsanwaltschaft Innsbruck darüber informiert, dass man einem Rechtshilfeersuchen der Türkei, die ihn der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, der Terrorpropaganda und der Ehrverletzung des türkischen Präsidenten bezichtigt, nicht nachkommen werde.

Gefährliche Frist bis zum Abschluss der Überprüfung

So groß die Erleichterung über diese Auskunft war, so groß war das Entsetzen Onays, als er im Akt das Zustelldatum des türkischen Rechtshilfeersuchens las. Denn im Ministerium wusste man schon seit 21. Mai von den Vorwürfen gegen ihn, die auf Basis eines Facebook-Postings aus dem Jahr 2015 von der Staatsanwaltschaft in Ankara konstruiert wurden. Wäre Onay zwischenzeitlich nichtsahnend in die Türkei gereist, hätte man ihn dort als Terrorverdächtigen festgehalten.

Onay war 2015, als Innsbrucker Gemeinderat, zusammen mit einer Delegation österreichischer, deutscher und niederländischer Politiker im türkisch-syrischen Grenzgebiet zu Gast, um die Menschenrechtslage in der umkämpften Region zu dokumentieren. Bilder der Reise, die er auf seine Facebook-Seite geladen hatte, dienen den türkischen Behörden nun als Beleg für ihre "Terrorvorwürfe".

Betroffener appelliert an Ministerium

Der Innsbrucker Politiker appelliert an das Justizministerium, diese Praxis – Vorwürfe, auch wenn sie offensichtlich unwahr sind, zu prüfen, bevor man die Betroffenen informiert – zu ändern: "Man bringt damit Menschen in ernste Gefahr, wenn diese nichtsahnend in die Türkei reisen."

Das Ministerium verweist auf den Rechtsweg: "Eine ‚Vorabinformation‘ betroffener Personen ohne inhaltliche Prüfung des Rechtshilfeersuchens ist nicht vorgesehen." Aber man habe sich entschlossen, "in vergleichbaren (türkischen) Fällen auch nichtösterreichische Staatsangehörige über die Ablehnung unzulässiger Rechtshilfeersuchen zu unterrichten". (Steffen Arora, 6.9.2021)